Vor dem Auftakt in Sölden: Die brennendsten Fragen im Ski-Weltcup
Vor dem obligaten Weltcup-Auftakt in Sölden herrscht im Skizirkus traditionell das große Rätselraten. Der KURIER gibt einen Überblick und liefert Antworten auf die brennenden Fragen des Winters.
- Was ist von den Österreichern beim Auftakt zu erwarten?
Das österreichische Team geht ersatzgeschwächt in die ersten zwei Saisonrennen. Bei den Herren fehlt mit Stefan Brennsteiner (Meniskusverletzung) der konstanteste Riesentorläufer der vergangenen zwei Saisonen.
Auch der Vorjahrszweite Roland Leitinger ist nicht am Start. Die größten Hoffnungen ruhen auf Manuel Feller, der im letzten Winter im Riesentorlauf-Weltcup Dritter wurde.
Der letzte ÖSV-Sieg in einem Riesentorlauf ist freilich längst verjährt. Am 12.Jänner 2019 gewann Marcel Hirscher in Adelboden, er war auch der letzte österreichische Sieger in Sölden (2014).
Von den ÖSV-Frauen darf man sich keine Wunderdinge erwarten. Der Riesentorlauf ist seit Jahren die schwächste Disziplin. Ein Podestplatz am Rettenbachferner wäre eine Sensation. Die letzte Österreicherin, die in einem Weltcup-Riesentorlauf in die Top 3 fuhr, war Katharina Liensberger (28.12. 2019 in Lienz).
- Rückt der Ski-Weltcup wegen der Fußball-WM ins Abseits?
So mancher Sportfan wird in einen Interessenskonflikt geraten. Denn die Übersee-Rennen Ende November und Anfang Dezember kollidieren mit der Fußball-WM in Katar. Bei den Abfahrten in Lake Louise und Beaver Creek verzeichnet der ORF zur Primetime traditionell hohe Einschaltquoten. ORF1 bleibt den Fußballern vorenthalten, die Skifahren sollen auf ORF 2 ausweichen.
- Drohen wegen der Energiekrise Absagen?
FIS-Generalsekretär Michel Vion hatte zuletzt für Irritationen gesorgt, weil er damit rechnet, dass der Weltcup-Kalender wegen der steigenden Energiekosten nicht plangemäß durchgeführt werden kann.
Beim ÖSV erntete der Franzose für seine Aussage nur Kopfschütteln. "Wir unternehmen alles, dass unsere Veranstaltungen stattfinden", sagt Christian Scherer, der Generalsekretär des Skiverbandes. Die Energiekosten für das Nightrace in Schladming, den Nachtslalom in Flachau, die Parallelrennen in Zürs bzw. die Klassiker am Semmering, die alle unter Flutlicht stattfinden, seien überschau- und stemmbar, so Scherer.
- Kann die länderübergreifende Abfahrt in Zermatt stattfinden?
Es wird jedenfalls nichts unversucht gelassen, damit die Premiere am 29.Oktober nicht platzt. Die Veranstalter der Abfahrt, die in Zermatt (Schweiz) startet und im italienischen Cervinia endet, wollen das Rennen trotz akuten Schneemangels mit aller Gewalt durchboxen.
Die FIS hat die obligate Schneekontrolle extra noch um einige Tage hinausgeschoben, um den Schweizern die Zeit und Möglichkeit zu geben, die lange Abfahrtspiste doch noch rennfertig zu machen.
Die Abfahrt ist ein Prestigeprojekt, in das gerade der Schweizer Skiverband viel Zeit, Geld und Energie investiert hat. Eine Absage bei der Premiere wäre eine Blamage. Aus diesem Grund wird nun sogar überlegt, das Ziel um 300 Meter nach oben zu verlegen. In Zermatt wären vier Abfahrten (je zwei bei Herren und Frauen) geplant.
- Wie gut ist der Hirscher-Ski Van Deer?
Wer den Perfektionismus und die Besessenheit von Marcel Hirscher kennt, der weiß, dass der achtfache Gesamtweltcupsieger keine halben Sachen macht. Norwegens Superstar Henrik Kristoffersen, einer von drei Läufern, der mit Skiern der Marke Van Deer-Red Bull Sports unterwegs ist, hat angekündigt, bereits in Sölden den Premierensieg einfahren zu wollen.
Das Team hinter Van Deer ist das Who is Who des Skisports. Mit Edi Unterberger holte Hirscher seinen langjährigen Servicemann an Bord, ÖSV-Mastermind Toni Giger wurde ebenfalls vom Skiverband abgeworben. Dazu kommt der Erfahrungsschatz von Papa Ferdinand Hirscher und - nicht zuletzt - die Expertise von Marcel Hirscher, der die Ski selbst mitentwickelt und getestet hat.
- Könnte es erstmals seit der Saison 2018/'19 wieder einen österreichischen Gesamtweltcupsieger geben?
Es wird bei Frauen wie Herren ein schwieriges, um nicht zu sagen: aussichtsloses Unterfangen. Die Konkurrenz ist übermächtig, allein bei den Frauen gibt's mit Titelverteidigerin Mikaela Shiffrin (USA), Petra Vlhova (SLK), Federica Brignone (ITA) oder Michelle Gisin (SUI) vier Läuferinnen, die in mehreren Disziplinen gewinnen können.
Katharina Liensberger, die seit Sommer den italienischen Starcoach Livio Magoni an ihrer Seite hat, soll mittelfristig in den Kampf um die große Kristallkugel eingreifen. In diesem Winter konzentriert sich die Vorarlbergerin aber auf Slalom und Riesentorlauf.
Bei den Herren führt im Gesamtweltcup wohl wieder kein Weg an Marco Odermatt vorbei. Im vergangenen Winter lag der Schweizer fast 500 Punkte vor dem Zweiten (Aleksander Aamodt Kilde). Der 25-Jährige, der in der Saison 2021/'22 sieben Weltcuprennen gewann, kann wohl nur von einer Verletzung aus der Bahn geworfen werden.
Im österreichischen Team erweitert Marco Schwarz sein Rennprogramm. Der Kombinations-Weltmeister von 2021 hat im Sommer in Chile mit den Speedläufern trainiert und versucht sich in der kommenden Saison auch im Super-G. "Mir taugt es, ich stelle mich gar nicht so schlecht an", sagt der Kärntner. Ambitionen auf den Gesamtweltcup hat er vorerst aber nicht. "Das ist kein Thema."
- Wer ist nur mehr Zuschauer?
Einige namhafte Rennläufer sind in diesem Winter nicht mehr dabei. Vor allem bei den Herren verließen Siegläufer und Titelsammler die Bühne: Mit dem Schweizer Carlo Janka trat der Gesamtweltcupsieger von 2009/'10 ab, der 36-Jährige war Weltmeister und Olympiasieger im Riesentorlauf.
Der Norweger Kjetil Jansrud (37) hat dem Weltcup ebenfalls den Rücken gekehrt. Er war einer der besten Speedläufer des letzten Jahrzehnts und wurde Olympiasieger (Super-G) und Weltmeister (Abfahrt). Der Südtiroler Manfred Mölgg (40), seines Zeichens dreifacher WM-Medaillengewinner und Sieger von drei Weltcup-Slaloms, stellte die Ski ebenfalls ins Eck.
Bei den Frauen ist die Kanadierin Erin Mielzynski die prominenteste Läuferin, die ihre Karriere beendet hat. Die 32-jährige Slalomspezialistin hatte 2012 in Ofterschwang ihren einzigen Weltcupsieg gefeiert.
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