Es ist der Blick zum Neujahrsspringen nach Garmisch, der Pinkelnig und ihren Kolleginnen gerade ein wenig Kummer bereitet. Die ehrwürdigen Schanzen, die vollen Stadien, das große Spektakel, die legendäre Vierschanzentournee – die Herren haben das, was die Frauen herbeisehnen. „Das Ziel muss sein, dass wir auch zur Tournee kommen. Das wäre ein Push für den Sport“, weiß Pinkelnig.
Doch vorerst hängen die Adlerinnen in der Warteschleife. Die für 2023/’24 angepeilte Premiere der Vierschanzentournee für Frauen ist geplatzt. Zum Ärger vieler Springerinnen und der Verantwortlichen beim Deutschen Skiverband (DSV), die sich für Chancengleichheit und Schanzengleichheit einsetzen. „Wir dürfen keine Zeit mehr mit der Einführung der Vierschanzentournee für Frauen verlieren“, sagt Horst Hüttel, DSV-Manager.
Der Partner aus Österreich spielt bei diesen Plänen freilich noch nicht mit und auf Zeit. Vor einem Jahr rief der ÖSV für die Frauen die Silvester-Tour ins Leben, sozusagen als kleine Schwester der großen Tournee. Gesprungen wird rund um den Jahreswechsel auf den Normalschanzen in Villach und im slowenischen Ljubno, es gibt ein Sonderpreisgeld in Höhe von 20.000 Euro und sogar eine Trophäe, die dem berühmten Goldenen Adler der Herren nachempfunden ist: Die Goldene Eule.
Die Skispringerinnen sind zwar froh, dass sie die Silvester-Tour haben, als Bewerb schwebt ihnen allerdings etwas anderes vor. „Es ist nicht das, was wir wollen“, sagt die 4-fache Weltmeisterin Katharina Althaus (GER). „Das wäre die Frauen-Vierschanzentournee von Großschanzen.“
Mario Stecher kann die Sehnsüchte der Skispringerinnen durchaus nachvollziehen, der Nordische Direktor des ÖSV warnt aber vor Schnellschüssen. Das olympische Motto dürfe in diesem Fall nicht gelten: Nur dabei sein, ist nicht alles für die Frauen. „Das Ganze gehört gut durchdacht. Es hat niemand etwas davon, wenn wir das jetzt schnell, schnell machen und dann nach zwei Jahren draufkommen, es funktioniert nicht.“
Tatsächlich schweben viele Fragezeichen über einer Frauen-Vierschanzentournee. Das beginnt schon bei der zentralen Frage: Wie können die Frauen am besten in die Traditionsveranstaltung der Herren eingebettet werden? Es gab schon die Idee, dass die Springerinnen ihre Tournee in die andere Richtung machen sollen, also von Bischofshofen nach Oberstdorf – aber damit würden die Frauen wohl unter dem Radar der Öffentlichkeit fliegen.
ÖSV-Direktor Mario Stecher schlägt vor, die Frauen-Wettkämpfe am Tag der Herren-Qualifikation stattfinden zu lassen. „Dann würden wir viele Zuschauer haben“, glaubt Eva Pinkelnig. Aber das ist alles noch Schnee von morgen.
Ungeklärt sind auch noch wichtige Themenfelder wie Vermarktung und Finanzierung. Die Skispringerinnen verdienen aktuell nur einen Bruchteil der Herren, wie will man plausibel argumentieren, dass eine Frau für den Tourneesieg nicht 100.000 Euro Preisgeld erhält wie der Sieger bei den Herren?
„Es ist noch viel zu tun“, sagt Mario Stecher. „Wichtig ist, dass die Frauen nicht nur als Anhängsel wahrgenommen werden.“
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