Grätzeleltern helfen überforderten Nachbarn
Mehr als drei Jahre musste Maria N. (Name geändert) mit ihren zwei kleinen Kindern in einer winzigen Einzimmerwohnung ihren Alltag fristen. Aufgrund des starken Schimmel-Befalls litt einer ihrer Sprösslinge bereits an schwerem Asthma. Alle sechs Monate wandte sie sich mit der Bitte um eine neue Wohnung an Wiener Wohnen. Erfolglos. Sie möge doch ihr Quartier besser lüften, wurde der 26-jährigen gebürtigen Rumänin dort empfohlen.
"Menschen wie sie sind mit derartigen Situationen völlig überfordert. Sie wissen nicht, wie sie sich gegenüber den Behörden durchsetzen können und lassen sich einschüchtern. Viele resignieren schließlich", erzählt Nadja Gold. Wie man sich durchsetzt, weiß sie: Als Brokerin lernte sie das beinharte Finanz-Business in London kennen. Zurück in Wien wurde sie eine von derzeit 23 ehrenamtlichen "Grätzeleltern".
Das Projekt der Caritas Wien, der Gebietsbetreuung und der Wiener Gesundheitsförderung wurde vor knapp zwei Jahren ins Leben gerufen. Die freiwilligen Mitarbeiter kümmern sich um Nachbarn in schwierigen Wohnsituationen. "Wir nehmen sie an der Hand, besuchen sie und unterstützen sie bei Problemen mit Ämtern", sagt Sifora Sava. Und: "Wenn man die Probleme mancher Menschen sieht, merkt man erst, wie gut es einem selbst geht."
Hilfe bei Amtswegen
Oft geht es um vermeintliche Kleinigkeiten, wie das Ausfüllen von Formularen, das für Menschen mit schlechten Deutschkenntnissen zur unlösbaren Herausforderung werden kann. Die Grätzeleltern machen sich aber auch für Mieter stark, die überhöhte Mieten zahlen.
In Kursen erhalten die Freiwilligen das Know-how. Das allein reicht aber nicht. "Um bei Ämtern etwas zu erreichen, muss man sich manchmal schon etwas aufbretzeln", erzählt Gold. "Aber es macht mir Spaß, konstruktiv zu streiten." Oft genüge es aber schon zu erwähnen, dass man von der Caritas komme, um den "gummiartigen Widerstand" mancher Ämter zu überwinden.
Die Grätzeleltern sind eine von zahlreichen Initiativen, die sich der KURIER-Grätzelkaiser-Wahl stellen (siehe rechts). Ihr Zuhause haben sie im ehemaligen Café Heimat in Ottakring. Hier bieten sie Gratis-Mieterberatung an. Auch ein Nähcafé und ein Leihladen sind in dem Lokal untergebracht.
Meistens sind die Helfer aber bei ihren Klienten. Derzeit läuft das Projekt in den Bezirken 2, 5, 10, 16 sowie 20 bis 22. "Ziel ist, es auf ganz Wien auszuweiten", sagt Projektleiterin Katharina Kirsch-Soriano. 150 Fälle haben die Grätzeleltern bereits positiv erledigt. So auch jenen der verzweifelten jungen Mutter. Nachdem Gold und Sava bei den Behörden vorstellig wurden, erhielt die Frau binnen sechs Wochen in Penzing eine geräumige und vor allem schimmelfreie Wohnung.
Infos: 0664 / 396 98 64.
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