Warum sich ÖSV-Star Puchner das Wadenbein durchschneiden ließ

ALPINE SKI-WM 2025 SAALBACH-HINTERGLEMM: ABFAHRT DER FRAUEN / FLOWER CEREMONY
Die 32-jährige Salzburgerin schrieb mit Abfahrts-Silber ihr persönliches Winter-Märchen. In ihrer Karriere erlebte sie zuvor auch heftige Tiefschläge.

Als Mirjam Puchner die riesige Sektflasche öffnete, sprudelten die Emotionen nur so aus ihr heraus. Bis zur Siegesfeier im Zielraum hatte sich die Salzburgerin in ihrer gewohnt besonnenen Art noch zurückgehalten, aber dann gab es für die Silbermedaillengewinnerin in der Abfahrt kein Halten mehr – und riesige Fontänen ergossen sich über jeden, der ihr über den Weg kam. „Das musste einfach sein. Auch wenn ich jetzt auf und auf nach Sekt stinke.“

FIS Alpine Skiing World Championships in Saalbach - Day 5

Wer kann Mirjam Puchner diesen überschäumenden Jubel aber auch verdenken? 

Eine Medaille bei einer Weltmeisterschaft in Österreich, nur eine Autostunde von ihrem Heimatort St. Johann im Pongau entfernt, vor den Augen von Familie und Freunden – das ist der Stoff, aus dem die Skiläuferinnen-Träume sind. „Kitschig, es gibt nichts Schöneres“, meinte die 32-Jährige.

Großer Murks

Zumal ja lange gar nicht einmal sicher war, ob Puchner das Saison-Highlight überhaupt aktiv miterleben würde. Die heurige Saison war bis zur WM ein einziger Murks, die Salzburgerin fuhr in den Speedrennen hinterher oder kam gleich gar nicht ins Ziel.

Mirjam Puchner war der Verzweiflung nahe, nicht nur einmal flossen bei ihr die Tränen. „Weil ich nicht gewusst habe, was ich machen soll. Die letzten Wochen vor der WM haben mir ziemlich zugesetzt“, gibt die Polizeisportlerin ehrlich zu. Puchner hatte nach ihren schwachen Leistungen keinen fixen Startplatz für die WM-Abfahrt und musste in die interne Qualifikation.

FIS Alpine Skiing World Championships in Saalbach - Day 5

Mirjam Puchner mit ihren Eltern

Große Freude

Ab dem Zeitpunkt aber, als sie den ersten Skischuh auf die Ulli-Maier-Abfahrtspiste setzte, war die schwere Verunsicherung dann mit einem Schlag verflogen. 

Und mit jeder Trainingsfahrt wichen die großen Selbstzweifel mehr und mehr einem unbändigen Selbstvertrauen, das Mirjam Puchner auch bei ihrer Fahrt zu Silber demonstrierte. „Ich habe mich hier herunter vom ersten Tag an so wohlgefühlt. Ich habe mich noch nie zuvor so sehr auf ein Rennen gefreut.“

Selbst die Rolle als Medaillenhoffnung und Mitfavoritin, in die Puchner nach den starken Trainingsläufen gepresst wurde, konnte die Lokalmatadorin nicht ausbremsen. „Ich bin in den letzten Tagen oft darauf angesprochen worden, aber ich habe mir nur gesagt: ,Fahr locker, du kannst es da runter.’“

Die unerwartete Silbermedaille in der WM-Abfahrt in Saalbach-Hinterglemm überstrahlt den zweiten Platz bei den Olympischen Spielen 2022 im Super-G. In Peking waren seinerzeit wegen der Covid-Pandemie Geisterspiele durchgeführt worden, im Glemmtal wurde Puchner am Samstag von 15.800 Fans bejubelt. „Die beiden Medaillen kann man nicht vergleichen“, sagt Puchner.

ALPINE SKI-WM 2025 SAALBACH-HINTERGLEMM: ABFAHRT DER FRAUEN / PUCHNER (AUT), ASSINGER, VENIER (AUT)

Frauen-Cheftrainer Roland Assinger mit den Medaillengewinnerinnen Mirjam Puchner und Stephanie Venier

Im Spätherbst ihrer Laufbahn wird die Pongauerin für ihr Durchhaltevermögen und ihre Leidensfähigkeit belohnt. Wie viele ihrer Teamkolleginnen hat auch Mirjam Puchner schon schmerzhafte Erfahrungen machen müssen. Ein komplizierter Schien- und Wadenbeinbruch (2017) hätte die Karriere der Speedspezialistin beinahe vorzeitig beendet.

Großer Einschnitt

Weil Puchner noch Monate nach der Operation von heftigen Schmerzen geplagt wurde, ließ sie sich freiwillig den Unterschenkelknochen noch einmal brechen. „Man hat das Wadenbein durchgeschnitten und es mit einer Platte und Schrauben dann wieder fixiert“, erzählt die 32-Jährige.

Ohne diesen ungewöhnlichen Eingriff hätte Puchner die Heim-WM vermutlich nur als Zuschauerin erlebt. „Der ganze Aufwand hat sich gelohnt, es hat sich ausgezahlt, dass ich drangeblieben bin“, sagt die WM-Zweite. „Es war ein langes Tal, das ich durchschreiten musste. Mich hatten nämlich viele schon abgeschrieben.“

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Großes Vorbild

Als das dürfte Mirjam Puchner in den Sinn gekommen sein, als sie am Samstag im Zielstadion auf das Siegespodest gerufen wurde. Für die Salzburgerin wurde eine besondere Gratulantin auserkoren. Als Ski-Legende Annemarie Moser die Landsfrau umarmte, flossen bei der besonnenen Mirjam Puchner die Tränen.

„Sie ist so ein Vorbild, es war einfach schön, wenn so eine Sportlerin dir den Preis übergibt.“

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