Die ÖSV-Chefs blicken in die Zukunft: "Was ist noch machbar?"

Christian Scherer und Mario Stecher im kleinen Foto. Julia Scheib freut sich über ihren Sieg.
Christian Scherer und Mario Stecher über die Herausforderungen, in turbulenten Zeiten wie diesen einen großen Skiverband zu führen.

Seit eineinhalb Jahren regiert beim Österreichischen Skiverband eine Doppelspitze: Christian Scherer fungiert als Geschäftsführer und CEO, Mario Stecher ist ebenso Geschäftsführer und Sportdirektor. 

Der KURIER traf das Duo vor dem Weltcupstart in Sölden zum Doppel-Interview.

KURIER: Wie steht’s gerade um den ÖSV?

Stecher: Ich spüre wieder eine Aufbruchstimmung. Das war in den letzten Jahren nicht immer so. So gelungene Events wie die Heim-WM in Saalbach, das ausverkaufte Bergiselspringen oder überhaupt unsere Heimweltcups zeigen die Bedeutung, die der Wintersport bei uns hat.

Scherer: Unsere Mitgliederzahlen sind ansteigend, auch die TV-Ratings gehen nach oben, wir sind ein interessanter Partner. Wir haben erst in dieser Woche mit Bybit und mit Intersport zwei neue Sponsoren präsentiert und den Vertrag mit der WWP-Group bis 2034 verlängert.

ÖSV-Präsidentin Roswitha Stadlober flankiert von Mario Stecher (li.) und Christian Scherer

ÖSV-Präsidentin Roswitha Stadlober flankiert von Mario Stecher (li.) und Christian Scherer

War das Image vor drei, vier Jahren denn schlechter?

Scherer: Nach über 30 Jahren sehr, sehr guter Führung von Peter Schröcksnadel und seinem Team hat der Verband eine gewisse Zeit gebraucht, um sich selbst zu finden. Es waren sicher keine einfachen Zeiten: Mit dem Nachfolgestreit, mit Themen wie Post-Covid, der Energiekrise oder der verfahrenen Situation mit FIS-Präsident Johan Eliasch. Es gab eine gewisse Unruhe.

Ich vergleiche den ÖSV gerne mit einem großen Dampfer: Den darfst du nicht zu schnell manövrieren, sonst kippt er. Und ein Dampfer braucht einfach eine gewisse Zeit, um eine neue Richtung einzuschlagen und wieder Fahrt aufzunehmen. Es ist auch bei uns im Skiverband ein gewisser Veränderungswille da. Die Strukturen waren sicher gut, aber in so einer schnelllebigen Zeit waren und sind Anpassungen notwendig.

Dann bleibt weniger Geld für den Sport

Die Herausforderungen sind nicht ohne: Stichwort Lohnspirale, Teuerung, etc...

Stecher: Wenn die Lohnspirale überproportional zu den Einnahmen steigt, dann bleibt irgendwann einfach weniger Geld für den Sport. Das ist eine riesengroße Herausforderung, die Österreich ganz besonders trifft. Mit all den politischen Maßnahmen, die getätigt wurden – oder eben leider nicht.

Was ist noch machbar, was geht partout nicht?

Hat es da ein kleinerer Verband mit weniger Athleten und weniger Sparten womöglich einfacher?

Stecher: Man wird sicher irgendwann einmal damit anfangen müssen, Prioritätenlisten zu erstellen. Was ist noch machbar? Was geht partout nicht mehr? Was können wir uns in dieser Form nicht mehr leisten? Wir diskutieren zum Beispiel gerade über die Aufnahme vom Freeriden. Wir wollen da wirklich niemandem im Weg stehen, aber solange es seitens der FIS keine klaren Regeln für diese Sportart gibt, muss man sich schon überlegen, das in den Skiverband zu integrieren. Der Kuchen wird nun einmal nicht größer. Wenn die Lohnkosten steigen und neue Sparten dazukommen, dann wird es irgendwann schwierig.

Muss ein Verband wie der ÖSV wirklich den Anspruch haben, in allen Sparten erfolgreich zu sein?

Stecher: Wir diskutieren natürlich darüber und wollen da auch ein klares Commitment der Präsidentenkonferenz und damit den Landesskiverbänden haben: Was brauchen wir noch? Wo wollen wir uns in Zukunft hinentwickeln?

