Warum immer mehr Frauen und Männer dasselbe Parfum tragen

Warum immer mehr Frauen und Männer dasselbe Parfum tragen
Ob ein Duft männlich oder weiblich ist, entscheidet heute nicht der Parfümeur – sondern der Kunde.

Frauen in Männerkleidung, Männer in weiblichen Entwürfen – bei den Fashion Weeks in New York, London, Mailand und Paris zeigten kürzlich viele Designer geschlechterübergreifende Mode. Schon Coco Chanel sagte, dass diese gesellschaftliche Entwicklungen reflektiert. Rollenbilder werden immer öfter aufgebrochen, das Outfit soll zum Zeitgeist passen.

Auch in die Parfümindustrie kommt Bewegung. "Die Geschmäcker der Kunden sind viel origineller und überraschender, als es ihnen von Marketing-Mitarbeitern in großen Duftunternehmen lange zugetraut wurde", sagt Parfümeur Nick Steward. Frauen riechen blumig und süß, zu Männern passen holzige und frische Noten – nach diesem Schema werden Parfums nach wie vor meist unterteilt.

Qualität im Fokus

Auf der Suche nach etwas Außergewöhnlichem greifen immer mehr Kunden zu Unisex-Düften. Bei seinem eigenen Parfum-Label Gallivant arbeitet Steward seit der Gründung 2017 ohne Geschlechterzuteilung. "Vor fünf Jahren wurden noch bestimmte Inhaltsstoffe als typisch weiblich bezeichnet, werden heute jedoch von Männern getragen", erzählt der Brite. "Nicht ich als Parfümeur sollte entscheiden, ob etwas für Männer oder Frauen ist – sondern der Kunde selbst."

Das Konzept, dass sich Mann und Frau theoretisch mit demselben Duft einsprühen können, schlug bereits in den Neunziger Jahren ein wie eine Bombe. Calvin Klein lancierte seinen ersten Unisex-Duft "CK One", der zum Bestseller wurde. Warum heute meist nur Nischenmarken, also Firmen mit kleinen Produktionen und selektivem Vertrieb, das Unisex-Prinzip leben, ist für Marion Faber-Oelschlägel, Geschäftsführerin der Parfümerie Kussmund, leicht zu erklären. "Große Marken arbeiten mit optischen Hilfsmitteln, also typisch männlichen oder weiblichen Sujets", weiß die Expertin. „"Unisex lässt sich in der Werbung schlecht verkaufen." Dennoch haben auch bekannte Namen wie Louis Vuitton und Chanel kürzlich neutrale Kreationen lanciert.

"Die Unterteilung rückt in den Hintergrund, es geht in erster Linie um die Qualität des Duftes", sagt Faber-Oelschlägel. Ob dieser gefällt oder nicht, sollte nicht voreilig entschieden werden. "Aufsprühen und gleich kaufen ist keine gute Idee", warnt Nick Steward. "Mir ist es lieber, wenn jemand erst nach ein paar Stunden wieder kommt, wenn er das Parfum in seinen verschiedenen Phasen auf der Haut erlebt hat." Ob dieses Rosen, Moschus oder Zitrone enthält, ist dem Kunden am Ende egal, weiß Marion Faber-Oelschlägel: "Ein guter Duft ist ein guter Duft."

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