Die Wandlung des ÖSV unter Präsidentin Roswitha Stadlober
Zwei Attribute kommen fast immer zur Sprache, wenn von Roswitha Stadlober und ihrer Präsidentschaft die Rede ist: Ruhiger und berechenbarer sei der Österreichische Skiverband geworden, seit die Salzburgerin im Amt ist. Manche werden möglicherweise auch anmerken: langweiliger.
Für launige Sager, schräge Auftritte und verschrobene Ansichten, für die ihr Vorgänger Peter Schröcksnadel berühmt, mitunter auch berüchtigt war, ist Roswitha Stadlober tatsächlich nicht zu haben. Das mögen vielleicht Journalisten und notorische ÖSV-Kritiker bedauern, für den Skiverband erweist sich die zurückhaltende Art der Präsidentin aber als Segen.
„Auf das eine Extrem folgt das andere – nämlich eine Frau“, sagt Stadlober. „Offenbar hat man sich das nicht vorstellen können, dass das auch eine Frau macht.“
Offenbar hat man sich das nicht vorstellen können, dass das auch eine Frau macht
Neues Motto
In diesen zwölf Monaten, die sie dem Verband vorsteht, hat die 59-Jährige schon einige Spuren hinterlassen. Manche sind bereits klar erkennbar, an anderen Reformen und Zukunftsprojekten wird im Hintergrund eifrig gearbeitet.
„Man kann von einem Paradigmenwechsel sprechen, der sich alleine schon aus dem Wechsel von einem Präsidenten auf eine Präsidentin ergibt“, sagt Christiane Gasser. Die Tirolerin leitet seit einigen Monaten die Marketing- und Kommunikationsabteilung und ist damit die erste Frau, die eine Führungsfunktion bekleidet.
Bei ihrem Amtsantritt hatte Präsidentin Roswitha Stadlober bereits angekündigt, dass der Skiverband „weiblicher werden“ müsse. Mit Gitti Köck gibt’s seit dem letzten Winter auch die erste ÖSV-Cheftrainerin (Snowboard).
Weltcup-Auftakt
Mit den Riesentorläufen in Sölden erfolgt am kommenden Wochenende der Startschuss in die Ski-Saison. Es ist die 25. Auflage der Gletscherrennen.
Vorjahressieger
2021 gab es in Sölden durch Mikaela Shiffrin und Marco Odermatt zwei Favoritensiege. Die US-Amerikanerin und der Schweizer gewannen am Ende auch den Gesamtweltcup.
Ski alpin
Insgesamt macht der Ski-Weltcup im kommenden Winter sieben Mal in Österreich Station: Zürs, Semmering, Flachau, St. Anton, Kitzbühel und Schladming. St. Anton ist zudem im Jänner Schauplatz der Junioren-WM.
19 Weltcupveranstaltungen organisiert der Österreichische Skiverband allein in der Wintersaison 2022/’23. An manchen Wochenenden finden sogar zwei Weltcupevents gleichzeitig auf österreichischem Schnee statt.
Premiere
Die Planai in Schladming wird vom 16. bis 19. März Schauplatz des ersten Weltcups im Skibergsteigen in Österreich. 2026 gibt’s bei den Spielen in Mailand-Cortina in dieser Disziplin erstmals Olympia-Medaillen.
Neues Image
Der Skiverband möchte sich Schritt für Schritt ein neues, ein zeitgemäßes Image verpassen. Er möchte sich von Langzeitpräsident Schröcksnadel emanzipieren und nicht mehr nur für Hochleistungssport stehen. „Der ÖSV muss die Breite der Gesellschaft ansprechen. Da geht es um Themen wie Werte, Haltungen und Erlebnis“, sagt Gasser. Dabei vergisst keiner der ÖSV-Führung, die Verdienste von Peter Schröcksnadel (81) zu würdigen. „Peter Schröcksnadel war maßgeblich für die Entwicklung des Skiverbandes verantwortlich. Der ÖSV war gleich Schröcksnadel“, sagt ÖSV-Generalsekretär Christian Scherer.
Doch so ein Führungsstil anno Schnee nach dem Motto „Der Verband bin ich“ ist im Jahr 2022 nicht mehr zeitgemäß. Bei der „stockkonservativen Sportbastion“, wie die Zeit den ÖSV nannte, sind die Hierarchien flacher geworden: An der Spitze steht das Trio Stadlober, Patrick Ortlieb (Finanzchef) und Generalsekretär Scherer. Im Sommer wurde innerhalb des Verbandes eine Strukturreform vollzogen. Unter Einbindung der gesamten Belegschaft. Dieser Gedankenaustausch ist gerade Stadlober ein Anliegen. „Ich throne nicht hoch oben. Ich bin eine Präsidentin zum Anfassen.“
Vorgänger Peter Schröcksnadel war zwar auch umgänglich und suchte den Kontakt zu den Athleten, Entscheidungen traf er allerdings oft im Alleingang bzw. mit seinem engsten Umfeld.
Roswitha Stadlober kann als Präsidentin Themen ansprechen, bei denen eine Frau glaubwürdiger ist
Neuer Stil
Das sei jetzt komplett anders, erklärt Bartl Gensbichler. Der Präsident des Salzburger Skiverbandes hat eine neue Gesprächskultur ausgemacht: „Man spielt sehr offen und diskutiert untereinander auch sehr offen. Die Roswitha ist eine Teamplayerin.“
Früher seien Landespräsidenten mitunter vor vollendete Tatsachen gestellt worden. „Wir erfragen jetzt alles, was im Verband passiert, und kriegen eine Antwort, wenn wir was wissen wollen. Früher hast du oft gehört: ,Das geht euch nichts an.‘ Das läuft jetzt anders ab. Die Bilanz der Präsidentin ist sehr positiv.“
Wenn wir was wissen wollen, kriegen wir eine Antwort. Früher hat’s geheißen: Das geht euch nichts an
Dabei wollte Roswitha Stadlober im Frühsommer 2021 ihr Amt als ÖSV-Vizepräsidentin eigentlich zur Verfügung stellen. Sie wurde nur deshalb Präsidentin, weil sich Karl Schmidhofer, der gewählte Nachfolger von Peter Schröcksnadel, schon nach wenigen Wochen aus privaten Gründen zurückzog.
„Manchmal ergeben sich Chancen, die man nur einmal bekommt“, sagte Stadlober vor einem Jahr. Es gab damals genug Leute, die ihr das Amt nicht zugetraut hatten.
Und heute? Heute vernimmt man allerorts, wie entschlossen die Präsidentin auftritt. Nicht zuletzt gegenüber dem Weltverband FIS, mit dem der ÖSV im juristischen Clinch liegt.
Wie meint doch gleich Bartl Gensbichler, der Salzburger Landespräsident: „Ich denke, viele haben die Roswitha einfach unterschätzt.“
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