Schröcksnadel: Die große Schwäche des starken Mannes

Ratlos: ÖSV-Boss Schröcksnadel wirkt alles andere als sattelfest.
In der Affäre um die Missbrauchsvorwürfe von Nicola Werdenigg agiert der ÖSV hilf- und planlos. Sensibilität wäre vom Präsidenten gefordert.

Über fehlende Loyalität und Unterstützung aus den eigenen Reihen kann sich Peter Schröcksnadel nicht beschweren. Seine Sportler unternehmen gerade wirklich alles Menschenmögliche, um mit ihren Siegen die aktuelle Missbrauchsaffäre, die Nicola Werdenigg ins Rollen gebracht hat, aus den Schlagzeilen zu verdrängen.

Erst am Samstag hat ein ehemaliger Sportler, der in den 80ern und 90ern Bewohner im Ski-Internat von Stams war, im Standard von der damaligen Praktik des "Pasterns" unter den Schülern berichtet. "Je nachdem, wie aufmüpfig einer vorher war, bekam er Zahnpasta oder einen mehr oder weniger klebrigen Klister anal verabreicht. Das heißt, da wurde eine Tube eingeführt", erzählt der ehemalige Athlet, der anonym bleiben will. Und weiter: Lehrer und Erzieher seien nicht dabei gewesen.

Die aktuellen Probleme, mit denen der Skiverband konfrontiert ist, lassen sich nicht so leicht beiseite schieben wie eine Kippstange. Der ÖSV steckt in einer seiner größten Krisen in der langen Ära Schröcksnadel. Nur diesmal scheint die Sache nicht so einfach aus der Welt zu schaffen sein. Zumindest nicht in bewährter ÖSV-Manier.

Schröcksnadel: Die große Schwäche des starken Mannes
ABD0132_20171013 - SALZBURG - ÖSTERREICH: ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel bei der Einkleidungs-Präsentation des Austria Ski Teams, am Freitag, 13. Oktober 2017, im Europark in Salzburg. - FOTO: APA/BARBARA GINDL

ÖSV-Handhabung

Als Andreas Goldberger in den 1990er-Jahren eingestand, Kokain konsumiert zu haben und überlegt hatte, für Serbien zu starten, wurde dies typisch österreichisch geregelt. Bei einer Gesprächsrunde im ORF mit Helmut Zilk. Die Bestrafung: Goldberger durfte seine sechsmonatige Dopingsperre im Sommer absitzen.

Als sich der ÖSV 2006 mit der berühmten Doping-Affäre von Turin konfrontiert sah und Peter Schröcksnadel in Italien der Prozess gemacht wurde, engagierte er Star-Anwälte sowie einen Detektiv und ging in die Gegenoffensive. Verurteilt wurde am Ende, in einer anderen Causa, nur der damalige Generalsekretär des ÖOC.

Diesmal helfen Schröcksnadel und dem ÖSV keine Anwälte und kein runder Tisch. Weil Missbrauch ein weit sensibleres und brisanteres Thema ist, und weil die Wagenburg-Mentalität und das Suchen von Feindbildern außerhalb des Verbandes wohl die falsche Strategie ist.

"Das wäre eigentlich ein aufgelegter Elfer gewesen", sagt ein PR-Berater mit Naheverhältnis zum Verband, der sich wundert, wie hilflos und planlos Schröcksnadel und der ÖSV mit der Missbrauchsaffäre umgehen. "Im Grunde hätten sie nur Transparenz, Aufklärung und Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft anbieten müssen. Und dann hätte der ÖSV sogar so etwas wie eine Vorreiterrolle im Kampf gegen Missbrauch im Spitzensport einnehmen können."

Steinzeit

Stattdessen flüchteten sich die Verantwortlichen in Ausreden und machten es mit undurchdachten Statements nur noch schlimmer. In den sozialen Netzwerken wird Schröcksnadel als Macho aus der Steinzeit dargestellt, der sich seiner Verantwortung nicht bewusst ist.

Wer den ÖSV-Präsidenten kennt, der weiß, dass Kritik dieser Art an ihm abprallt. "Natürlich darf mich jeder kritisieren, aber ich habe was gegen Kritik, die von Leuten kommt, die sich nicht auskennen", sagt er. Innerhalb des Verbandes hat sich noch nie großer Widerstand gegen den allmächtigen Macher geregt. Wie denn auch? Die Vertrauenspersonen des 76-Jährigen und Entscheidungsträger im Verband sind schon seit Jahrzehnten dieselben.

Glücksfall

Dass Schröcksnadel Topstars wie Hirscher oder seinerzeit Maier selbst vermarktet, ist für den Verband in zweierlei Hinsicht ein Glücksfall. Mit den Provisionen, die der ÖSV dafür kassiert, werden jene Sparten (Langlauf, Snowboard, etc.) finanziert, die sich wirtschaftlich nicht rechnen. Vor allem aber, und das ist der eigentliche Vorteil, verhindert Schröcksnadel damit, dass externe Manager Einfluss auf Athleten und den ÖSV ausüben könnten. Auch deshalb hört sich interne Kritik dann meist in etwa so an. "Er könnte dann und wann etwas diplomatischer sein", meint Benjamin Raich. "Der Peter wird manchmal vielleicht auch ein bisschen zurecht kritisiert, weil er sein Herz auf der Zunge trägt."

Beim ÖSV wird nun mit Spannung die Aussage von Nicola Werdenigg vor dem Staatsanwalt erwartet. Die 59-Jährige will am Dienstag über einen Vorfall berichten, der sich 2005 zugetragen haben soll.

Kommentare