Von Faye Dunaway bis Sophia Loren: Warum wir Diven lieben
Öfter zickig, immer anbetungswürdig: Die Diva verkörpert unsere Sehnsucht nach dem Göttlichen im Kino. Mit Faye Dunaway feiert eine große Diva nun ihren 80. Geburtstag. Gelegenheit für einen cineastischen Streifzug. Und einen Blick auf ihre Nachfolgerinnen.
Friseure fürchten sich vor ihr. Hotelangestellte im Chateau Marmont gehen schlicht in Deckung. Und die meisten Regisseure suchen das Weite, bevor sie verärgert oder verklagt werden. Ja, Faye Dunaway hat sich, so kann man sagen, im Vorfeld ihres 80. Geburtstages am 14. Jänner einen gewissen Ruf erarbeitet. Und nicht nur einen, der auf legendären Filmen wie „Bonnie und Clyde“, „Thomas Crown ist nicht zu fassen“ oder ihrer Oscar-prämierten Rolle als skrupellose Karrieristin in „Network“ aufbaut. Das exaltierte Verhalten, das die Schauspielerin im allgemeinen Umgang wie auf Filmsets an den Tag legt, sprengt selbst den branchenüblichen Begriff von Allüren in Hollywood.
Eine Kostümbildnerin, die mit ihr für das Joan-Crawford-Biopic „Meine liebe Rabenmutter“ arbeitete und nervenzerrüttet noch während des Filmens das Handtuch warf, gab ihren Nachfolgern einst entkräftet den Ratschlag: „Du kannst Faye Dunaways Garderobe zwar betreten, doch wirf zuvor ein rohes Steak hinein – um sie abzulenken.“ Auch am Set von „Chinatown“ war die Stimmung gereizt und hochexplosiv. Als der herrschsüchtige Roman Polanski (der ihr zuvor gegen ihren Willen die Haare abschnitt, die beiden schenkten sich nichts) sie bei einer Autoszene mit zahllosen Wiederholungen quälte und sich ob einer neuerlichen Anweisung zu ihr hinunterbeugte, kurbelte sie das Fenster runter, schüttete ihm ihren Drink ins Gesicht und kurbelte wieder hoch. Und Bette Davis, selbst nicht pflegeleicht, erklärte gleich in drei berühmten US-Talkshows, wie „unmöglich“ die Dunaway sei.
Wer solcherart besungen wird, den mag der Refrain schwierig zu sein, nicht wundern. Auch wenn Faye Dunaway ihre Launenhaftigkeit oft tapfer bestritt, die großen Rollen blieben darob zwischenzeitlich aus in ihrer Laufbahn. „Ich bin ein wenig wartungsintensiv, aber die Aufmerksamkeit ist mir jedenfalls sicher“, gestand sie schließlich einmal ein. Ihr Credo: „Ein bisschen heiß/kalt hat noch niemandem geschadet. Was die Leute davon denken ist nicht wirklich wichtig.“ Das scheint sie bis heute zu beherzigen.
Göttinnen verzeiht man leichter
„Everybody out of my eye line!“, brüllte die Dunaway lauthals – niemand dürfe ihr Blickfeld kreuzen – bei einem zunehmend eskalierenden Fotoshooting für eine ihr ursprünglich huldigen wollende Story im „Harper’s Bazaar“ vor wenigen Jahren: Ein Satz wie aus dem Handbuch der Divenhaftigkeit. Ein Satz für die Ewigkeit. Und ein Eklat, der Faye Dunaways Platz im Hollywood-Olymp dennoch nichts anhaben kann. Cool, unergründlich, stark und zerbrechlich zugleich – mit ihren katzengleich grünen Augen und der eleganten Aura leitete sie im filmtechnisch revolutionären „Bonnie und Clyde“ die Ära des New Hollywood ein, avancierte darüber hinaus zum Sexsymbol und galt dennoch stets als Garant fürs hochkomplexe Charakterfach.
Eine Diva – und ob. Doch wird eine gewisse glamouröse Exzentrik, eine besondere Empfindsamkeit bei einer Hochbegabten nicht nur toleriert, sondern sogar erwartet und eingefordert? Göttinnen verzeiht man leichter. Und eine Diva – abgeleitet von der weiblichen Form des lateinischen „divus“ (göttlich) – verkörpert genau das: die Sehnsucht nach übermenschlicher Strahlkraft. Überreiztheit wird da im Idealfall als Selbstverteidigung der eigenen Sensibilität ausgelegt und nervige Exzentrik verschmerzt, wird sie durch Mysterium, Stil und Charisma wettgemacht.
