Warum Marcel Hirscher plötzlich im Stress ist
Mit einem Schlag wurde es unruhig in der kleinen Holzhütte im Zentrum von Kitzbühel. Marcel Hirscher und Max Franz waren beim traditionellen Raiffeisen-Sportler-Treff gerade nach vorne gebeten worden, als das Handy des ÖSV-Mediensprechers vibrierte. Und auf einmal war bei den Hahnenkammrennen alles anders.
„Jetzt kriag’ i grad an Stress.“
Herausforderungen
Die erste Reaktion von Max Franz brachte es auf den Punkt: Die kurzfristige Programmänderung auf Grund der ungünstigen Wetterprognosen erwischte in Kitzbühel gestern Nachmittag praktisch alle auf dem falschen Fuß.
Die Fans, die nun am Freitag (11.30) eine Abfahrt, am Samstag den Slalom und abschließend am Sonntag den Super-G erleben;
den ORF, der jetzt vor der Herausforderung steht, seine Kameras am Samstag auf den Ganslernhang zu übersiedeln, um sie am Sonntag wieder entlang der Streif zu positionieren;
die VIPs rund um Stargast Arnold Schwarzenegger, die wahrscheinlich alle erst in der Gamsstadt eintreffen werden, wenn der Höhepunkt, die Abfahrt, bereits vorbei ist;
vor allem aber stellt die Änderung im Rennplan die Läufer vor einige Probleme. Max Franz, der sonst nie um einen flotten Spruch verlegen ist, verließ nach einem kurzen Statement die Veranstaltung und eilte ins Teamquartier, um sich auf die Abfahrt einzustimmen. „Ich muss unbedingt noch Videoanalyse machen. Das dauert eine Stunde“, entschuldigte sich der Kärntner.
Heimschläfer
Marcel Hirscher reagierte da schon ein wenig gelassener, wobei auch der Salzburger Seriensieger für einen kurzen Moment ins Grübeln gekommen war. „Soll ich jetzt gleich da bleiben“, überlegte der 29-Jährige, der im Hubschrauber zum Termin mit seinem Hauptsponsor eingeflogen war.
Als er dann vom Moderator auf seinen Sohn und seine Rolle als Papa angesprochen wurde, warf Hirscher den Plan sofort wieder um. „Ich habe mich jetzt entschieden, ich flieg’ doch heim.“
Noch vor einem Jahr hätte sich Marcel Hirscher in dieser Situation wahrscheinlich anders entschieden. Ehrgeizig und getrieben wie der siebenfache Gesamtweltcupsieger nun einmal ist. Sein Sohn, der im Spätherbst auf die Welt gekommen ist, hat die Prioritäten verschoben. Ich weiß, dass Skifahren nicht das Wichtigste ist“, betonte Hirscher in Kitzbühel. „Das nimmt Druck von mir und ist ein gutes Gefühl. Es geht nicht mehr nur darum, schnell zu sein zwischen den blauen und roten Toren.“
Ärger
Was jetzt freilich nicht heißt, dass Hirschers Erfolgshunger deshalb geringer geworden wäre. Ganz im Gegenteil. Wer den Salzburger zuletzt beim Slalom in Wengen erlebte, der konnte Zeuge werden, wie sehr sich der Seriensieger ärgern kann, wenn er ausnahmsweise einmal nicht zur Hochform aufläuft.
Nach beiden Slalomläufen war Hirscher auf direktem Wege aus dem Zielraum gerauscht und hatte in seiner Unzufriedenheit über sich selbst nicht einmal die Zeit, die Skier abzuschnallen. Die meisten seiner Konkurrenten hätten einen dritten Platz beim Slalom-Klassiker wohl bejubelt.
Marcel Hirschers Reaktion im Ziel zeigt, wie sehr der Annaberger auch nach 67 Weltcupsiegen noch immer nach Perfektionismus strebt. Der Superstar machte sich mit seinem Verhalten aber nicht nur Freunde. Bei Hirschers PR-Chef gingen einige Beschwerden ein, auch ÖSV-Herren-Chefcoach Andreas Puelacher war alles andere als erfreut über die Episode von Hirscher.
Erwartungshaltung
„Ich hatte nicht unbedingt eine Freude in Wengen“, gestand der neunfache Saisonsieger nun in Kitzbühel. „Da geht es gar nicht unbedingt um die Platzierung. Ich hatte schon dritte Plätze, über die ich mich sehr gefreut habe, weil ich gut gefahren bin“, erklärt Hirscher. „Es geht vor allem darum, was ich von mir selbst erwarte und was ich dann umsetzen kann. Und in Wengen habe ich halt das im ersten Durchgang nicht gemacht. Und dann bin ich eben auch über mich selbst nicht happy.“
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