Die WM der Rekorde

Das Turnier ist zu Ende, es bleiben beeindruckende Statistiken. Ein Blick auf Prämien, TV-Zahlen und virtuelle Höhenflüge.

16 WM-Tore hat Deutschland-Stürmer Miroslav Klose erzielt. Mit seinen zwei Treffern in Brasilien überholte der 36-Jährige den Brasilianer Ronaldo (15).

18 Treffer haben Spieler des FC Bayern München bei diesem Turnier erzielt. Nummer zwei war Barcelona (10), danach folgt Manchester United (9). Für die 18 Tore waren Thomas Müller (5), der Niederländer Arjen Robben, der Schweizer Xherdan Shaqiri (beide je 3), Toni Kroos, Mario Götze, der mittlerweile zu Atlético Madrid gewechselte Kroate Mario Mandzukic (alle 2) und US-Nationalspieler Julian Green (1) verantwortlich.

83,957 Kilometer lief Thomas Müller in 682 Einsatzminuten – soviel wie kein anderer. Teamkollege Toni Kroos folgt auf Platz zwei mit 82,6 Kilometern.

171 Tore fielen insgesamt – genauso viele wie 1998 in Frankreich. Nach der torreichsten Vorrunde (136) kamen in den 16 K.o.-Spielen nur 35 hinzu. Der Schnitt liegt damit bei 2,67 Toren pro Partie.

244 erfolgreiche Pässe hat Deutschland-Tormann Manuel Neuer gespielt. Um zwei mehr als Lionel Messi! Der zum Spieler des Turniers gewählte Argentinier brachte in sieben Partien nur 242 seiner 356 Zuspiele beim Mitspieler an.

651 Pässe hat Philipp Lahm im ganzen Turnier gespielt. 562 davon kamen an. Das macht eine Quote von 86,3 Prozent. Auf Platz zwei folgt Kroos mit 633 Pässen, von denen 537 beim Mitspieler landeten. Argentiniens Javier Mascherano kam auf 536 erfolgreiche Pässe. Insgesamt wurden von den Deutschen 5084 Pässe gespielt, 4157 zum Mitspieler gebracht. 82 Prozent der deutschen Zuspiele kamen an – der Spitzenwert für alle Teams, die die Gruppenphase überstanden. Argentinien kam auf 4318 Pässe, wobei 77 Prozent erfolgreich waren.

54.592 Zuschauer verfolgten die Spiele im Schnitt im Stadion. Das ist der zweithöchste Wert der Geschichte nach der WM 1994 in den USA (68.991). Damals wurden aber nur 52 Spiele ausgetragen und waren die Stadien größer.

300.000 Euro bekommt jeder der deutschen Spieler für den WM-Titel – soviel wie noch nie. Die Rekordprämie davor waren die 150.000 Euro nach dem verlorenen EM-Finale 2008 gegen Spanien. Der Deutsche Fußball-Bund bekommt von der FIFA 35 Millionen US-Dollar, umgerechnet 25,6 Millionen Euro überwiesen.

34.650.000 Zuschauer hatte ARD beim Finale – Allzeitrekord in Deutschland. Der Marktanteil betrug 86,3 Prozent. Die bisherige Bestquote war am Dienstag zuvor beim 7:1 im Halbfinale gegen Brasilien mit 32,54 Millionen Zuschauern gemessen worden. Nicht mitgezählt sind die Fans beim Public Viewing, wie jene 200.000 beim Finale in Berlin. In Österreich sahen das Finale 1,865 Millionen im ORF und 506.000 auf ARD.

35.600.000 Nachrichten über das Spiel wurden während des 7:1 der Deutschen gegen Brasilien über den Kurznachrichtendienst Twitter versandt. Beim Finale waren es noch 32,1 Millionen und 618.725 Tweets pro Minute nach dem Schlusspfiff. Facebook verzeichnete mit 280 Millionen Interaktionen, also Postings, Kommentare und "Gefällt mir"-Angaben – während des Finales die höchsten Nutzungszahl während eines Einzelsportereignisses seit Bestehen der des Netzwerkes.

115.000.000 Euro Ablöse verlangte Monaco für den kolumbianischen WM-Torschützenkönig James Rodríguez . Real Madrid habe die Summe auf 85 Millionen drücken können und will noch zehn wegverhandeln.

11.600.000.000 Dollar (8,5 Milliarden Euro) hat Brasilien in die Austragung des Turniers investiert.

Die WM der Rekorde
Die WM der Rekorde

Aus und vorbei. Die Flutlichter gehen aus, die Diskussionen beginnen: Was bleibt von der WM 2014? Was war gut, was schlecht, was hat überrascht, wer hat enttäuscht? Und wie wird das Turnier den Fußball der Zukunft beeinflussen? Der Versuch einer Kategorisierung.

In Brasilien gab es die wenigsten gelben Karten seit der WM 1986 in Mexiko. Ob das gut ist? Meist werden wenige Karten mit einer souveränen Schiedsrichterleistung gleichgesetzt und ein Unparteiischer, der mehr austeilt, abwertend als "Kartenspieler" verunglimpft.

Mit diesem Blödsinn sollte endlich Schluss ein. Bei der dieser WM hätte nicht nur ich mir mehr Karten gewünscht. Von konsequenter Umsetzung der Spielregeln war kaum etwas zu sehen.

Da wurden reihenweise gelbe Karten für "taktische" Fouls, mit denen auf unsportliche Weise Angriffe unterbunden wurden, nicht gegeben. Ein Freibrief für Zerstörer, ein Rückschritt in die 1980er-Jahre. Aber auch bei anderen Vergehen wurde extrem tolerant agiert.

