Zu Besuch bei Union Berlin: Eisern und menschlich

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An der Alten Försterei. Erdiger Fußball, aufwendig fürs TV übertragen. Zu Besuch beim Österreicher-Duell Union – Frankfurt.

Ganz oben, unter dem Dach, ist es unglaublich laut. Bereits eine halbe Stunde vor Spielbeginn hämmern die Union-Anhänger ihre „Eisern“-Sprechchöre von der Fantribüne, von der Gegengeraden – die ebenfalls mit Stehplätzen belassen wurde – und von der einen Hälfte der zweiten Hintertortribüne aufs Feld. Gleich daneben, mehr Platz ist an der Alten Försterei nicht, füllen 2.000 Frankfurt-Fans die zweite Hälfte der Hintertortribüne und halten ebenso lautstark dagegen.

Auch auf der Haupttribüne wird jeder Meter ausgenutzt, um in der ersten Bundesliga-Saison der Berliner Vereinsgeschichte 22.012 Zuschauer unterzubringen. Ganz oben, dort, wo sich die Druckwellen sammeln, sitzen die TV-Kommentatoren. „Ich habe kurz meinen Kopfhörer abgenommen und bin fast erschrocken, wie laut es war“, erzählt DAZN-Kommentator Jan Platte nach dem 2:1-Sieg von Trainer Adi Hütters Frankfurtern bei der Union.

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Nah dran

Der KURIER wurde von DAZN eingeladen, einen Blick hinter die Kulissen eines TV-Livespiels zu machen. Die 2016 gegründete Streamingplattform hat in dieser Saison erstmals die Rechte an 45 Livespielen der Deutschen Bundesliga erworben. Das Österreicher-Duell mit Union-Kapitän Christopher Trimmel und dem erneut starken Frankfurt-Verteidiger Martin Hinteregger wurde von DAZN exklusiv übertragen.

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Das Motto lautet „Fußball pur, dafür weniger Rundherum“. Dafür ist das Duell beim erdigen Verein aus Köpenick der perfekte Schauplatz. Für einen Zeitungsjournalisten überraschend ist bei so einem TV-Abend der enorme Aufwand, der nur noch bei Platzhirsch Sky durch die Rundherum-Berichterstattung größer ist. „Rund 50 Leute arbeiten heute direkt für DAZN oder sind von Dienstleistern angemietet“, erzählt der verantwortliche Redakteur Mario Rieker.

Gleich mehrere Ü-Wägen stehen für die Übertragung auf dem Parkplatz vor dem Stadion. Jeder davon ist (wegen der eingebauten Technik) rund sechs Millionen wert. Andererseits: Die Inhaber haben für DAZN weltweit Sportrechte um rund elf Milliarden erworben. Dementsprechend darf beim eigentlichen Event nicht gespart werden.

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Rauch und Schall

Um 20.30 Uhr geht es los. Oder auch nicht. Der Rauch der Pyro-Show aus dem Gästeblock verzögert den Anpfiff um einige Minuten. In der durchgetakteten TV-Welt ist das eine kleine Ewigkeit. „Das Schwierigste ist das Timing. Egal, wie viel du dir vorher überlegst: Wenn die Sendung beginnt, fliegt alles“, erklärt Rieker. „Wichtig ist, dass dann auch Plan B und Plan C gut funktionieren.“

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Die Eintracht-Fans beweisen auch während der Partie, dass das in Deutschland angeblich so streng exekutierte Pyrotechnik-Verbot so wie in Österreich für einige zum Brechen da ist: Ein Bengale nach dem anderen wird entzündet. Auf den Tribünen wie auf dem Rasen geht es intensiv zu. Es wird leidenschaftlich gekämpft. Da das Niveau nicht die absoluten Spitzen erreicht, ist es nur logisch, dass sich die größere Qualität von Frankfurt durchsetzt.

Platte kommentiert mit ehrlicher Begeisterung „und hält auch mal bewusst die Klappe“, wenn die Atmosphäre auf die Zuschauer daheim bis in die Couch wirken soll.

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Ex-Rapidler Christopher Trimmel ist Union-Kapitän. 

Sekunden vor dem Schlusspfiff bleibt Frankfurt-Kapitän Hasebe nach einem Zusammenprall bewusstlos liegen. Wieder so ein heikler Moment. Mit der Kamera draufhalten? Die richtigen Worte finden? Oder ein sportliches Fazit ziehen? Es geht gut aus, Hasebe steht wieder.

The show must go on.

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Martin Hinteregger

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