Schach hat eine neue Lässigkeit

Ein neuer Typ: Carlsen ist ein "Digital Native" und kühler Rechner.
Magnus Carlsen ist 23 und ein Weltmeister völlig neuen Typs: cool und medientauglich.

Schachpartien sind nicht rasend telegen. Trotzdem verfolgten täglich 100 bis 200 Millionen Menschen das WM-Duell 2013 via TV, ebenso viele waren online dabei. Es braucht interessante Typen, um Publikum vor die Matt-Scheibe zu locken. Der junge Magnus Carlsen ist so einer.

Der allererste Schachweltmeister, der Österreicher Wilhelm Steinitz, war für heutige Verhältnisse uralt: Fast 50, als er 1886 den Titel eroberte. Und Steinitz blieb Champion, bis er 58 war. Mittlerweile ist das undenkbar: Profis erreichen ihren Zenit mit etwa 30. Insofern hat Carlsen noch ein paar aussichtsreiche Jahre vor sich. Dagegen neigt sich die Karriere seines momentanen Gegners ihrem Ende zu: Viswanathan Anand, von Carlsen im Vorjahr entthront, ist 44 Jahre alt. Es war schon eine Überraschung, dass er sich noch einmal als Herausforderer qualifizierte. Indiens Sportler des Jahres 2007 ist in Form und doch Außenseiter im gut zwei Wochen dauernden WM-Zweikampf.

Schach hat eine neue Lässigkeit
Während Anand zu einer Zeit geprägt wurde, als das wichtigste Möbel des Schachspielers noch ein überdimensionales Bücherregal war, ist Carlsen ein "Digital Native" und kühler Rechner. Nicht nur er selbst ist modern, sondern auch sein betont lässiger Stil: Im Internet sieht man den Norweger kicken oder unter einer Donald-Duck-Kappe hervorgrinsen. Verbissenheit schaut anders aus. Carlsen erweckt den Eindruck, als ginge ihm das schwere Spiel mit Leichtigkeit von der Hand.

Hinter seinem Erfolg steckt freilich harte Arbeit, und sein Kampfgeist ist eine seiner größten Qualitäten. Selbst mit dem Weltschachbund FIDE legte er sich an, protestierte gegen den geschrumpften Preisfonds und den Austragungsort, weil er die Folgen der Russland-Sanktionen fürchtete. Dennoch bekam die traditionelle Schachgroßmacht neben den Olympischen Winterspielen 2014, der Formel 1 und der Fußball-WM 2018 auch eine Schach-WM in Sotschi. Bezeichnend: Der FIDE-Boss ist ein Vertrauter von Präsident Wladimir Putin, der das prestigeträchtige Event als innenpolitischen Erfolg verbuchen kann.

Das Auftaktmatch am Samstag endete remis. Heute ab 13 Uhr hat Carlsen Weiß und somit Anzugsvorteil. Einen Live-Stream mit Experten-Kommentaren gibt es z. B. auf sochi2014.fide.com.

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