"Kindergärtnerin ist die zentrale Bezugsperson"
Cornelia Wustmann beschäftigt sich als Universitätsprofessorin mit Frühkindpädagogik. Im KURIER-Interview erklärt sie, warum der Kindergarten aus wissenschaftlicher Sicht so wichtig ist.
KURIER: Mit der Aktion „Beliebteste Kindergärtnerin“ wird die Pädagogin und ihre Arbeit in den Mittelpunkt gestellt. Wie wichtig ist sie als Person für die Entwicklung des Kindes?
Cornelia Wustmann: Sie ist natürlich die zentrale Bezugsperson – mehr noch als später die Lehrerin für die Schüler. Eine gute Kindergärtnerin zeichnet aus, welchen Blick sie auf das Kind hat. Sie muss es beobachten und ihm nur helfen, wenn es alleine wirklich nicht weiterkommt. Kinder wollen ja meist selbstständig handeln. Sie muss also die richtige Balance zwischen Bevormundung und Autonomie finden. Kinder benötigen genügend Raum, um Dinge unter sich ausmachen zu können. Da ist der Kindergarten ein ganz zentraler Ort. Schließlich haben Kinder heutzutage sonst weniger Gelegenheit als früher, auf andere Kinder zu treffen. Soziale Kompetenzen können sie fast nur hier lernen.
Was soll neben sozialer Kompetenz im Kindergarten noch gelernt werden?
Wir wissen nicht, welches Wissen in zwanzig Jahren gefragt sein wird. Zwei Fähigkeiten werden aber auch dann noch von Bedeutung sein: Kinder müssen die Kulturtechniken Lesen, Schreiben, Rechnen beherrschen. Die Basis hierfür wird schon im Kindergarten gelegt. Und sie müssen lernen, woher man Wissen beziehen kann.
Wie kann man Kinder dazu erziehen, sich Wissen selbstständig anzueignen?
Sie sollten neugierig bleiben und Lust daran haben, Fragen zu stellen. Das passiert im Kindergarten während des Spiels. In der Volksschule geht die Neugierde häufig verloren. Ich wünsche mir deshalb, dass auch noch in der Schule die Methode des Spiels genutzt wird.
Ist das der Unterschied zwischen den Bildungseinrichtungen Schule und Kindergarten, dass man in den Elementareinrichtungen mehr spielt?
Das ist ein Punkt von vielen: Im Kindergarten lernen Kinder nicht fächerorientiert wie in der Schule, sondern ganzheitlich. Wird zum Beispiel Musik gespielt, fangen die meisten an, sich rhythmisch zu bewegen. Da passiert gleichzeitig mathematische Bildung. Im Kindergarten gibt es zudem keine Zuschreibung, zu welchem Zeitpunkt ein Kind etwas können muss. Und es gibt auch keinen Selektionsmechanismus wie in der Schule.
Für die Schule gibt es den Lehrplan, für den Kindergarten den bundesländerübergreifenden Bildungsrahmenplan. Ist der ausreichend?
Ja. Er ist so weit gefasst, dass alle Bereiche drin sind: Von der sozialen Kompetenz über ethische Fragen bis hin zu sprachlichen und motorischen Fähigkeiten ist alles zusammen gefasst. Zugleich ist er so offen, dass er den Pädagoginnen Spielraum lässt, am Standort zu entscheiden, wie sie diesen „Lehrplan“ umsetzen.
Bildungsexperten sehen den Kindergarten als Einrichtung, die Chancengleichheit schaffen kann, weil dort Kinder von früh an gefördert werden.
Da wird leider oft zu viel erwartet. Von Pädagoginnen wird verlangt, dass sie sozialpolitische Fehlentscheidungen ausgleichen. Denken Sie zum Beispiel an die Häufung von Migranten in manchen Grätzeln. Die Kindergärtnerin soll dafür sorgen, dass die Kinder Deutsch lernen. Dabei lernen Kinder auch voneinander. Wie sollen sie, wenn andere nicht Deutsch sprechen? Oder denken Sie an die Kinderarmut. Die fehlende materielle Sicherheit führt zum Dauerstress beim Kind und es kann sich schlechter auf Neues einlassen. Der Kindergarten kann diese Probleme nicht alleine lösen.
Müsste die Politik andere Rahmenbedingungen setzen?
Wenn sie Erwartungen an den Kindergarten stellt, dann muss sie ihm auch die Chance geben, etwas zu erreichen. Das könnte man dadurch, dass man Einrichtungen in sozial schwierigen Gegenden mehr Ressourcen zur Verfügung stellte. Ansätze gibt es zwar – aber zu wenige.
Kindergartenpädagogen werden in BAKIPs ausgebildet. Nur ein Drittel der Absolventen geht in den Beruf. Warum?
Viele, mit denen ich geredet habe, sagten mir: Was ich dort gelernt habe, ist zwar gut, aber zu wenig.
Es gibt das Ziel, die Pädagogen in Hochschulen auszubilden.
Darüber wird seit Jahren geredet. Doch es fehlt an qualifiziertem Personal, das die Elementarpädagogen dort ausbilden könnte. Entsprechende Studiengänge für Lehrende zu entwickeln, wäre eine jetzt dringende Notwendigkeit, die von den Ressourcen leider aber bislang nicht gesichert ist.
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