Opernball: In gewissem Sinn ein Gartenzwerg
Es gehört zum Wesen des Opernballes, dass er gerne eine ziemlich längliche Form annimmt. Das liegt auch daran, dass der Opernball ja lange vor dem Opernball beginnt.
Der 60. Opernball fängt auf ATV an, um 19.35 Uhr, und zwar mit den Worten "Ich will wissen, ob du mich geil findest!", die Cathy "Spatzi" Lugner ihrem Ehemann Richard entgegenbrüllt. Der antwortet mit der vermutlich zärtlichsten Liebeserklärung, zu der Richard Lugner fähig ist: "Geil soll ich dich finden? Du nervst mich gerade!" Schön war das! Ach so, der Dialog geht ja noch weiter. Richard Lugner: "Eine liebende Ehefrau muss dem Mann nicht zu Füßen liegen, aber sich um ihn sorgen." Spatzi "Cathy" Lugner: "Ich glaube, du hast zu heiß geduscht." Der sehr schöne Abschluss dieser romantischen kleinen Szene, die man zu Weihnachten mit verteilten Rollen lesen sollte: Er ruft sie am Handy an, obwohl sie neben ihm sitzt.
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19.38 Uhr. Cathy "Spatzi" Lugner über Richards Opernballgast Brooke Shields: "Der erste Eindruck ist sehr seriös." Wie will sie das beurteilen können?
19.53 Uhr. Richard Lugner zu Spatzi "Cathy" Lugner: "I bin a schwachsinniger Mensch, zum Glück hab ich dich!" Vielleicht ist das bereits der ideale Slogan für die Bundespräsidenten-Wahl. Anschließend lässt sich Lugner in seinem Wohnzimmer Botox in die Stirn schießen.
20.15 Uhr. Der ORF übernimmt. Die Moderatoren begrüßen das Publikum, verblüffend ist dabei nur, dass Christoph Wagner-Trenkwitz die Formulierung "auf dem Opernball" wählt. Er ist der einzige an dem ganzen Abend, der sich so ausdrückt und den Unterschied zwischen AM und AUF DEM noch kennt ("am Ball" ist David Alaba, wenn er in halblinker Position von Marko Arnautovic angespielt wird und zu einem Dribbling übers halbe Feld ansetzt).
Es folgt eine Dokumentation über 60 Jahre Opernball, und die ist so spannend, so aufregend, so ein Thriller, dass ich die Kinder ins Bett schicke, sonst träumen sie am Ende noch schlecht.
Aber immerhin kommt in der Dokumentation die wundervolle Lotte Tobisch vor, die heuer 90 wird. Und sie sagt schöne und lustige Sachen. Etwa dies, über Herrn Lugner: "An Wurschtl muss der Opernball aushalten." Oder dieses, über ihre schwindelbedingte Walzer-Aversion: "Ich speib mich tot." Oder vor allem dieses, auf einen Satz ihres Lebensfreundes, des Philosophen Theodor Adorno anspielend: "In gewissem Sinne ist der Opernball ein Gartenzwerg."
Und wer würde es wagen, Frau Tobisch zu widersprechen?
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Strafmandat
21.10 Uhr. Jetzt wird es ernst. Alfons Haider interviewt eine Polizistin vor der Oper und bringt, ohne mit der Wimper zu zucken, folgenden Mörder-Gag: "Viele Herren würden sich gerne von Ihnen ein Strafmandat ausstellen lassen." Wie eine KURIER-Recherche ergab, haben 200 staatlich geprüfte Pointen-Ingenieure zwei Wochen lang in einem unterirdischen Labor an diesem Witz geschraubt.
21.15 Uhr. Mirjam Weichselbraun, auffallend gut gelaunt, konfroniert Harald Serafin mit Bildern vom Opernball 1985, als ihn die damalige ORF-Moderatorin Ursula Stenzel interviewte. Weichselbraun: "Ich frage mich, was aus der Interviewerin geworden ist. Ich glaube, nicht viel..."
21.17 Uhr. Alfons Haider spricht mit einer leicht übermotiviert wirkenden Birgit Sarata. Sie referiert über Bodypainting als Alternative zum Ballkleid: "Wenn ma a schiache Figur hat, ist es schiach." Und Haider sagt daraufhin tatsächlich: "Eines wird es am Opernball nie geben - Birgit Sarata mit Bodypainting."