Die WM der Rekorde
epa04311407 Swiss former referee and FIFA Head of Refereeing Development Massimo Busacca speaks during a press conference where he announced that Italian Nicola Rizzoli will be the referee of the final soccer match of FIFA World Cup 2014 between Argentina and Germany on 13 July, in Rio de Janeiro, Brazil, 11 July 2014. EPA/Ballesteros
Man hört, dass dies die Vorgabe von Massimo Busacca war und schiebt dem Schiedsrichter-Chef der FIFA den Schwarzen Peter zu. Wie es wirklich war, wird man wissen, wenn sich einer der WM-Schiedsrichter öffentlich dazu äußert. Zumindest jene, die noch ein paar Jahre pfeifen wollen, werden sich aber auf die Zunge beißen.

Busacca selbst hätte das im Übrigen auch tun sollen. "Wir sind sehr zufrieden. Wir haben unglaubliche Leistungen gesehen", sagte der Schweizer am Freitag in Rio de Janeiro.

Unglaublich ist ja nicht gleichbedeutend mit gut, könnte man meinen.

So sehr ich als Kollege mit den Schiris mitgefiebert und auch gute Leistungen gesehen habe, so sehr muss ich sie auch in die Kritik nehmen. Denn unterm Strich überwiegen gravierende, falsche Einzelentscheidungen, die ein positives Gesamtbild einfach nicht zulassen.

Der negative Höhepunkt war für mich die nicht gegebene Rote gegen den Brasilianer Thiago Silva im kleinen Finale, nachdem er Arjen Robben kurz vor dem Tor zu Boden gerissen hatte. Also, einen falschen Elfer hat ja jeder von uns schon gepfiffen. Aber dass es hier nicht Gelb geben kann, das weiß heute jeder Nachwuchsspieler.

Den Ruf nach mehr Schiedsrichtern aus europäischen Topligen kann ich nicht mehr hören. Denn der Schlechteste überhaupt war der aus dem Land des letzten Weltmeisters. Der Spanier Carlos Velasco Carballo.

Schnitzelklopfen

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epa04299649 Spanish referee Carlos Velasco Carballo (L) talks to Colombia's Juan Zuniga during the FIFA World Cup 2014 quarter final match between Brazil and Colombia at the Estadio Castelao in Fortaleza, Brazil, 04 July 2014. (RESTRICTIONS APPLY: Editorial Use Only, not used in association with any commercial entity - Images must not be used in any form of alert service or push service of any kind including via mobile alert services, downloads to mobile devices or MMS messaging - Images must appear as still images and must not emulate match action video footage - No alteration is made to, and no text or image is superimposed over, any published image which: (a) intentionally obscures or removes a sponsor identification image; or (b) adds or overlays the commercial identification of any third party which is not officially associated with the FIFA World Cup) EPA/TOLGA BOZOGLU EDITORIAL USE ONLY
Er hat gleich zwei Mal eindrucksvoll demonstriert, was passiert, wenn man die Karten stecken lässt. Bei UruguayEngland hätte er zwei Südamerikaner ausschließen müssen und tat es nicht. Im Viertelfinale BrasilienKolumbien hat er toleriert, dass beide Topspieler (Neymar und James Rodríguez) wie Schnitzel abgeklopft werden.

Das Resultat ist bekannt.

Auch im Finale war nicht alles korrekt. Höwedes’ Foul gegen Zabaleta war brutal, mit den Stollen in Kniehöhe. Da kann es nur Rot geben. Und auch für Manuel Neuers Knie-Check gegen Higuain hätte es Rot und Elfmeter geben müssen. Dass er zugleich den Ball weggefaustet, also gespielt hat, ist egal. Der Torhüter hat diesbezüglich keine Sonderrechte. Einem Gegner mit dem Knie ins Gesicht zu springen steht ihm ebenso wenig zu wie einem Feldspieler.

Doch die Argentinier müssen sich selbst bei der Nase nehmen. Nicht Referee Nicola Rizzoli, sondern sie selbst waren es, die ihre Chancen vernebelt haben. Es bleibt jedoch ein fader Beigeschmack.

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Germany's goalkeeper Manuel Neuer collides into Argentina's Gonzalo Higuain (L) as he clears the ball during their 2014 World Cup final at the Maracana stadium in Rio de Janeiro July 13, 2014. REUTERS/Kai Pfaffenbach (BRAZIL - Tags: SOCCER SPORT WORLD CUP TPX IMAGES OF THE DAY)
Den werde ich auch nicht los, wenn ich mich an die guten Leistungen erinnere. Der Engländer Howard Webb hat mich im Achtelfinale BrasilienChile ebenso beeindruckt wie der Usbeke Rawschan Irmatow oder der Niederländer Björn Kuipers. Positiv waren auch Torlinien-Technologie und Freistoß-Spray, der als Rasierschaum verschmäht wird. Dabei hat er seinen Zweck erfüllt. Das verfrühte, unsportliche Herauslaufen aus der Mauer war nicht zu sehen.

Was ich mir für 2018 wünsche? Klare Vorgaben, Unsportlichkeiten und grobe Fouls schon in den ersten Minuten zu unterbinden. Und Torrichter. Denn selbst wenn diese bei der UEFA bislang nicht tadellos waren, so sorgen zwei Augen mehr in Strafraumnähe allein schon aufgrund ihrer Anwesenheit für weniger Vergehen. Und schließlich werden Spiele in den Strafräumen entschieden.

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