Ehe heute, Freitag, in der brutalsten Rosenkrieg-Schlammschlacht der jüngeren Promi-Geschichte in einem Gericht in Fairfax vor den Toren der US-Hauptstadt Washington die Schlussplädoyers gehalten werden und dann die Jury über ein Urteil brüten darf, muss man kurz innehalten: Um was ging es eigentlich noch mal, als die Soap-Opera "Johnny Depp versus Amber Heard" begann?
Der Kinostar, der vor allem als Pirat Karriere gemacht hatte, hatte seine Ex auf 50 Millionen Dollar verklagt. Weil er sich in einem Zeitungsartikel der Washington Post von ihr über häusliche Gewalt verleumdet sah. Und dies, obwohl sein Name gar nicht auftauchte. Worauf Frau Heard, auch in der Schauspielzunft zu Hause, aber weniger erfolgreich, mit einer Konterklage von 100 Millionen Dollar antwortete. Vorher hatte noch ein britischer Richter ihr und einer dortigen Postille bescheinigt, dass man Depp als "Ehefrauenschläger" titulieren darf.
Prozess live im TV
Diesen eigentlichen Angelpunkt darzulegen, ist insofern wichtig, als in Fairfax die Frage, wer hier wem übel nachgeredet hat, in den täglich achtstündigen Sitzungen gar keine Rolle spielte. Es ging um ein bizarres "Er sagt-Sie sagt", in dem anhand von vielen bösen Geschichtchen eine verkorkste Paarung zum Vorschein kam.
Die weltweit konsumierbare Live-Übertragung über den Sender Court TV geriet zur Raubtierfütterung. Wie Hyänen machten sich Zehntausende in sozialen Medien über die Fleischbrocken her, die Experten und Expertinnen für Medizinisches, Psychisches, Alkoholisches und Zwischenmenschliches beider Streitparteien absonderten. Natürlich, um die Gegenseite in ein fahles Licht zu rücken. Die Kurzfassung geht ungefähr so. Sie: Er hat mich geschlagen, missbraucht, gedemütigt. Er: Alles gelogen. Sie hat mich geschlagen, missbraucht und gedemütigt. Sie: Alles gelogen.
"Hexenjagd"
Die Sympathien in diesem gigantischen Fall beidseitiger Selbstdemontage waren im Netz früh so klar verteilt, dass US-Medien eine "Hexenjagd" ausmachten. Amber Heard (36) wird, was eingedenk vieler Ungereimtheiten verständlich ist, nicht nur in Zweifel gezogen. Sie wird gehasst, als Lügnerin gebrandmarkt, zum Teufel gewünscht. Digitale Lynchjustiz, wenn man so will. Depp (58) gilt als der drangsalierte Ex-Ehemann, der mit seiner Gutmütigkeit (und seiner dicken Geldbörse) an der berechnenden Texanerin zerschellen musste. Depp kann deren Anwürfe als "haarsträubend, furchtbar, lächerlich, beleidigend, albern, schmerzhaft, primitiv, grausam und absolut falsch" bezeichnen – schon wedeln seine Fans mit Freispruchkärtchen.
Dass der Kassenschlager-Garant von einst ein schwieriger Geselle ist – Ton-Mitschnitte und Experten-Analysen bestätigten das –, wollen seine Fans partout nicht wahrhaben. "Deppheads" nennen sie sich und sind teilweise aus Asien oder Europa zum Prozess angereist. Sie sind unerschütterlich – auch wenn Depps Ex-Managerin Tracey Jacobs aussagte, dass dessen Karriere lange vor der Liaison mit Heard im Sinkflug war, weil Suff und Drogenmissbrauch ihn bei Dreharbeiten zum Klotz am Bein machten. Die Worte des langjährigen früheren Depp-Freundes Bruce Witkin, dass der Schauspieler sich nicht nur selbst zerstörte, sondern ihn auch eine stark ausgeprägte Eifersucht plagte, prallten an den "Deppheads" ebenso ab.
Kate Moss als Zeugin
Als Beweis für die Unschuld des von Heard als rachsüchtig wie gewalttätig beschriebenen Mimen, der bestreitet, jemals eine Frau geschlagen zu haben, wird dagegen der Auftritt von Depps Ex-Liebe Kate Moss gesehen. Die Britin ließ sich per Video einvernehmen und zerstörte die von Heard kolportierte Anekdote, Depp habe sie einmal auf Jamaika eine Treppe heruntergestoßen. Ganz falsch, sagte Moss, sie sei bei Regen ins Straucheln gekommen, und Depp habe sich rührend um die ärztliche Erstversorgung gekümmert.
Und nun? Hat die Jury das Wort, die bis Montag entscheiden will. Einigt sie sich nicht auf einen Schuldspruch, gehen Depp und Heard juristisch wie finanziell leer aus. Ihre Kampf-Beziehung aber kennt jetzt die ganze Welt.
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