21.20 Uhr. Mirjam Weichselbraun bittet eine Frau Niki Osl vor die Kamera und erklärt: Diese werde für den ORF als "Stilpolizei" die Ballkleider der Gäste kontrollieren. Frau Osl verkündet, sie suche die "bestangezogensten Männer der Oper" und wird vor laufender Kamera dafür von der Sprachpolizei wegen eines Superlativ-Auffahrunfalls mit anschließender Fahrerflucht verhaftet.
21. 26 Uhr. Die herrlichen Opernball-Satiriker Karl Hohenlohe und Christoph Wagner-Trenkwitz melden sich zu Wort. Hohenlohe: "Da ist Finanzminister Schelling mit seiner Frau." Wagner-Trenkwitz: "Und mit seinem Schnurrbart." Barbara Schöneberger geht Alfons Haider ins Netz. Und er sagt tatsächlich zu ihr: "Du hast wahnsinnig viel abgenommen, wie hast du das geschafft?" Wenn man länger über diesen Satz nachdenkt, ist er atemberaubend uncharmant.
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Lugner: "Der Lugner ist ein Tölpel"
21.30 Uhr. Mirjam Weichselbraun hat erstmals Richard Lugner, Cathy "Cathy" Lugner und ihren Gast Brooke Shields vor der Kamera. Shields erklärt, dass ihre Gastgeberin ein wenig talentierter zum Gastgeben ist als ihr Gastgeber. Sie kann das gefahrlos sagen, da der künftige Bundespräsident Lugner sichtlich kein Wort Englisch versteht. Mirjam kommentiert Spatzi "Spatzi" Lugners augenentzündungsfarbenes und -förmiges Kleid so: "Ein Traum in Gold?" - Frau Lugner: "Ein Traum in Glööckler!" - Worauf Weichselbraun schon die zweite große Wuchtl dieses Abends aus der Hüfte schießt: "Ferrero-Rocher." Frau Lugner schaut drein, als hätte sie auf einen Hirschkäfer gebissen.
Ihr Mann denkt nicht daran, seine Frau zu verteidigen, sondern er beginnt ansatzlos, zu wehklagen: "Ich werd jedes Mal geprügelt, der Lugner ist ein Tölpel, ich mach 26 Jahre was fürn Opernball, für Österreich, kann sein, dass es mein letztes Mal ist..." Der ORF reagiert extradry, indem er einen Bericht zeigt, in dem Lugner bereits vor zwei Jahrzehnten seinen Abschied vom Ball ankündigte.
21.44 Uhr. Die scheidende Ball-Organisatorin Desirée Treichl-Stürgkh vollführt vor der Kamera ein etwas merkwürdiges Tänzchen, es sieht ein bisschen aus wie die Tanzszene aus "Pulp Fiction". Karl Kohenlohe: "Was ist jetzt passiert?" - Christoph Wagner-Trenkwitz: "Das nennt man Ballfieber." Alfons Haider, charmemäßig eh schon gut aufgewärmt, fragt, auf Treichl-Stürgkhs rüschiges Kleid zeigend: "Was ist das für ein Tier?" Sie antwortet, offenbar mit einer Familienpackung Humor ausgestattet: "Ein Huhn. Mehrere Hühner." Hätte sie Haider an Ort und Stelle mit Pfeffer und Salz verspeist, man hätte auch Verständnis gehabt, obwohl das sicher ungesetzlich gewesen wäre.
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22.00 Uhr. Das obligatorische Interview mit dem Bundespräsidenten und seiner Frau, außerdem mit seinem Staatsgast, dem finnischen Präsidenten Sauli Niinistö und seiner Frau, der Dicherin Jenni Haukio (erstes Buch: "Dein Hemd gleitet über mich"). Man bekommt es sofort mit der Angst zu tun, hier ist das Peinlichkeitspotenzial besonders groß.
Alfons Haider begrüßt die Gäste auf Finnisch, der Präsident antwortet darauf: "Thank you for your beautiful finnish!" Haider reagiert (und DER ist wirklich gut): "Now im finished with my finnish." Mirjam Weichselbraun schenkt dem scheidenden österreichischen Präsidentenpaar Taschentücher mit der Prägung: "Oh, it's a Fischer." Ein gewagter Gag, den die Fischers sehr würdevoll über sich ergehen lassen. Alfons Haider spricht mit dem finnischen Präsidenten über Tango und über Weltpolitik und interessanterweise machen beide den Eindruck, als fühlten sie sich beim Thema Tango wohler.
