Ski-Spektakel in Kitzbühel: Wo Rosi jodelt und Schwarzenegger zuzelt
Von Weißwürsten, Moonboots und der größten Ski-Party des Jahres: Warum Kitzbühel einzigartig ist und die Atmosphäre deutlich entspannter als zu Hermann Maiers Zeiten.
Die Rosi jodelt, der Arnie zuzelt, der Hansi zottelfellmoonbootst, Ski gefahren wird außerdem – und das ganze Land schaut zu.
So könnte es zu lesen sein, würde man die Künstliche Intelligenz (KI) bitten, einen Text über Kitzbühel rund um die Hahnenkammrennen zu verfassen. Alle Jahre wieder darf – manche sagen: muss – die Menschheit im Jänner dieses illustre Schauspiel erleben.
Der ganze Zinnober mag einigen übertrieben, um nicht zu sagen weltfremd erscheinen, aber für eine selbst ernannte Skination, der die Brett’ln bekanntermaßen die Welt bedeuten, sind diese Tage natürlich wie Weihnachten, Silvester und Ostern auf einmal. Selbst dann, wenn die eigenen Heroen gerade der Musik hinterherfahren.
Dabei ist Kitzbühel im Grunde ja ein stilles Örtchen. Wer an den ersten Tagen der Hahnenkammwoche im Epizentrum des Skisports aufschlägt, käme niemals auf die Idee, dass hier bald die größte Sause des Winters über die Bühne gehen würde. Ein Montags-Spaziergang durch die menschenleere Innenstadt lässt unweigerlich beklemmende Erinnerungen an den ersten Corona-Lockdown wach werden. In den Edel-Boutiquen langweilen sich die Verkäuferinnen, die Bars, in denen später die Nacht zum Tag gemacht wird, lassen keinen rein, weil keiner da ist, der rein will. Nur die hell beleuchtete Streif hoch oberhalb von Kitzbühel kündigt das nahende Ski-Spektakel an.
Laute Nebengeräusche
Mit der Beschaulichkeit ist’s dann freilich schlagartig vorbei. Praktisch über Nacht schwillt Kitzbühel der Hahnenkamm und das Halligalli nimmt seinen Lauf. Mit all seinen Hauptdarstellern und Nebengeräuschen, die uns mittlerweile schon so vertraut sind, weil sie zu Kitzbühel gehören wie die Mausefalle zur Streif.
Diese Faszination des Schauens wird Jahr für Jahr von den Fragen aller Fragen begleitet: Wie viele Weißwürste verdrückt Arnold Schwarzenegger denn diesmal im Stanglwirt? Was jodelt Rosi Schipflinger hoch oben in ihrer Sonnbergstube heuer der High Snowciety vor? Nicht zu vergessen: Welche Frisur haben Hansi Hinterseers Zottelfellmoonboots anno 2024?
Luxuriöser Tempel
Nirgends wird das Après-Ski seit jeher so zelebriert und inszeniert wie in Kitz’. In Wahrheit müssten sich die VIPs klonen lassen oder Doppelgänger engagieren, um an diesem Wochenende auf allen Hochzeiten tanzen zu können. Die mit Abstand größte Bühne im Ort, der legendäre KITZ-Race-Club am Fuße der Streif, ist ein Luxustempel auf zwei Etagen für 1.250 Gäste.
Für drei Tage und Nächte wird hier Jänner für Jänner ein gigantischer Aufwand betrieben, der seinesgleichen sucht. Allein das Stahlgerüst wiegt 1.490 Tonnen, 60 Kilometer Kabel müssen verlegt werden, weil die 120 Sattelschlepper, die das gesamte Equipment anliefern, nicht auf das Areal fahren können, muss alles auf kleine Stapler umgeladen werden. Man kann verstehen, warum die gesamte Planung für die Agentur WWP, die seit Jahrzehnten die Hahnenkammrennen vermarkten, ein Ganzjahresprojekt ist und bereits Wochen vorher mit den Aufbauarbeiten begonnen werden muss.
Kitz Legends Night
Internationale Bosse
Längst dinieren im KITZ-Race-Club nicht mehr nur Adabeis und notorische Seitenblicker. Über die letzten Jahre haben die Hahnenkammrennen einen Wandel vollzogen – und damit auch die Riege der Gäste, die nach Kitzbühel gelockt werden.
Viele der Persönlichkeiten werden von den Dutzenden Society-Fotografen, die sich vor dem zweistöckigen Zelt auf den Füßen stehen, am roten Teppich gar nicht erst erkannt. Wirtschaftsbosse von internationalen börsennotierten Unternehmen reisen aus der ganzen Welt an und freuen sich darüber, dass sie nicht fotografiert werden. „Ich weiß nicht, wie viele Geschäfte in Hunderten Millionen Euro sich bei uns angebahnt haben bzw. abgeschlossen wurden“, sagt Philipp Radel, CEO von Vermarkter WWP.
Auch abseits des VIP-Geschehens hat sich die Szenerie über die Jahre gewandelt. Rund um die Jahrtausendwende, zur Glanzzeit von Hermann Maier und den anderen großen österreichischen Skihelden, war Kitzbühel am Hahnenkammwochenende ein Tollhaus, in dem sämtliche Manieren und Regeln abgeschafft.
Wer einmal so einen Sonderzug voller stockbesoffener österreichischer Skifans erlebt hat, der wird nie mehr ein schlechtes Wort über Fußballanhänger verlieren. Gerade nach der Abfahrt am Samstag spielten sich in der Innenstadt die wüstesten Szenen ab. Es werden wohl Hunderte gewesen sein, die in den Kanal des kleinen Gänsbach gepurzelt waren, der mitten durch die Stadt fließt.
Diese Alkoholexzesse rund um die Rennen haben zwar nicht komplett aufgehört – wie denn auch, wenn 40.000 Menschen ein Skifest zelebrieren – aber die Atmosphäre ist heute deutlich entspannter und einladender, seit die Veranstalter und die Stadt Hochprozentiges downgegradet haben und nichts Alkoholisches über 10 Volumenprozent ausschenken lassen.
Einzigartiges Event
Sie würden oft gefragt werden, ob sie denn nicht irgendwo anders ein zweites Hahnenkammrennen veranstalten könnten, erzählt Philipp Radel von Vermarkter WWP. „Wir lehnen dann immer dankend ab und sagen, das funktioniert an einem anderen Ort nicht. Das ist einzigartig.“
Und er hat recht. Denn wo sonst jodelt die Rosi, zuzelt der Arnie und zottelfellmoonbootst der Hansi. Und Ski gefahren wird außerdem.
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