Das letzte Rennen der Lindsey Vonn: Ein Weltstar tritt ab
Auch vor dem letzten Rennen ihrer Karriere ist Lindsey Vonn ganz Athletin. Da mögen die Rippen noch so zwicken seit ihrem Sturz im WM-Super-G am Dienstag;
da mag ihr rechtes Auge noch so blutunterlaufen sein, dass kein Make-up hilft;
und dass ihre beiden ramponierten Knie unter dem Rennanzug von Schienen gestützt werden, ist auch schon längst normal für die erfolgreichste Skirennläuferin aller vergangenen Zeiten.
Lindsey Vonn hat immer noch den Speed, der ihr 82 Weltcupsiege beschert hat, das hat sie in der Kombinationsabfahrt gezeigt, die sie mehr als Besichtigungstour und halb aufrecht als Achte absolvierte. Und die 34-Jährige hat auch immer noch den Ehrgeiz, der sie überhaupt erst dorthin gebracht hat, wo sie nun ist. Das Mädchen aus St. Paul im US-Bundesstaat Minnesota, das mit elf Jahren nach Colorado auszog, um die Skiwelt zu erobern, schreibt nun das letzte Kapitel ihrer Laufbahn.
Rennläuferin
Und sie wird es zusammen mit jenem Mann tun, dessen Weltcup-Rekord sie nicht mehr erreichen kann. 86 Mal wurde der Schwede Ingemar Stenmark gefeiert, mickrige vier Erfolge fehlen Vonn, doch es geht nicht mehr, der geschundene Körper versagt den Dienst. „Ich habe ihn per SMS angefleht, dass er schon am Sonntag in Åre ist, bitte, bitte, bitte“, erzählt die vierfache Gesamtweltcupsiegerin, „er hat zugesagt. Das bedeutet mir sehr viel.“ Vonns Strahlen zeigt, wie sehr sie die Geste des alten Schweden rührt.
Kein Verständnis hat sie hingegen für ihre Nachfolgerin Mikaela Shiffrin, die Åre nach Gold im Super-G den Rücken gekehrt hat und sich abseits des WM-Trubels auf Riesenslalom und Slalom vorbereitet. „Sie kann in jeder Disziplin eine Medaille holen. Mir wäre so etwas nie eingefallen, denn ich bin Rennläuferin, ich will mich immer im Wettkampf messen und alles gewinnen, was ich gewinnen kann. Ich respektiere ihre Entscheidung, auch wenn ich sie nicht verstehe – aber hoffentlich schafft sie, was sie sich vorgenommen hat.“
Anschieberin
Mit Lindsey Vonn verabschiedet sich jene Frau, die dem Skisport in den USA einen gewaltigen Schub gegeben hat. Natürlich mit Gold in der Olympia-Abfahrt im kanadischen Whistler anno 2010, vor allem aber mit ihren Liebesgeschichten – weniger mit den Heiratssachen. Von 2007 bis 2013 hatte die gebürtige Lindsey Caroline Kildow Ex-Rennläufer und Trainer Thomas Vonn zum Gemahl.
Gut zwei Jahre lang war sie ab 2013 mit Tiger Woods liiert, dem besten Golfprofi der Geschichte; es folgte ein Jahr an der Seite des Ex-Footballers Kenan Smith; inzwischen ist der kanadische Eishockey-Profi P. K. Subban von den Nashville Predators ihr Herzbube.
Die erfolgreiche Sportlerin mit dem Faible für Mode und Hunde, mit einer eigenen Stiftung, mit der sie Mädchen fördert und auch Nachwuchs-Skirennläuferinnen wie die derzeit verletzte Abfahrerin Breezy Johnson;
die sich gern auf Galas im Abendkleid zeigt;
die als erste Frau im Weltcup mit Männerskiern fährt und seit 2012 immer wieder gegen die Herren in Lake Louise fahren wollte;
die 2016 das Buch „Strong is the new beautiful“ geschrieben hat, mit dem sie Frauen Mut machen will;
das ist der Stoff, mit dem in den USA die Öffentlichkeit begeistert werden kann. Und natürlich wecken auch all die Schattenseiten das Interesse. Lindsey Vonn bekannte sich öffentlich zu ihren Depressionen, sie berichtete vom lange Zeit zerrütteten Verhältnis zu ihrem Vater Alan Kildow, das sich erst seit 2011 wieder gebessert hat; nun war der Rechtsanwalt auch in Åre.
Stehauffrau
Und schließlich waren da die unzähligen Verletzungen, nach denen sie stets zurückgekommen ist. Eine durchtrennte Daumensehne vom Versuch, nach WM-Gold in Val d’Isère 2009 eine Champagnerflasche zu öffnen, war da noch eines der kleinsten Übel. Kreuzbandrisse (2007 bei der WM in Åre, 2013 bei der WM in Schladming und im November desselben Jahres), ein Knöchelbruch im Sommer 2015, ein dreifacher Schienbeinkopfbruch im März 2016, ein Oberarmbruch und schwere Nervenschäden im November; dazu serienweise Prellungen – Lindsey Vonns Karriere lief auf einem schmalen Grat. Auch nach der Abfahrt am Sonntag wird die lange Liste ihrer Operationen noch nicht beendet sein, sondern fortgesetzt werden.
Irgendwann, das weiß sie, wird sie wohl künstliche Knie brauchen, „und wenn sie ein Robotergelenk für mich entwickeln, könnte ich vielleicht weiter Rennen fahren“. Doch das ist ein Scherz.
Viel wichtiger ist ihr, dass sie in näherer Zukunft Mutter wird und dann mit dem Nachwuchs die Piste hinunterfahren kann. Das hat sie diese Woche auch ihrem Freund P. K. (Pernell Karl) Subban bereits ausgerichtet, live von der Pressekonferenz in Åre, vor laufenden Kameras, per privater Handy-Übertragung in die Vereinigten Staaten.
Wie es weitergeht? Am Sonntagabend wird Lindsey Vonn feiern. Am Montagmorgen geht es nach Nashville zum Freund, und ihr nächster Gala-Auftritt wird bei der Verleihung der Laureus Awards in Monaco sein. Im Abendkleid, am 18. Februar.
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