Stangassinger über Olympia-Gold 1994: "Man wird förmlich zerrissen"

Stangassinger über Olympia-Gold 1994: "Man wird förmlich zerrissen"
Vor 30 Jahren rettete in Lillehammer Thomas Stangassinger mit Slalom-Gold die Ehre der Skination. Ein Gespräch über Druck, seinen Langzeit-Rivalen Tomba und 2-Meter-Skier.

Von Christian Mayr

Die Olympischen Winterspiele 1994 im norwegischen Lillehammer gelten als Inbegriff für maßvolle und freundliche Spiele. Die österreichischen Skifahrer hatten aber bis zum Schlusstag wenig zu lachen – erst Thomas Stangassinger erlöste mit seinem Slalom-Triumph die stolze Ski-Nation.

Von 1,84 Sekunden Vorsprung auf Alberto Tomba rettete der Salzburger gerade einmal 15 Hundertstel ins Ziel. 30 Jahre später erinnert sich der 58-Jährige an seinen größten Erfolg.

KURIER: Herr Stangassinger, Sie standen damals als Letzter im Starthaus, Österreich hatte erst zwei Alpin-Medaillen und kein Gold. Da rutscht vor Ihnen Lokalmatador Aamodt beim zweiten Tor weg. Was ist da in Ihrem Kopf vorgegangen?

Thomas Stangassinger: Das weiß ich eigentlich noch sehr gut. Es war ja nicht nur der Aamodt, unmittelbar vor mir sind insgesamt drei Läufer beim zweiten, dritten Tor ausgeschieden. Dadurch ist es oben für mich hektisch geworden, weil sich das Startintervall plötzlich verkürzt hat und sich der ganze Ablauf änderte. Und ich habe nicht gewusst, was genau los ist – bis mir 15 Sekunden vor dem Start ein Betreuer gesagt hat, dass die ersten Tore extrem blöd sind. Da läuft es mir heute noch ganz kalt den Rücken hinunter. Ich war dann oben auch knapp vor dem Ausscheiden – ein Schock, aber dann ist es doch zu meinen Gunsten ausgegangen.

Marcel Hirscher hat einmal sinngemäß gesagt, bei der Fahrt zu Slalom-Gold in Schladming ist er vom Kind zum Manne geworden. Trifft es das? Eine ultimative Prüfung.

Damit kann ich wenig anfangen, weil ich nie Olympische Spiele und Weltmeisterschaften über andere Rennen gestellt habe. Ich wollte mir nicht zusätzlich Erwartungsdruck machen. Außerdem war ich als Kitzbühel-Sieger ohnehin schon Mitfavorit auf den Titel, aber der große Dominator damals war natürlich Alberto Tomba.

Thomas Stangassinger (* 15. September 1965) lebt in Bad Dürrnberg bei Hallein. In den 1990er-Jahren war er einer der weltbesten Slalomläufer. Bei Weltmeisterschaften holte er Silber (1991) und Bronze (1993), ehe er sich 1994 in Lillehammer mit Olympia-Gold krönte. In jenem Jahr wurde er auch Österreichs Sportler des Jahres. Im Winter 1998/99 gewann er die kleine Kristallkugel im Torlauf, insgesamt fuhr er zehn Weltcupsiege ein. Im Frühjahr 2000 erfolgte sein Rücktritt.

Tomba wurde letztlich Zweiter. Nach einem Traumlauf im ersten Durchgang war es im Finale dann von Ihnen eine taktisch kluge Fahrt zu Olympia-Gold. Heutzutage heißt es, so etwas wäre unmöglich, weil immer Vollgas nötig sei.

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