Haider bedankt sich beim Bundespräsidenten für dessen Jahre als oberster Ball-Repräsentant mit den denkwürdigen Worten: "Der Teesalon ist menschlicher geworden." Das war auch hoch an der Zeit, die unmenschlichen Zustände im Teesalon waren kaum noch zu ertragen, angeblich wollte die UNO schon Blauhelme schicken.
Rettungsgasse
22.15 Uhr. Die Eröffnung beginnt. Christoph Wagner-Trenkwitz kommentiert die Lage auf dem Tanzparkett: "Hier gilt die Rettungsgasse." Die Eröffnungs-Choreografie vergleicht er mit "Star Wars", was völlig absurd und dadurch schon wieder sehr lustig ist. Warum "Star Wars", will Karl Hohenlohe wissen. "Naja, weil wusch-wusch", sagt Wagner-Trenkwitz. Genau. Karl Hohenlohe beschreibt die Blumen-Deko im Saal als "Schleierkraut-Orgie". Die beiden sind überhaupt hörbar verliebt in das Wort Schleierkraut bzw. dessen lateinische Bezeichnung Gypsophila paniculata.
23.20 Uhr. Alfons Haider sagt zu Werner Faymann: "Sind Sie jetzt wirklich Werner Faymann?" Vizekanzler Reinhold Mitterlehner bekommt die Frage: "Der Opernball ist 60 geworden, schaut aber aus wie 40, Sie sind 60 geworden, wie ist das bei Ihnen?" In beiden Fällen beginnt man sofort damit, sich vorzustellen, was sie in der Synchronisation durch die Gruppe maschek wohl sagen werden.
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23.25 Uhr. Mirjam Weichelbraun nötigt Brooke Shields vor laufender Kamera zu einem Wiedersehen mit ihrem Exfreund, den sichtlich schon vollgetankt habenden Anthony Delon. Es ist ein ganz merkwürdiger Moment voller Peinlichkeit und voller Zartheit, weil die beiden Expartner einander anschauen wie traurige, verliebte Schafe. Richard Lugner sieht zu, versteht merkbar kein Wort, und wird von Brooke Shields als "this gentleman" bezeichnet, was eine sehr stilvolle Form der Beleidigung darstellt.
23.35 Uhr. Alfons Haider redet Lotte Tobisch mit "Lotte, mein Schatz" an. Ob sie es aushalte, als Ikone bezeichnet zu werden. Sie antwortet mit dem für sie typischen, herrlich trockenen Humor: "Es soll nix Schlimmeres passieren."
Blasius, Aiderbichl, Essig, Huschhusch
23.39 Uhr. Placido Domingo betet für Auftritte zum heiligen Blasius. Wirklich.
23.43 Uhr: Pamela Anderson liebt an Österreich "die Architektur, die Leute und Gut Aiderbichl", immerhin in dieser Reihenfolge. Alfons Haider sagt wieder einmal Unfassbares. Nämlich 1): "Haben Sie keine Angst, das Kleid zu verlieren?" Und 2): "Schöne Frauen sind am besten nackt." Pamela Anderson wendet ihre ganze, nicht gar so üppige Schauspielkunst auf, um so zu tun, als verstehe sie das nicht.
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23.50 Uhr. Mirjam Weichselbraun stürmt mit Kamerateam eine Loge und sagt: "Ich seh schon, das ist eine launige Loge. Viel Spaß noch, gemma, Huschhusch." Alfons Haider stürmt ebenfalls eine Loge, geht auf einen Herren zu und sagt: "Das ist der Mann, der für Barbara Schönebergers Gesicht zuständig ist. Wie lange hat es gedauert?" Barbara Schöneberger bewahrt angesichts dieser Frechheit bemerkenswerte Fassung.
23.59 Uhr: Cathy "Lugner" Lugner sagt: "Ich bin einfach die Beste, würde ich sagen." Barbara Rett redet mit einem Sänger über Essig, er reagiert sauer und zischt: "Nicht Essig - Balsamico!" Es wird schwer, den Gesprächen zu folgen, sie wechseln zu schnell, und einige Gesprächspartner wirken schon sehr ... gelöst.
0.20 Uhr. Desirée Treichl-Stürgkh zieht Bilanz über ihre Opernball-Jahre: "Was mir Spaß macht - der Opernball ist cool geworden." Alfons Haider antwortet: "Dann gebe ich dir die Blumen, mein Schatz."
0.23 Uhr. Mirjam Weichselbraun verabschiedet die Zuschauer: "Ich hoffe, wir haben Ihnen diesen ganzen Wahnsinn nahebringen können."
Ja, konnten Sie.
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