Schröcksnadel: "Bin kein stolzer Mensch“

Schröcksnadel: "Bin kein stolzer Mensch“
Der ÖSV-Präsident im KURIER-Interview über Sturheit, Stolz und schlechte Kosenamen.

Fünf bis sieben, wie immer." Als Peter Schröcksnadel wie immer vor einer Ski-WM seine Medaillen-Wünsche kund­tut, wird der ÖSV-Präsident von seinem Pressechef sofort korrigiert. "Sechs bis acht."

"Klar, sechs bis acht." Im Trubel um die Heim-WM in Schladming kann man leicht den Überblick verlieren. "Wir sind eh alle krank geworden", erklärt Peter Schröcksnadel, "wahrscheinlich der Stress."

KURIER: Herr Schröcksnadel, können Sie die Heim-Weltmeisterschaft eigentlich genießen?
Peter Schröcksnadel: Ein Genuss ist es erst, wenn die WM vorbei ist und alles hingehaut hat. Vorher musst du reinbuckeln und schauen, dass alles passt. In dieser Hinsicht bin ich ein kleiner Perfektionist.

Was widerstrebt Ihnen?
Mittelmaß mag ich überhaupt nicht. Mich stört es total, wenn einer nicht das gibt, was er kann. Das macht mich narrisch. Ich will nichts dem Zufall überlassen.

Delegieren Sie viel, oder haben Sie alle Fäden in der Hand?
Du musst als Chef natürlich auch delegieren können. Aber grundsätzlich will ich schon über alles genau Bescheid wissen.

Warum?
Weil es nur so funktioniert. Wesentliche Entscheidungen müssen an einer Stelle zusammenlaufen. Passiert das nicht, läuft irgendwann alles aus dem Ruder.

Schröcksnadel: "Bin kein stolzer Mensch“
APA10098872-2 - 05112012 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT SI - ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel am Montag, 05. November 2012, anl. der Präsentation des "Austria Ski Team Song" in Wien. Der Song "God of the Mountain" wurde von der Rock-Band Nazareth für den österreichischen Skiverband geschrieben. APA-FOTO: HERBERT NEUBAUER
Wann ist die Weltmeisterschaft für Sie ein Erfolg?
Wenn alles gut ausgeht, organisatorisch und finanziell. Wenn keine Unfälle passieren. Und wenn die Leute sagen: ‚Das hat uns gefallen‘ und es bei mir möglichst wenig Beschwerden gibt.

Landen die Beschwerden denn direkt bei Ihnen?
Immer. Wenn den Leuten irgendwas beim Skiverband nicht passt, dann schreiben sie mir. Ich werde manchmal auch beschimpft, wenn einer schlecht fährt. Aber auch die bekommen eine Antwort.

Hängt das Gelingen der Heim-WM auch vom Abschneiden der heimischen Läufer ab?
Natürlich. Für eine gute WM braucht es österreichische Erfolge. Sonst bleiben ja die Leute weg.

Aber es sind doch schon 200.000 Tickets verkauft worden.
Aber ausverkauft sind wir trotzdem noch nicht. Da geht’s jetzt vor allem um die Tagestickets. Die Zuschauer sind die Haupteinnahmen, die für den Skiverband am Ende übrig bleiben.

Apropos Verband: Sie haben den ÖSV zum erfolgreichsten Sportverband des Landes geformt. Macht Sie das stolz?
Ich bin überhaupt kein stolzer Mensch. Ich bin stolz, wenn die Sportler erfolgreich sind und gut fahren. Dann freue ich mich, dass ich Chef einer so guten Mannschaft sein kann. Aber ich bin nicht stolz auf das, was ich mache. Das ist ja mein Job.

Was ist eigentlich Ihr Motor, was treibt Sie an?
Wenn man das immer wüsste. Das Lässige an diesem Amt ist sicher, dass man mit Weltklasse-Athleten zu tun hat. Dass man sie führen kann und immer wieder Entscheidungen treffen muss, damit man Weltklasse bleibt. Und dann kommen noch die Emotionen dazu, die unsere Läufer auslösen. Der Skisport hat bei uns in Österreich einfach einen Stellenwert.

Und damit auch der Präsident?
Logisch, aber auch nur dann, wenn die Mannschaft erfolgreich ist.

Sie werden sogar Alpen-Ecclestone genannt.
So ein Quatsch. Das nervt mich genauso, wie wenn ich vom "Ski-Napoleon" lese. Das sind keine Auszeichnungen.

Finden Sie?
Ja, ich finde es immer schlecht, wenn du mit einem anderen verglichen wirst. Ich bin ich, fertig, aus. Das ist mir auch lieber.

