WM-Sensation durch Kanadier im Super-G, Enttäuschung für den ÖSV
Sieg in WM-Super-G und -Abfahrt in Cortina d’Ampezzo 2021, Sieg in Super-G und Abfahrt beim Weltcup-Finale 2022 in Courchevel – und doch stapelte Vincent Kriechmayr vor der Titelverteidigung am Donnerstagmittag wieder gewohnt tief. Der Oberösterreicher sprach von schlechten Leistungen, von verlorener Form im Super-G und davon, dass er bei weitem nicht der Favorit sei.
Und dann auch noch Startnummer 13 – alles war angerichtet gegen Vincent Kriechmayr. Der 31-jährige Gramastetter war der letzte Super-G-Sieger im Weltcup, der nicht Aleksander Aamodt Kilde oder Marco Odermatt hieß, der Norweger und der Schweizer trugen dementsprechend auch die Bürde der Favoriten. Beide befuhren übrigens Neuland: Weder der 30-Jährige Kilde noch der 25-Jährige Odermatt hat bislang eine WM-Medaille bei den Erwachsenen geholt, bei den Junioren steht das Goldverhältnis bei 1:6 für den Schweizer.
Bei abermals prächtigem Wetter in den Bergen von Savoyen sorgte Dominik Paris für den ersten Aufreger: Der 33-jährige Südtiroler räumte bei einem Linksschwung ein Tor ab und rauschte Richtung Fangnetz, konnte dann aber selbst ins Ziel fahren. Die kurze Unterbrechung, die Paris – wie seine italienischen Teamkollegen mit Trauerflor im Gedenken an seine tags zuvor einem Krebsleiden erlegene Teamkollegin Elena Fanchini unterwegs – verursachte, konnte den folgenden Saisondominator freilich nicht aus dem Konzept bringen.
Wechselspiele
Marco Odermatt löste mit einer feinen Fahrt seinen Schweizer Teamkollegen Loïc Meillard an der Spitze des Zwischenklassements ab, doch der Gesamtweltcupführende hatte noch nicht recht Platz auf dem roten Sesel genommen, da kam Lokalmatador Alexis Pinturault und war um elf Hundertstelsekunden schneller. Und auch dem Kombinationsweltmeister erging es nicht anders – Aleksander Aamodt Kilde war um weitere 25 Hundertstelsekunden schneller: 1:07,23 Minuten.
Und weil aller guten Dinge vier waren an diesem Bilderbuch-Donnerstag, war es an James Crawford, den Favoriten um die Ohren zu fahren. Der 25-Jährige, geboren in Toronto und schon in seinen Jugendjahren nach Whistler gezogen, um seine Karriere voranzutreiben, raste in der Erfolgsspur eines Landsmannes die Piste L’Éclipse hinunter und war eine Hundertstel schneller als Kilde. Und nach St. Moritz 2017 – Erik Guay – hat Kanada nun den zweiten Super-G-Weltmeister der Geschichte.
Norwegischer Sportsmann
„So ist der Sport“, sagte Aleksander Aamodt Kilde, „irgendwann bin ich dann eine Hundertstel vorne.“
Und James Crawford saß auf dem heißen Stuhl, kopfschüttelnd und mit zitternden Händen nahm er die ersten Gratulationen entgegen, doch wirklich sicher war er sich seiner Sache nicht. „Ich hatte heute überhaupt keine Erwartungen“, sagte der neue Weltmeister. „Ich wollte heute einfach nur mein Bestes geben, und das habe ich von oben bis unten geschafft, mit einer ganz klaren Einstellung. Ich war sehr fokussiert, und es ist wirklich schön aufgegangen. Es ist unglaublich. Schon als das Licht im Ziel grün aufgeleuchtet hat, war es ein Schock.“
Ernüchterter Weltmeister
Und die Österreicher? Vincent Kriechmayr riskierte mit seiner Nummer 13 Kopf und Kragen, verlor mehrfach die Linie und handelte sich mit seinem wilden Ritt 0,87 Sekunden Rückstand auf Crawford ein.
Dem Gramastettner blieb nur die Gratulation an den neuen Weltmeister. „Es war nicht gut. Im unteren Teil hab’ ich ein bissl zu viel Risiko genommen, da hab ich’s dann vergeigt“, sagte der ernüchterte 31-Jährige nach Platz zwölf.
Der Schwung von zwei Medaillen
Raphael Haaser nutzte den Schwung seiner Bronzemedaille in der Kombination und wurde als Fünfter bester Österreicher. In 1:07,80 Minuten fehlten dem Tiroler 59 Hundertstel auf James Crawford und 0,33 Sekunden auf Bronze. „Im oberen Teil bin ich eine Rechtskurve einfach nicht gut gefahren“, sagte der 25-Jährige vom Achensee, „da bin ich ein bissl am Innenski herumgeritten, und da hab’ ich richtig gemerkt, wie es mir das Tempo heruntergerissen hat. Das ist aber auf die Schnelle auch schon das Einzige, was nicht gepasst hat. Viel kann ich mir nicht vorwerfen.“
Marco Schwarz, der in diesem Winter seine Leidenschaft für die schnellen Disziplinen entdeckt hatte, verbaute sich mit einem groben Patzer im Finish den möglichen Sprung aufs Stockerl, am Ende reichte es für den Kärntner zum sechsten Rang (+0,60). „Sehr schade, über die letzte Bodenwelle hat’s mich verdreht, da hatte ich Glück, dass ich die Landung noch gestanden bin. Das hätte sehr blöd ausgehen können“, sagte der 27-Jährige aus Radenthein, der sich in der Kombination ja bereits WM-Silber gesichert hatte.
Die Geschlagenen
Der Oberösterreicher Daniel Hemetsberger fand sich überhaupt nicht zurecht und verlor bei seinem WM-Debüt 1,17 Sekunden auf die Bestzeit (Platz 14). „Ich hab’ alles reingehaut, von dem her bin ich zufrieden. Nicht zufrieden bin ich mit dem Mittelteil, da hab’ ich einfach zweimal das Gerät angestellt, was nicht hätte sein müssen. Von dem her ärger’ ich mich. Aber herunten hab’ ich wieder eine gute Sektorzeit gehabt. Ich muss halt weiterkämpfen.“
Beim Steirer Stefan Babinsky waren es gar 1,28 Sekunden – Platz 15. „Im Mittelteil war ich am langen Zug mit meinem Schwung viel zu früh dran, da hab’ ich zweimal ansetzen und kämpfen müssen, damit ich nicht innerhalb vorbeifahr“, sagte der Seckauer. „Aber es macht definitiv Lust auf mehr. Hart arbeiten, und es geht weiter.“
Ausgeschieden: Dominik Paris (ITA), Martin Cater (SLO), Broderick Thompson (CAN), Atle Lie McGrath (NOR), Josef Ferstl (GER), Gino Caviezel (SUI)
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