Vom afrikanischen Findelkind zur rot-weiß-roten Skihoffnung

Den Namen Anna Rauchmann sollte man sich merken.
"Tagebuch": Die knapp 16-jährige Anna Rauchmann lieferte zuletzt eine erstaunliche Talentprobe an der Nebenfront.

Keine Abfahrt bei den Damen, kein ÖSV-Podestplatz bei den Herren. Und somit Gelegenheit auch einmal auf das Skigeschehen abseits des Weltcups zu achten. Wobei es ungerecht wäre, in den an der alpinen Nebenfront engagierten jungen Menschen bloß mediale Lückenbüßer zu sehen.

Im Europacup gewann der Vorarlberger Patrick Feurstein im französischen Méribel zwei Riesentorläufe innerhalb von 48 Stunden. Als logische ÖSV-Reaktion sind heute beim Weltcup in Garmisch Feurstein und (Ferdinand) Hirscher im Abwesenheit von (Marcel) Hirscher zu sehen. Zumal sich der Papa des abgetretenen Olympiasiegers seit wenigen Monaten zur Freude von Ski–Präsident Peter Schröcksnadel intensiv um Feurstein kümmert.

Unbekannt

Im Nachwuchs siegte beim Landescup im Jänner mit Anna Rauchmann ein munteres Salzburger Mädchen, das sein Geburtsdatum nicht weiß bzw. nicht genau sagen kann. Nur so viel ist bekannt: Sie war vor knapp 16 Jahren in einem Slum am Rande von Addis Abeba von einer vermutlich verzweifelten Mutter weggelegt worden.

Glücksfall Nummer 1: Das Neugeborene wurde gesund gefunden.

Glücksfall Nummer 2. Als das Salzburger Ehepaar Katrin und Markus Rauchmann davon erfuhr, flog es nach Äthiopien, wo eine Adoption ermöglicht wurde.

Glücksfall Nummer 3: Nicht nur die Eltern, sondern auch deren leiblichen beiden (sportlich aktiven) Söhne hatten mit dem afrikanischen Schwesterchen vom ersten Tag an eine Riesenfreud’.

Just im Schnee fühlt sich Anna pudelwohl. Schon eineinhalbjährig rutschte sie auf Brettln herum. Und schon als Vorschulkind fiel sie nicht allein wegen ihrer dunkleren Hautfarbe, sondern vor allem wegen ihrer schneidigen Fahrweise auf.

Bei der Ö3-Ski-Challenge verblüffte Anna Rauchmann 2014 als jüngste Starterin, indem sie trotz eines Ausrutschers, der sie zum Zurücksteigen zwang, fast alle Erwachsenen hinter sich ließ. Und beim Junior Race in Kitzbühel brauste die 15-Jährige soeben auf Platz zwei.

Multibegabt

Mein Gott Anna. Ihr waren offensichtlich viele Begabungen in die (in ihrer afrikanischen Heimat nicht vorhanden gewesene) Wiege gelegt worden. So musizierte sie mit der Geige im Mozart-Jugendorchester. Und dank ihres außergewöhnlichen Bewegungstalents vertrat sie Österreich als einziges Mädchen sogar bei der WM im Trampolinspringen.

Ein Tanzen auf zu vielen Kirtagen aber lässt das Zeitalter der Spezialisierung mit fortschreitenden Alter selbst bei Jugendlichen kaum noch zu. Zudem hat sich Anna entschieden: Sie will vorrangig zwischen Slalomstangen die erste Geige spielen.

Papa Rauchmann: „Am liebsten hat sie es steil und eisig. So wie am Kitzbüheler Ganslernhang.“

Dass sie, die 1,62 Meter zarte Ski-Rennläuferin, die Tourismusfachschule in Hofgastein besucht, sollte nicht hinderlich für eine mögliche Weltcup-Karriere sein. Schließlich wird dort speziell im Winter beim Stundenplan auf Annas Ski-Leidenschaft Rücksicht genommen. Und schließlich hatten dort schon Anna Veith und Marcel Hirscher den Spagat zwischen Sport und Berufsbildung plus den Schulabschluss geschafft.

Ungeachtet dessen ließ Anna Rauchmann in den Fragebogen des Verbandssponsors Salzburg AG unter „Vorbild“ den Namen Henrik Kristoffersen schreiben.

 

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