Schröcksnadel: "Bin kein stolzer Mensch“
epa02058536 Peter Schroecksnadel (R), president of the Austrian skiing federation, walks off after the race in the men's Slalom at Whistler Creekside, 27 February 2010, at the Vancouver 2010 Olympic Games. EPA/MIRKO GUARIELLO
Es heißt über Sie: Sie wären stur, streitbar, gerissen.
Was heißt stur? Innerhalb des Verbandes bin ich sicher nicht stur. Aber sobald es darum geht, den Verband nach außen zu vertreten, sicherlich. Ich kann ja nicht jeden Tag was anderes sagen. Man muss als Verband berechenbar sein, sonst hätten wir bald einen Wirbel. Und nachdem ich einer bin, der nie umfällt, ist innerhalb des Verbandes eine große Verlässlichkeit da.

Würden Sie denn gerne mit einem Peter Schröcksnadel am Tisch sitzen und Verhandlungen führen?
Sogar liebend gerne. Weil dann bestimmt eine gute Lösung rauskommen würde. Da würde ich nämlich wissen, wo ich dran bin. Was ich gar nicht mag: Mit Leuten verhandeln, die dann weggehen und ganz was anderes machen als das, was ausgemacht ist.

Wieso ist jemand wie Sie eigentlich nie in der Politik gelandet?
Anfragen hat es schon einige gegeben. Aber Politik? Nein, das hat mich nie interessiert, dort was zu machen.

Weil Sie möglicherweise zu wenig diplomatisch wären?
Ich glaube sehr wohl, dass es in der Politik heute gefragt wäre, wenn man die Dinge klar ansprechen würde. Aber was soll ich in der Politik? Meine Welt ist der Sport und nicht das Parlament. Ich stehe lieber auf der Skipiste.

Verstehen Sie sich deshalb so gut mit den Sportlern, weil Sie selbst noch so aktiv sind?
Ganz bestimmt. Die Athleten wissen: Ich kapier’ das Geschäft. Es ist nicht so, dass bei uns Entscheidungen fallen, wo keiner weiß, warum sie eigentlich getroffen worden sind. Ich kann die Probleme nachvollziehen, nicht nur im Skifahren. Wenn du das nicht kannst, dann bist du abgehoben und die Athleten sagen sofort: ‚Was will der eigentlich, der versteht ja eh nichts.‘

Es fällt auf, dass Sie immer hinter Ihren Sportlern stehen.
Mich mobilisiert es, wenn Leute schlecht behandelt werden. Da kommt der Gerechtigkeitsfanatiker in mir durch. Wenn ich in der Lage bin, aus meiner Position heraus etwas zu ändern und zu helfen, motiviert mich das. Ich hasse nichts mehr als Ungerechtigkeit. Mit der zweiten Wange habe ich es nicht so. Ich halte die nicht hin, da haue ich lieber zurück.

Haben Sie deshalb 2006 nach der Turiner Olympia-Affäre Ihren Sportdirektor Markus Gandler so verteidigt und ihm die besten Anwälte beschafft?
Der Skandal war ja nicht, dass wir gedopt haben, sondern dass das alles nur inszeniert war. Es wäre damals das Einfachste gewesen, einen Schuldigen zu präsentieren, ihn hinauszuwerfen und zu sagen: Der Fall ist erledigt. Aber so was gibt es bei uns im Verband nicht. Bei uns fliegt auch kein Trainer sofort raus, wenn er keinen Erfolg hat.

Sie sind nun auch schon mehr als 20 Jahre im Amt. Wie schwer wird’s Ihr Nachfolger haben?
Wenn’s ein Guter ist, wird er es überhaupt nicht schwer haben. Und eines können Sie mir glauben: Wir werden einen Guten suchen. Aber es ist sicher nicht so einfach, einen zu finden, der finanziell unabhängig ist und vor allem dann auch noch die Zeit hat, um den Verband zu führen.

Die Zeit?
Ich mach’ 60 bis 70 Stunden die Woche. So einen Verband wie unseren kannst du nicht einfach nebenbei führen. Du kannst es auch nicht machen, um bekannt zu werden. Das wäre total verkehrt. Du musst es machen, weil es dir taugt. Bis Sotschi 2014 bin ich auf jeden Fall noch da. Und mein Nachfolger wird sich auch nicht so schwertun. Es ist alles da: Geld ist da, der Verband funktioniert. Und es sollte sich auch noch ausgehen, dass wir ein neues Verbandsgebäude hinstellen.

Peter Schröcksnadel (*30. Juli 1941 in Innsbruck) leitet seit 1990 die Geschicke des Österreichischen Skiverbandes. In seiner Ära wurde der ÖSV zum erfolgreichsten Verband des Landes, der Jahresetat stieg auf 40 Mio. Euro. Er ist ein begnadeter Skifahrer und startet bei der Senioren-WM.

Der Innsbrucker ist mit seinen Firmen Sitour und Feratel im Ski-Tourismus engagiert. Zudem besitzt und betreibt Schröcksnadel zahlreiche Skigebiete (Patscherkofel, Ötscher, Hinterstoder) und die Skisprungschanze auf dem Bergisel.

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