Scherer: Es geht auch um die Struktur dahinter. Es nützt uns ja nichts, wenn wir als ÖSV alle unsere Disziplinen weiter im Ausmaß wie bisher fördern, aber die Landesverbände sind nicht in der Lage, diese Sparten finanziell zu stemmen. Dann wird der Zubringerdienst nicht funktionieren und man wirft sinnlos Geld aus dem Fenster. Das sind wichtige strategische Entscheidungen, die wir da in naher Zukunft treffen müssen. Wir als Staat wissen alle, dass der Föderalismus viele Ressourcen verschlingt, daher müssen wir nicht jammern, sondern es in unserem Wirkungskreis einfach besser machen und die Gesamtstruktur effizienter gestalten.

Stecher: Wir wollen und können nicht den funktionierenden Sparten etwas wegnehmen, damit wir andere Sparten finanzieren können. Das fällt uns auf den Kopf. Das ist das Spannungsfeld.

Scherer: Es ist kein Geheimnis, dass wir primär mit Ski alpin und Skispringen Erträge erzielen, mit denen dann die anderen Sparten mitfinanziert werden.

Die ÖSV-Chefs blicken in die Zukunft: "Was ist noch machbar?"

Muss der Skiverband im Spitzensport sparen?

Stecher: Momentan läuft es noch absolut gut. Neben der Schweiz gibt es wahrscheinlich keinen zweiten Verband, der den Sportlern solche Möglichkeiten bieten kann. Aber wenn es noch einen Schritt weiter geht, dann muss man wirklich Sachen zusammenführen oder streichen. Dann muss man den großen Apparat effizienter gestalten.

Scherer: Derzeit versuchen wir, alles so weiter zu führen und alle negativen Faktoren abzufedern. Sei es die Lohn-Preis-Spirale, sei es aber auch Kürzungen bei den Sportfördermitteln. Was tun wir? Wir schauen, dass wir das durch zusätzliche kommerzielle Erträge kompensieren. Das gelingt uns noch ganz gut, aber es bedarf ungemeiner Anstrengungen. Wichtig wäre, wenn man eine Vision im österreichischen Sport spüren würde und man sich auch daran orientieren könnte.

Wie ist es in Ihren Augen grundsätzlich um die Sportnation Österreich bestellt?

Scherer: Der Stellenwert des Sports ist leider noch immer nicht dort, wo er hingehört. Themen wie Gesundheitsvorsorge oder die Entlastung des Gesundheitssystems kommen leider viel zu kurz. Dabei könnte der Sport gerade in diesen Bereichen eine wichtige Rolle für die Gesellschaft spielen.

Der Sport verdient mehr Aufmerksamkeit

Stecher: Wenn seitens der Politik kein klares Commitment für den Sport an sich kommt, und damit auch für den Spitzensport, wird es schwer werden, auch weiterhin an der Spitze mitzumischen. Sport muss unabhängig von Parteipolitik sein. Da sind wir im Vergleich zu anderen Nationen leider ganz weit weg.

Scherer: Der Sport verdient mehr Aufmerksamkeit. Und zwar mehr denn je, wenn ich daran denke, dass Kinder jetzt schon einen Bewegungsmangel haben. Mir fehlt da in Österreich generell eine positive Grundstimmung. Auch was den Wintertourismus betrifft, der in Wahrheit eine der krisenresistentesten Branchen ist. Man könnte sich am Sport und am Wintertourismus, wo man viel Idealismus und große Bereitschaft für mutige Entscheidungen antrifft, einiges abschauen. Der Wintertourismus stellt sich den Herausforderungen und passt sich erfolgreich veränderten Gegebenheiten an. Die können ja auch nicht ihre Hotels und ihre Bergbahnen abbauen und ins Ausland gehen, weil dort die Lohnnebenkosten geringer sind. Der ÖSV will mit seinen vielen Weltcup-Veranstaltungen auch einen Beitrag für eine positive Grundstimmung in Österreich leisten – das sehen wir auch als unseren gesellschaftspolitischen Auftrag.

Was muss passieren, dass Sie von einem erfolgreichen Winter sprechen?

Stecher: Der Österreichische Skiverband steht für Erfolg. Das ist in unserer DNA. Wenn ich an Olympia denke: Natürlich wollen und sollen wir nicht nur um Medaillen mitkämpfen, sondern sie auch holen. Bei den letzten Spielen waren es immer so 13, 14 Medaillen, in diese Richtung soll es wieder gehen. Viel wichtiger ist mir persönlich aber, dass wir in jeder Sparte in der Lage sind, um die Topplätze mitzukämpfen. In der Öffentlichkeit mag der Fokus auf Olympia liegen, für uns zählt der ganze Winter. Da sind wir dann beim Christian, der Außendarstellung und der Werbung – die Aufgabe ist es, als gesamter Skiverband über Jahre ein positives Bild abzugeben. Das ist viel wichtiger als ein einzelnes Großereignis.

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