Im Dezember 2020 wurde der 36-jährige Ukrainer Georgii Zubko zum Präsidenten des Eishockeyverbands der Ukraine gewählt. Ein Jahr später überrollte Russland mit seinem Angriffskrieg das Land und die sportlichen Zukunftspläne. Bei der laufenden A-Weltmeisterschaft der Männer sind die ukrainischen Athleten nur Zuschauer. Sie hatten Ende April bei der C-WM in der Division 1B in Estland ihren Auftritt und gewannen die Silbermedaille. Wie es mit dem Sport in der Ukraine weitergeht, erzählt Zubko im Interview.
KURIER: Herr Zubko, das Internationale Olympische Komitee (IOC) empfiehlt die Zulassung von (Bela-) Russen bei internationalen Wettkämpfen. Ihre Meinung dazu?
Der Sport steht nicht außerhalb der Politik. Die Erklärung des IOC und die Rückkehr Russlands sind für die Ukraine inakzeptabel. Der Eishockey-Weltverband IIHF hat Russland und Weißrussland weiterhin suspendiert – das war wichtig. Eishockey ist für die Russen ein wichtiger Teil der Propaganda. Vor einigen Tagen hat der ukrainische Eishockeyspieler Oleksandr Chmil sein Leben verloren. Er hatte große Pläne, aber Russland hat ihm diese Möglichkeiten genommen.
Wie ist der Status quo des ukrainischen Eishockeysports?
Unsere Profispieler können im Ausland spielen, weil wir direkte Verhandlungen führen und diese Prozesse begleiten. Profis, die beschlossen haben, in der Ukraine zu bleiben, haben hier Arbeit. Unser Ziel war es, u. a. die Leistungen aller Nationalteams zu sichern. Deshalb war es wichtig, die nationale Meisterschaft in allen Alterskategorien und der höchsten Liga, der Ukrainian Hockey League (UHL), durchzuführen. Weiters versuchten wir, Eishallen und Ausbildungsschulen wieder aufzubauen.
Ihr Fazit zur abgeschlossenen UHL-Saison mit 100 Spielen?
Es war eine anstrengende Saison, aber sie war spannend und erfolgreich. Der Meister steht fest und darf im nächsten Jahr am Kontinentalcup teilnehmen. Trotz der Herausforderungen sind wir fest davon überzeugt, dass der Eishockeysport in der Ukraine weitergeht und sich auf professionellem Niveau entwickeln wird.
Wie groß sind die Schäden an den Eishallen seit Februar 2022?
Es ist schwierig, die Verluste zu beziffern, denn sie sind gewaltig. 40 Prozent aller Eishockeyanlagen in der Ukraine wurden beschlagnahmt oder zerstört. So ist zum Beispiel die besetzte Eishalle in Melitopol, die zwei Monate vor Beginn einer groß angelegten Invasion eröffnet wurde, wieder völlig zerstört worden – wie auch die Hallen in Cherson, Charkiw oder Mariupol. Jede kostete jeweils ca. 5 Mio. Dollar. Die Verluste werden in zweistelligen Millionenbeträgen gemessen. Der Sport hat Geld, Eis und Menschen verloren.
Wie sieht die Zukunft des Sports in der Ukraine aus?
Nachkriegspläne, ja, es gibt sie. Die meisten Arbeiten zum Wiederaufbau werden von Freiwilligen durchgeführt. Uns ist klar, dass wir das alles nicht allein bewältigen können. Bedauerlicherweise befinden wir uns noch in einer komplexen Situation. Unsere Ressourcen gehen zur Neige.
Wurde deshalb im April 2022 die „Ukrainian Hockey Dream“-Foundation, mit Ihnen als Direktor, gegründet?
Genau. Zu Beginn der groß angelegten Invasion gründete unser Verband diese Wohltätigkeitsstiftung, um weltweit Spenden für den Eishockeysport und unseren Nachwuchs zu sammeln. Wir brauchen mehrere Millionen pro Jahr, für Ausrüstung, Material, Schulungen und um das Funktionieren aller Prozesse im Sport zu gewährleisten. Wir durchleben eine schwierige Phase in der Geschichte des Sports, doch wir können mit Zuversicht sagen, dass der Sport lebt.
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