Baustelle Sotschi

Es bleibt viel zu tun im Skisprungzentrum.
Wenige Tage vor der Eröffnung wird immer noch gebaut und gebastelt.

Der erste Eindruck bringt den Besucher der Winterspiele gleich einmal auf die Palme. Im Angesicht der vielen tropischen Bäume, für die Sotschi ein echter Garten Eden zu sein scheint, wachsen die ersten Zweifel. Wäre die luftige Leinenhose nicht vielleicht doch angemessener gewesen als die dicke Daunenjacke?

Es fällt dem schneeverwöhnten Österreicher schwer, mit Olympischen Winterspielen in solch subtropischen Gefilden richtig warm zu werden. Da mögen sich die Russen in den Tagen vor der Eröffnung am Freitag noch so ins Zeug legen, um einen Hauch Winterzauber zu verbreiten: Der Schneepflug, der demonstrativ im Schneckentempo die apere Asphaltstraße räumt, wirkt so deplatziert wie ein Eisbär in der Wüste. Die Christbäume, die in den vielen staubigen, schmutzigen Grau-Zonen rund um Krasnaja Poljana aufgestellt wurden, können ebenfalls keine heimelige Stimmung verbreiten. Und auch wenn die russischen Organisatoren an der Sprungschanze den Kunstschnee aus allen Rohren schießen – wenige Tage vor der Eröffnung der Winterspiele stehen die Zeichen der Natur eher auf Mattenspringen.

Spätestens ab Freitag wollen Sotschi, Russland und nicht zu vergessen Präsident Wladimir Putin die perfekten Olympischen Winterspiele inszenieren. Doch derzeit fühlt sich der Besucher noch eher wie in einem falschen Film. Und auch beim Personal läuft noch nicht alles ganz nach Plan.

Der Ratlose

Baustelle Sotschi
Baustelle, Krasnaja Poljana, Olympia 2014, Krasnaja Poljana c Stefan Sigwarth
Der ältere Herr, der den Shuttlebus steuert, sieht ratlos aus. Vom Flughafen in Sotschi hat er problemlos den Weg bis in den Mountain Cluster gefunden. Mit gemächlicher Maximalgeschwindigkeit von 60 Kilometern pro Stunde zwar, aber immerhin. Auch von den anderen Bussen, die ihn auf der für Olympia eigens errichteten Schnellstraße überholten, ließ er sich nicht beeindrucken. Schnell ist eben relativ in Russland.

Doch vor dem Medienzentrum in Krasnaja Poljana weiß der besonnene Buschauffeur nicht mehr weiter. Er tut das, was ihm in so einer Situation am hilfreichsten erscheint: Er steigt aus und raucht eine Zigarette. Schweigend, versteht sich.

Vier Tage vor der Eröffnung der Olympischen Spiele in Russland ist vieles noch nicht eingespielt, geschweige denn fertig. An allen Ecken und Enden wird noch geräumt, geflext und gezimmert. Jeder zweite Bagger aus dem russischen Reich dürfte derzeit hier die Olympischen Spiele auf die Schaufel nehmen.

Die Neue

Baustelle Sotschi
Baustelle, Krasnaja Poljana, Olympia 2014, Krasnaja Poljana c Stefan Sigwarth
Noch hat man das Gefühl, dass der Olympiaort von mehr Baufahrzeugen als Athleten bewohnt wird. „Wir haben unser Haus erst gestern eröffnet, deshalb gibt es noch nicht alle Getränke an der Bar“, sagt die Bedienung im Hotel Gorki Panorama und wirkt fast betroffen. Ein geringes Problem im Vergleich zu anderen Quartieren, die mit Schimmel kämpfen – oder mit braunem Wasser aus der Leitung. Mitten auf der Straße im Medienhotel-Viertel, das in Braun- und Beigetönen an Outletcenter-Architektur erinnert, hockt ein Mann mit einem Hammer und versucht, das Pflasterstein-Puzzle fertigzustellen. Noch umgibt ihn ein großes Loch im Boden.

Apropos Loch: Auch auf der Schnellstraße tun sich noch Probleme auf, weil die Kanaldeckel fehlen. Zwei Arbeiter starren mit vereinten Kräften ins Bodenlose, eine Lösung scheint noch nicht in Sicht.

Zu sehen sind stattdessen etliche der 60.000 Sicherheitsbeamten, die ihres Amtes walten. Grundregel: So ungewöhnlich kann ein Ort gar nicht sein, als dass sich dieser nicht bewachen ließe. Auch am Rand von Schnellbahn und -straße sind die ernsthaften Herren positioniert, flankiert von Kameras und Scheinwerfern an jedem Brückenpfeiler. Dass weit und breit niemand zu sehen ist, scheint sie nicht zu stören.

Schlecht beraten ist übrigens, wer sich in einem schlammbraunen Tarnanzug verbergen möchte: Über den ärgsten Dreck wurden im Tal etliche grüne Matten gezogen. Immerhin: Auf den Bergen liegen bis zu drei Meter Schnee. Zumindest dort ist so richtig Winter.

Die Olympia-Wettkampfstätten

Am Freitag werden die Winterspiele in Sotschi eröffnet. Positiv stimmt dabei, dass bis dahin die Sonne scheinen wird. Meinen zumindest die Meteorologen. Am Freitag selbst bewölkt sich der Himmel. Weniger heiter präsentiert sich die Situation schon jetzt bei den Medienhotels. Im Finish der Bauarbeiten müssen sich die Arbeiter mit von Bauschlamm verdreckten Zimmern herumschlagen. Nur sechs von neun Unterkünften in der Bergregion Krasnaja Poljana seien derzeit bezugsfähig, musste das Organisationskomitee SOCOG eingestehen.

Beschwerden gab es auch von Gästen, weil aus den Leitungen schmutziges Wasser kam. Teilweise funktionieren die Heizungen noch nicht. Mitarbeiter des britischen TV-Senders BBC mussten umquartiert werden. Überhaupt konnten nicht alle Neuankömmlinge in ihre gebuchte Unterkunft einziehen.

Der neue IOC-Präsident Thomas Bach reagierte gelassen: „Das ist vor den Spielen immer so.“

Indes haben die Organisatoren die Vorwürfe der großen Umweltzerstörung zurückgewiesen. „Überall, wo gebaut wird, entsteht Schaden an der Landschaft, aber überall wird rekultiviert“, sagte Danila Owtscharow vom Organisationskomitee.

Im Vorfeld der Spiele wurde die Errichtung von illegalen Mülldeponien, die Abholzung von Bergwäldern und die Baustellen in Biosphärenreservaten heftig kritisiert. Selbst im Trinkwasser soll ein Qualitätsverlsut von zirka 30 Prozent festgestellt worden sein.

Owtscharow versucht zu beruhigen. Es gebe eine sehr moderne Müllverarbeitungsanlage. Auch sollen für jeden gefällten Baum künftig mehr als drei neue Bäume gepflanzt werden. Insgesamt mache dies 200.000 aus.

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