Brasilien gewinnt Elfmeterkrimi gegen Chile

Der Gastgeber behält im südamerikanischen Duell die Oberhand und steht im Viertelfinale.

Niemand solle sich darüber wundern, wenn Chile den Brasilianern einen Schrecken einjagt. Das waren die eindringlichen Worte von Diego Maradona, und dieser erhobene Zeigefinger der Hand Gottes war bei Gott nicht die einzige Warnung, die den WM-Gastgeber vor dem brisanten Achtelfinale erreichte. "Chile ist der härteste Brocken, den wir kriegen konnten", hatte auch der brasilianische Teamchef Luiz Felipe Scolari seit Tagen seinen Spielern und der titelhungrigen Öffentlichkeit eingebläut.

Und recht sollte er behalten: Viel hat nicht gefehlt, und die Chilenen wären zum großen Partyschreck geworden. Für Brasilien, und überhaupt für diese WM. Nur Millimeter trennten den Gastgeber vor dem frühen Aus, als Pinilla in der Schlussminute der Verlängerung die Querlatte traf. In der Nervenschlacht Elfmeterschießen wurde dann Torhüter Júlio César mit zwei gehaltenen Strafstößen zum großen brasilianischen Triumphator, ehe der Chilene Jara den letzten Elfmeter an die Innenlatte knallte. Mit Ach und Krach und mit viel Glück zog der Gastgeber ins Viertelfinale ein und darf weiter vom sechsten WM-Titel träumen.

Leidenschaft

Dass dieses Duell kein gewöhnliches Achtelfinale werden würde, das war schon vor dem Spiel zu sehen. Vor allem aber war es zu hören: Die Brasilianer und auch die Chilenen stimmten ihre Hymnen schon mit einer derartigen Inbrunst an, dass eigentlich gar kein lauer Kick mehr herauskommen konnte.

Ähnlich leidenschaftlich wie beim südamerikanischen Song Contest ging es dann zumeist auch auf dem Spielfeld zu. Sieben gelbe Karten und 51 Fouls sind Beleg für das intensive Spiel. Der Unterhaltungswert sollte unter den vielen Zweikämpfen und Unterbrechungen aber nicht leiden. Zumal immer wieder auch in den Strafräumen einiges los war. Vor allem die hohen Bälle lösten bei den kleinen Chilenen (1,76 Meter im Schnitt) Chaos aus, und so war es auch kein Zufall, dass die Brasilianer nach einem Corner in Führung gingen. Verteidiger David Luiz ließ sich feiern, doch die Zeitlupe brachte Licht in die Angelegenheit: Eigentlich hatte der chilenische Verteidiger Silva den Ball zum 0:1 ins Tor bugsiert (18.), die FIFA sprach trotzdem Luiz den Treffer zu.

Doch wer gedacht hätte, dass nun ein wenig Ruhe ins nervöse brasilianische Spiel einkehren würde, der täuschte sich. In der Offensive fiel dem großen Turnier-Favoriten gegen den kleinen Turnier-Geheimfavoriten recht wenig ein, zumal die laufstarken Chilenen auch Brasiliens Superstar Neymar weitgehend aus dem Spiel nahmen.

Brasilien gewinnt Elfmeterkrimi gegen Chile

Fans of Brazil cheer before the start of the 2014
Brasilien gewinnt Elfmeterkrimi gegen Chile

BRAZIL SOCCER FIFA WORLD CUP 2014
Brasilien gewinnt Elfmeterkrimi gegen Chile

Referee Howard Webb of England gestures during the
Brasilien gewinnt Elfmeterkrimi gegen Chile

Brazil's Neymar is assisted by his teammate Alves
Brasilien gewinnt Elfmeterkrimi gegen Chile

BRAZIL SOCCER FIFA WORLD CUP 2014
Brasilien gewinnt Elfmeterkrimi gegen Chile

Brazil's David Luiz scores a goal during their 201
Brasilien gewinnt Elfmeterkrimi gegen Chile

Brazil's David Luiz celebrates after scoring a goa
Brasilien gewinnt Elfmeterkrimi gegen Chile

Chile's Alexis Sanchez celebrates after scoring a …
Brasilien gewinnt Elfmeterkrimi gegen Chile

Brazil's Hulk stops the ball, before shooting to s
Brasilien gewinnt Elfmeterkrimi gegen Chile

Brazil's Hulk argues with the linesman after his g
Brasilien gewinnt Elfmeterkrimi gegen Chile

Brazil's Hulk scores a goal that was disallowed du
Brasilien gewinnt Elfmeterkrimi gegen Chile

National soccer players of Brazil and Chile fight
Brasilien gewinnt Elfmeterkrimi gegen Chile

BRAZIL SOCCER FIFA WORLD CUP 2014
Brasilien gewinnt Elfmeterkrimi gegen Chile

Brazil's Cesar dives as the ball shot by Chile's J
Brasilien gewinnt Elfmeterkrimi gegen Chile

BRAZIL SOCCER FIFA WORLD CUP 2014
Brasilien gewinnt Elfmeterkrimi gegen Chile

Fans of Brazil react during the penalty shootout b

Fehlerteufel

Und hinten, das hat diese WM bereits gezeigt, sind die Brasilianer trotz der teuersten Innenverteidigung der Welt (David Luiz, Thiago Silva) immer für einen Aussetzer gut. Wobei es diesmal ein Torjäger war, der den kapitalen Bock schoss: Hulk vertändelte nach einem Einwurf der Brasilianer den Ball, und zwei Ballkontakte später war die Führung dahin: Alexis Sánchez bestrafte den Fehler und brachte die Chilenen zurück ins Spiel – 1:1 (32.).

