US-Drogeriemarkt macht Schluss mit Retusche

US-Drogeriemarkt macht Schluss mit Retusche
Ein US-Kosmetikriese sagt Photoshop den Kampf an. Das könnte auch in Österreich Folgen haben.

Es sind Ideale, denen nicht einmal Models gerecht werden: die Haut glatt gebügelt und makellos, das Haar dicht und glänzend, die Figur frei von Dellen oder gar Speckröllchen. Jahrelang gewöhnten Kosmetik- und Modefirmen ihre Kunden an ein absurdes Schönheitsbild, indem sie jeden noch so kleinen Makel mittels Bildbearbeitungsprogrammen aus der Welt schafften.

Es ist demnach ein beachtlicher Schritt, den die größte US-amerikanische Drogeriekette nun ankündigte: In den 9700 Filialen, online und in allen Werbekampagnen kommen ab April keine retuschierten Fotos mehr vor. Körperform, Proportionen, Augen- und Hautfarbe sowie Falten und andere "individuelle Merkmale" sollen nicht mehr digital manipuliert werden; unbearbeitete Bilder werden mit einem Wasserzeichen versehen.

Als Frau, Mutter und Präsidentin eines Unternehmens mit überwiegend weiblicher Kundschaft sei sie sich ihrer Verantwortung bewusst, wird CVS-Chefin Helena Foulkes in der Aussendung zitiert. Sie sieht einen Zusammenhang zwischen der Verbreitung unrealistischer Ideale und negativen Folgen für die Gesundheit: "80 Prozent der Frauen fühlen sich schlecht, nachdem sie eine Beauty-Anzeige sehen. 90 Prozent der Jugendlichen zwischen 15 und 17 wollen zumindest eine Sache an ihrem Aussehen verändern." Damit soll jetzt Schluss sein.

US-Drogeriemarkt macht Schluss mit Retusche

Aus psychologischer Sicht sei der Schritt zu begrüßen, sagt Brigitte Moshammer-Peter: "Die Konfrontation mit am Computer bearbeiteten Fotos entwirft ein Ideal, das von 'normalen' Menschen nicht oder kaum erreicht werden kann. Diese Ist-Soll-Differenz führt zu extremen Problemen mit dem Selbstwert und zu einer Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper und Aussehen."

Paradigmenwechsel

Mit seinem Plädoyer für Diversität und Natürlichkeit reiht sich CVS in eine Liste prominenter Firmennamen ein, die zuletzt einen Paradigmenwechsel in Sachen Schönheit vollzogen haben: Die Bildagentur Getty akzeptiert seit Herbst keine Fotos mehr, auf denen Models schlanker und größer geschummelt wurden – eine Folge des neuen Gesetzes in Frankreich, wonach bearbeitete Fotos klar gekennzeichnet werden müssen. Asos, vor allem bei jungen Frauen ein beliebter Mode-Versandhändler, wurde in den sozialen Medien für die ungeschönte Darstellung von Dehnungsstreifen gefeiert. Auch die Bademodenmarke Aerie zeigt seine Models inklusive Sommersprossen, Wohlfühlkilos und Orangenhaut.

"Sollte es gelingen, in Zukunft nur noch natürliche Kosmetikfotos zu sehen - was ich bezweifle -, könnte das den Blick auf das eigene, natürliche Aussehen auch wieder freundlicher machen", so die Psychologin. Von einer gesetzlichen Regelung wie in Frankreich ist Österreich zwar weit entfernt – ein Vorschlag der damaligen Ministerin Heinisch-Hosek, nachbearbeitete Werbefotos zu deklarieren, wurde nie umgesetzt. Dennoch findet auch hierzulande eine Sensibilisierung statt, beobachtet Michael Straberger vom Österreichischen Werberat. Das zeigen Kampagnen wie die der Drogeriekette dm, die statt Models "normale Menschen" einsetzt und laut eigenen Angaben nur so viel nachbearbeitet, dass "die Authentizität gewahrt wird". "Der Drang zur ‚perfekten Darstellung‘ ist in Österreich nicht ganz so ausgeprägt wie in anderen Ländern", sagt Straberger. Vor einigen Jahren initiierte der Werberat ein "Retuschebarometer", das den Grad der Bearbeitung von Werbesujets sichtbar macht und das Bewusstsein schärfen soll. "Gerade junge Menschen eifern diesen verzerrten Idealen oft nach. Dem können wir nur mit langfristigen Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung entgegenwirken."

Das größere Problem ortet er ohnehin woanders: "Sendungen wie Austria’s Next Topmodel und Influencer (in sozialen Medien) beeinflussen weitaus mehr. Gerade Influencer sind sich ihrer Vorbildwirkung oft nicht bewusst, hier beginnen wir gerade mit der Sensibilisierungsarbeit." Es gehe nicht um Verbote, sondern um Bewusstseinsbildung, sagt Brigitte Moshammer-Peter. "Jugendliche sind nicht dumm, sie können sehr gut zwischen Echt und Fake unterscheiden. Wenn Echtheit wieder zu einem Wert wird, kann sich diese Entwicklung sehr positiv bei Heranwachsenden fortsetzen."

Letztlich dürfe man nicht vergessen, dass die Standards für Mode- und Kosmetikfotos in den USA, Frankreich oder Großbritannien gesetzt und hier lediglich adaptiert werden, sagt Michael Straberger. Die Hoffnung lebt also, dass sich die No-Photoshop-Bewegung bald endgültig auch in Österreich niederschlägt. Und der Wunsch des Werberat-Chefs in Erfüllung geht: "Julia Roberts soll in Kosmetikwerbungen endlich nicht mehr wie eine 30-Jährige aussehen müssen."

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