Vanessa Herzog: Eine Eiskönigin - trotz ihrer Herkunft
Eigentlich dürfte das alles ja überhaupt nicht passieren: der EM-Titel von Vanessa Herzog im Vierkampf, ihr Freiluftweltrekord über die 500-Meter-Distanz, dazu die Zwischenführung im Sprintweltcup. Wer das Land kennt, aus dem Vanessa Herzog kommt; wer weiß, wie es dort um die Trainingsbedingungen bestellt ist; und wer außerdem die Leistungsdichte im Eisschnelllauf kennt – der kann sich im Grunde nur wundern, dass gerade eine Österreicherin diesen Sport dermaßen dominiert.
Abseits
Vanessa Herzog ist ganz gewiss nicht die beste Sprinterin von Europa geworden, weil sie aus Österreich ist. Es müsste vielmehr heißen: obwohl sie aus Österreich ist. Die Achtungserfolge der Vergangenheit – siehe die Auflistung der Meilensteine rechts – können nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Eisschnelllaufsport hierzulande auf Eis liegt.
Es gibt schon grundsätzlich nur wenige Kinder, die sich diesen kräfteraubenden Sport überhaupt antun wollen. Dazu mangelt es an den passenden Trainingsmöglichkeiten. Der Eisring in Innsbruck, der letzte seiner Art in Österreich, ist oft noch nicht rennfertig, wenn im November in Asien der Weltcup beginnt. Wollte Vanessa Herzog tatsächlich in Österreich trainieren, sie müsste wohl warten, bis die Seen in ihrer Wahlheimat Kärnten zugefroren sind.
Flucht
Im Grunde blieb Vanessa Herzog gar nichts Anderes übrig, als ihr Heil in der Flucht zu suchen. In der Flucht ins Ausland. Schon seit Jahren verbringt die gebürtige Innsbruckerin ihre Sommer im bayrischen Inzell, wo sie in der Eisschnelllaufhalle ihre Runden dreht, während draußen die Menschen das Schwimmbad belagern. „Mich stört das nicht, ich kenne es nicht anders“, sagte Herzog, als sie der KURIER einmal im Hochsommer in Inzell besuchte.
Man muss auch ein Idealist sein und eine gewisse Härte zu sich selbst haben, um sich für das Eisschnelllaufen erwärmen zu können. Einerseits ist das Training intensiv wie bei kaum einem anderen Wintersport, andererseits macht sich der finanzielle Ertrag vergleichsweise mickrig aus. Für einen Weltcupsieg über 500 Meter bekommt Vanessa Herzog läppische 750 Euro. „Ohne die Unterstützung durch das Heeresportzentrum könnte ich den Sport nicht machen“, sagt die 23-Jährige. „Aber ich mach’ es ja nicht wegen des Geldes und wegen der Aufmerksamkeit, sondern weil’s mir Spaß macht.“
Überholspur
Inzwischen hat sie sportlich auch leicht lachen. Mit Riesenschritten hat sich Herzog in den letzten Jahren der Weltspitze angenähert, und mittlerweile ist es die junge Frau aus Ferlach, die auf den Sprintstrecken das Tempo vorgibt. Ihre 37,61 Sekunden, die sie am Samstag in Klobenstein für die 500 Meter benötigte, bedeuten einen neuen Freiluftweltrekord. Tags darauf unterstrich sie mit einer Zeit von 37,62 Sekunden ihre Vormachtstellung über ihre Lieblingsdisziplin und legte damit die Basis für den EM-Titel im Vierkampf. „Die Goldmedaille fühlt sich super an.“
Familiensache
Vanessa Herzog bestritt durchaus unkonventionelle Wege, um in die Erfolgsspur zu kommen. Da ihr Trainingspartner fehlten, hatte sie sich 2016 dem niederländischen Team Victorie angeschlossen und mit zahlreichen Olympiasiegern und Weltmeistern ihre Kreise gezogen. Die erhofften Fortschritte wollten sich freilich nicht einstellen, weshalb Herzog nun seit zwei Jahren von ihrem Mann Thomas betreut wird. „Er weiß genau, was ich brauche“, erklärt die 23-jährige Einzelkämpferin. „Ich will nicht arrogant klingen, aber im Frauenbereich gibt es nicht mehr viele Läuferinnen, von denen ich im Training noch etwas lernen könnte.“
Nicht nur diese Ansage sollte den Konkurrentinnen zu denken geben. Wie meinte doch gleich die 23-Jährige? „Laut einer Studie ist eine Eisschnellläuferin mit 27 im besten Alter.“
Meilensteine auf Eis
Max Stiepl Der Österreicher holte bei den Olympischen Spielen 1936 in Garmisch-Partenkirchen Bronze über 10.000 Meter.
Michael Hadschieff Der Tiroler gewann bei den Olympischen Spielen 1988 in Calgary Silber (10.000 m) und Bronze (1500). Dazu stellte er einen Weltrekord
über 10.000 Meter auf.
Emese Hunyady Die gebürtige Ungarin wurde 1994 in Lillehammer Olympiasiegerin über 1500 Meter. Dazu gewann sie über 3000 m noch einmal Silber (1994) und Bronze (1992).
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