Niederlande mit weißer Weste ins Achtelfinale
Falls die Spieler von Chile und den Niederlanden tatsächlich vorgehabt haben sollten, im letzten Gruppenspiel die Kräfte und Knochen für das Achtelfinale zu schonen und ein lockeres Aufwärmprogramm zu veranstalten, dann ist dieser Plan daneben gegangen. Von Schongang war wenig zu bemerken in diesem Duell der Spanien-Bezwinger, das nicht immer hochklassig, aber äußerst intensiv (39 Fouls) war.
Was auch und vor allem an den Chilenen lag, die den Standfußball und Sommerkick offensichtlich auch gar nicht in ihrem Repertoire haben. "Unser Stil ist Selbstmordfußball", versichert Superstar Arturo Vidal. Zumindest das chilenische Energiebündel wurde von seinem Trainer im letzten Gruppenmatch als Vorsichtsmaßnahme auf die Tribüne gesetzt. Die Südamerikaner brauchen den Antreiber noch für das dritte Achtelfinale ihrer Fußball-Historie, wo nach der gestrigen 0:2-Niederlage gegen Gruppensieger Niederlande nun die Nummer eins der Gruppe A wartet.
Kopfballungeheuer
Der niederländische Teamchef Louis van Gaal musste gegen Chile auf den gesperrten Angreifer Robin van Persie verzichten, weshalb erstmals seit 1996 kein "Van" im Oranje-Aufgebot zu finden war. Ohne den dreifachen WM-Torschützen musste Arjen Robben lange Zeit den offensiven Alleinunterhalter geben, doch zu den Matchwinnern sollten im Finish – wie schon so oft bei dieser WM – die Joker werden:
Leroy Fer wuchtete erst einen Kopfball zum 1:0 ins Netz (77.) und machte sich dabei den Größenvorteil der Niederländer zu Nutze: Der 24-jährige Fer überragt mit seinen 1,88 Metern den größten chilenischen Spieler gleich um zehn Zentimeter.
In der Nachspielzeit fixierte der ebenfalls eingewechselte Memphis Depay das 2:0 – ein Verdienst von Routinier Robben, der sich nicht zu schade war, im Finish noch übers halbe Feld zu sprinten, um den 20-Jährigen ideal zu bedienen.
Spätstarter
Mit den späten Siegestoren prolongierten die Niederländer eine bemerkenswerte Serie, die auch der Konkurrenz zu denken geben sollte: Acht seiner zehn Tore erzielte das Team des Strategen Van Gaal nach der Pause – offenbar eine Stärke der WM-Starter aus den Benelux-Staaten. Nachbar Belgien war bei dieser WM überhaupt ausschließlich in den zweiten 45 Minuten erfolgreich.
Die Chilenen? Die liefen wie schon bei ihren Siegen gegen Australien und Spanien wie aufgezogen übers Spielfeld, rannten sich aber oft in der niederländischen Defensive fest, die sich kaum Aussetzer leistete. Die größte Gefahr ging noch von Nigel de Jong aus, der beinahe ein Eigentor erzielt hätte (81.).
Ein angenehmer Achtelfinalgegner sind beide Teams nicht. Wobei man im Lager der Holländer nach dem Sturmlauf durch die Vorrunde auf die Euphoriebremse tritt. Aus leidiger Erfahrung: 2008, bei der Alpen-EM, hatten die Oranjes ebenfalls in der Gruppenphase brilliert, waren dann aber gleich im ersten K.-o.-Spiel k.o. gegangen. "Das muss uns eine Lehre sein", sagt Arjen Robben.
/**/Sao Paulo, Arena Corinthians, 62.996, SR Gassama (GAM)
Tore:
1:0 (77.) Fer
2:0 (93.) Depay
Niederlande: Cillessen - Janmaat, Vlaar, De Vrij, Blind - Wijnaldum, De Jong, Kuyt (89. Kongolo) - Robben, Sneijder (75. Fer), Lens (69. Depay)
Chile: Bravo - Medel, Silva (70. Valdivia), Jara - Isla, Aranguiz, Diaz, Mena - Gutierrez (46. Beausejour) - Sanchez, Vargas (81. Pinilla)
Gelbe Karten: Blind bzw. Silva
Louis van Gaal (Teamchef Niederlande): "Es war ein Spiel auf höchstem Level, die cleverere Mannschaft hat gewonnen. Die Einwechslungen der Torschützen war Glück."
Arjen Robben (Niederlande/Man of the Match): "Ich bin unglaublich stolz auf diese Mannschaft. Wenn man gesehen hat, wie die Jungs gekämpft haben, einfach beeindruckend. Wir haben nichts zugelassen, und das gegen eine überragende Mannschaft. Es ist jetzt alles schön, wir haben drei Spiele gewonnen, aber wir dürfen jetzt nicht schon bis zum Finale schauen. Die nächste Aufgabe wird unheimlich schwer."
Jorge Sampaoli (Teamchef Chile): "Wir sind auf eine Mannschaft getroffen, die in der Abwehr sehr geschlossen stand und sehr gut verteidigt hat. Die Niederländer waren auf ein Remis aus, wir wollten gewinnen. Wir haben alles versucht, es hat leider nicht gereicht. Wir hätten ein besseres Ergebnis verdient gehabt, aber dass wir im Achtelfinale stehen, macht mich stolz. Wir haben die Gruppenphase mit erhobenem Haupt beendet. Wir sind jetzt bereit für jeden Gegner, der kommt."
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