Zwischen Siegen und Nörgeln

Schladming ist nach einer 400-Millionen-Euro-Kosmetik tatsächlich nicht wiederzuerkennen.
Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Schladming ist nach einer 400-Millionen-Euro-Kosmetik tatsächlich nicht wiederzuerkennen.

von Wolfgang Winheim

über die Entwicklung des WM-Ortes

Erstmals werden WM-Ski-Rennen sogar in der Türkei und in Brasilien übertragen. 791 TV-Leute treiben sich bereits in Schladming herum. In der 4400-Einwohner-Stadt, die laut ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel ohne Ski-WM ein "unansehnlicher Bergbauernort" geblieben wäre.

Schladming ist nach einer 400-Millionen-Euro-Kosmetik tatsächlich nicht wiederzuerkennen. Auch wenn es nie zu einem Sieg bei einem Ästhetik-Wettbewerb reichen wird.

Als Franz Klammer 1973 das erste Weltcuprennen in Schladming gewann und der Südtiroler Roland Thöni auf der Planai ung’spitzt in einen Stadl krachte, hatten die KURIER-Reporter in einer Kammer hinter den Vermietern nächtigen und mit ihnen WC und Waschtisch teilen müssen.

Als sich Schladming erstmals um die WM bewarb, ließ die FIS die Steirer wissen, dass der Bau eines Hotels dafür Grundvoraussetzung sei, worauf das "Royer" entstand, in dem der spätere Profi-Skiweltmeister Bernhard Knauß als Elektriker erste Kabel verlegte.

Als bei der WM 1982 Österreichs Hoffnungen im Dauerregen davonschwammen, titelten Zeitungen vor dem mehrmals wetterbedingt verschobenen Veranstaltungshöhepunkt: "Nur noch unsere Abfahrer können die WM retten." Was Harti Weirather (Gold) und Erwin Resch (Bronze) auch schafften. Mit insgesamt drei Medaillen fiel die Bilanz bei der Heim-WM trotzdem bescheiden aus.

Inzwischen ist das ÖSV-Budget in Euro (35 Millionen) höher als einst jenes in Schilling. Dementsprechend groß sind die Ansprüche. Der KURIER-Computer traut dem ÖSV-Team sogar 13 Medaillen zu. Der Präsident rechnet mit fünf bis acht.

Geht die Rechnung nicht auf, werden auch solche Experten, die noch nie eine Rennpiste aus der Nähe sahen, ein Köpferollen fordern. Fahren Marcel Hirscher und Co. die Konkurrenz in Grund und Eisboden, wird’s indes heißen, dass die WM ohnehin nur ein alpiner Inzuchtbewerb sei und der ORF mit seinem patriotischen Geschwafel maßlos übertreibe.

Nur: Anders als 1982 ist niemand mehr auf ein einziges TV-Programm angewiesen. Somit kann der Ski-Ignorant so reagieren wie vermutlich die Mehrheit in Ankara oder Rio de Janeiro. Und umschalten.

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