Die Diva aller Diven
Doch wer über Diven spricht, muss vielleicht mit ihr beginnen: Greta Garbo. Die Unnahbare. Die Göttliche. Die eine Einladung zum Tee mit der Queen ausschlug, und für die JFK um ein Treffen quasi betteln musste. Der sehnsuchtsvolle Blick und das sinnliche Lächeln der Garbo brachte die Gefühlswelt des Publikums in den 1930er-Jahren zum Rasen, ob als „Anna Karenina“ oder „Mata Hari“. In „Menschen im Hotel“ haucht sie jenen Satz, der als Überschrift für ihr Leben taugen sollte: „Ich möchte allein sein.“ Denn gnadenlos griffen bei der Schwedin aus armen Verhältnissen Kunst und Leben ineinander. Mit nur 36 Jahren zog sie sich, Opfer ihres eigenen Glanzes und Ruhms, ins Private zurück. Um Mensch zu sein, nicht Diva. Jahrelang lebte sie zurückgezogen in ihrer Wohnung in New York, mit Blick auf den East River, einzig mit einer Haushälterin. Sie verbot es sich, für die Öffentlichkeit zu altern. Und blieb bis zuletzt ein scheues Geheimnis – wenngleich mit schillernden Spleens: Zum Essen bei Freunden eingeladen, nahm sie oft einen Apfel mit und schlug Hummer oder andere Köstlichkeiten aus, um diesen genussvoll zu verzehren.
Auch Marlene Dietrich, große Rivalin der Garbo, hatte stets ein Talent für große Auftritte. Mondän und verführerisch war sie – und dennoch hatte sie mehr im Diven-Repertoire als lange Beine und Federboa: Kampfgeist. Mit großem Einsatz half sie Flüchtlingen vor dem Nazi-Regime und sammelte Geld für den Kampf gegen Hitler. Wer die Deutsche einlud, sah sie im grünen Rolls Royce Phantom I heranbrausen, einem Willkommensgeschenk von Paramount, mit dem Josef von Sternberg sie in den USA in Empfang genommen hatte. Stets gefahren wurde die Dietrich dabei von ihrem livrierten Chauffeur Harry Wright, der zudem üblicherweise zwei Revolver am Körper trug – mehr Diva geht nicht.
Die Volksnahe
Elegant, emanzipiert, Sexsymbol oder Stilikone, Furie oder Feministin – Diven haben viele Gesichter. Sophia Loren gilt den meisten als sinnliche Versinnbildlichung einer solchen schlechthin – und beweist, dass sie nicht zwangsläufig feingliedrig wie Audrey Hepburn, kühl wie Catherine Deneuve oder blond wie Grace Kelly sein muss. Auch die Loren ist eine Frau, die sich hochgekämpft hat, in ihrem Fall aus einem Armenviertel in Neapel. Wie die Garbo zur Dietrich pflegte sie eine Rivalität mit einem ihr ähnelnden Star, bei ihr war es Gina Lollobrigida – auch das ein typisches Merkmal im Diven-Universum.
Dennoch ist Sophia Loren anders: Zickigkeit sucht man bei ihr vergebens. Die Italienerin ist die Volksnahe unter den großen Filmdiven. Die nebst ihrer Intensität und dem Sex-Appeal eine weitere Besonderheit aufweist: sie ist eine glänzende Komödiantin. Die Marcello Mastroianni in „Gestern, heute und morgen“ beim Striptease nicht nur zum Schmachten, sondern zum Aufheulen wie ein Wolf bringt. Und die noch lange nicht genug hat: Im Netflix-Drama „Du hast das Leben vor dir“ feierte sie vor Kurzem ein Comeback vor der Kamera.
Ein Comeback, das klarmacht: Was einmal war, das kommt – so schnell – nicht wieder. Michelle Pfeiffer, Nicole Kidman, Charlize Theron, Léa Seydoux sind anmutig, schön, fragil – das Flair der großen Diven umweht sie jedoch nur rudimentär. Wohl auch, weil das Bild von Stars sich gewandelt hat. In Zeiten von Social Media ist geheimnisvoll zu sein keine Option. Die Aufforderung zur Sonderbehandlung wiederum wird vielleicht Jahre später als amüsante Schnurre erzählt werden – fürs erste bleibt sie allenfalls geschäftsschädigender Allürenterror.
Die Grandezza einer Elizabeth Taylor ist heute vielleicht noch an Angelina Jolie festzumachen: geboren in eine Star-Familie, genießt sie wilde Jahre, gewinnt den Oscar, scheitert mit der am öffentlichsten gelebten Liebe ihrer Zeit (mit Brad Pitt) und macht sich als Samariterin ebenso einen Namen wie als Regisseurin. Ist sie die letzte Diva?
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