Es war ein Treffer, der bei den Brasilianern Wirkung zeigte, die Angst vor einem Achtelfinal-K.o. lähmte die Beine. Und trotzdem hätten sie genug Möglichkeiten vorgefunden, um die Zitterpartie vorzeitig zu beenden. Neymar scheiterte zwei Mal per Kopf, Hulk fand gleich mehrmals in Chile-Goalie Bravo seinen Meister, der seinem Namen alle Ehre machte.

Júlio César hatte aber ein noch besseres Händchen: Schon in der regulären Spielzeit hatte er gegen Aranguiz das 1:2 verhindert, im Elfmeterschießen wurde er zum Helden. Bitter für die Chilenen – für sie kam zum dritten Mal gegen Brasilien das Aus im Achtelfinale.

*/ /*-->*/

Belo Horizonte, 58.000, SR Webb (ENG)

Tore:

1:0 (18.) David Luiz (gemäß FIFA-Angaben)
1:1 (32.) Alexis Sanchez

Elfmeterschießen:
1:0 David Luiz trifft
1:0 Pinilla vergibt (gehalten)
1:0 Willian vergibt (daneben)
1:0 Alexis Sanchez vergibt (gehalten)
2:0 Marcelo trifft
2:1 Aranguiz trifft
2:1 Hulk vergibt (gehalten)
2:2 Diaz trifft
3:2 Neymar trifft
3:2 Jara (Stange)

Brasilien: Julio Cesar - Dani Alves, Thiago Silva, David Luiz, Marcelo - Fernandinho (72. Ramires), Luiz Gustavo - Hulk, Oscar (106. Willian), Neymar - Fred (64. Jo)

Chile: Bravo - Silva, Medel (108. Rojas), Jara - Isla, Aranguiz, Diaz, Mena - Vidal (87. Pinilla) - Vargas (56. Gutierrez), Alexis Sanchez

Gelbe Karten: Hulk, Luiz Gustavo (im nächsten Spiel gesperrt), Jo, Dani Alves bzw. Mena, Silva, Pinilla

Julio Cesar (Brasilien-Tormann): "Es war ein sehr kompliziertes Spiel. Das habe ich auch erwartet. Der Druck auf uns brasilianische Spieler bei dieser Heim-WM ist richtig groß. Wir haben vor der Pause sehr gut gespielt, mit dem Ausgleich ist Chile aber ins Spiel gekommen."

Luiz Gustavo (Brasilien-Mittelfeldspieler): "Es war ein besonderer Tag für uns. So in ein WM-Viertelfinale einzuziehen, das ist ein Traum. Wir müssen nun durchatmen und uns neu konzentrieren. Ich bin ja jetzt gesperrt und hoffe, dass ich nochmals einen Einsatz bei dieser WM habe."

Arturo Vidal (Chile-Mittelfeldspieler): "Für uns ist es natürlich unheimlich hart und bitter. Wir hätten das Weiterkommen verdient gehabt. Wir sind traurig, dass wir unseren großen Traum nicht mehr verwirklichen können. Wir hatten mehr erwartet."

Gezittert, gebangt und am Ende doch gejubelt: An der Copacabana in Rio de Janeiro entlud sich die Stimmung nach dem Sieg Brasiliens gegen Chile mit einem Feuerwerk: Böller explodierten, Raketen stiegen in den Tageshimmel, Zehntausende Menschen lagen sich tanzend und singend in den Armen.

„O Campeão voltou“, also „der Champion ist zurück“, sangen die Fans nicht nur an der Copacabana und im Stadion von Belo Horizonte, sondern im ganzen fußballverrückten Land nach dem Einzug des WM-Gastgebers ins Viertelfinale. Ein Ausscheiden wäre einer nationalen Katastrophe gleichgekommen – wie schon 1950, als die Brasilianer bei der ersten WM im größten Land Südamerikas das entscheidende letzte Spiel um den WM-Titel in Rio de Janeiro gegen Uruguay mit 1:2 verloren hatten.

Die Seleção-Anhänger hatten die weltberühmte Strandpromenade am Samstag mit Nationaltrikots und Fahnen in ein gelb-grünes Meer verwandelt. Frenetisch feierten sie in völlig überfüllten Strandbars und Restaurants ihre Helden nach dem Elfmeter-Krimi von Belo Horizonte, allen voran Torwart Júlio César und Starstürmer Neymar. Viele Fans reckten WM-Pokale und Banner mit dem Spruch „Rumo ao Hexa!“ (Kurs auf den 6. WM-Titel) in die Höhe. Nach den WM-Titeln 1958, 1962, 1970, 1994 und 2002 soll jetzt der erste Triumph im eigenen Land fixiert werden.
Dass Brasiliens Stars Nervenstärke haben, bewiesen sie im 23. Elfmeterschießen der WM-Geschichte. Zum dritten Mal in insgesamt vier Versuchen setzte sich die Seleção in einer finalen Nervenprobe durch.

Kommentare