Die Mission lautete: Der Welt das Bild eines modernen und friedliebenden Landes vermitteln. Doch schon im Winter gab es Aufregung. Weithin sichtbar prangte das Plakat „Juden Zutritt verboten!“ am Vereinshaus des Ski-Clubs Partenkirchen. Das entsprechende Foto eines britischen Reporters sorgte international für Empörung. Um einen Eklat zu verhindern, wurde die Judenverfolgungen rund um Garmisch-Parten- kirchen ausgesetzt, antisemitische Plakate kamen weg. Eine Maßnahme, die bei den örtlichen Nazis auf wenig Gegenliebe stieß.
Lange Geschichte
„Genährt durch die Eindrücke bei den Winterspielen in Garmisch spitzten sich die Proteste bis zu den Sommerspielen in Berlin zu“, weiß der Sporthistoriker Stephan Wassong von der Sporthochschule Köln. Boykottdrohungen gegen die Nazi-Diktatur folgten. Wobei die Geschichte der Boykott-Versuche bereits vor den ersten Spielen begann. „Die Mutter aller Proteste geht auf das Jahr 1896 zurück. Da haben deutsche Turner aus politischen Gründen boykottiert.“ Weil die Olympischen Spiele vom französischen Baron Pierre de Coubertin wiederbelebt worden waren, beschloss man im Sinne der deutsch-französischen Feindschaft, keine Turner nach Athen zu schicken. „Einige aber sind eigenverantwortlich hingefahren“, erzählt Wassong. „Und wurden als Vaterlandsverräter aus der deutschen Mannschaft geworfen.“
Sport-Events als Spiegel von Weltgeschehen, ungelösten Problemen und Zeitgeist? „Das stimmt sicher“, sagt der Sporthistoriker.
Die Apartheid wiederum dominierte die Spiele von 1964 bis 1976. Wassong: „Immer wieder drohten Länder mit Boykott, falls das IOC die Einladung an Südafrika aufrechterhält. 1976 wurde der Boykott wahr gemacht. 21 afrikanische Nationen sind aus dem olympischen Dorf abgezogen.“ Insgesamt fehlten 29 Länder. Die einzige Boykott-Erfolgsgeschichte, wie der Sporthistoriker meint. Weniger erfolgreich seien die anderen politisch motivierten Boykotte gewesen, vor allem die, die durch den Kalten Krieg getragen waren.
Nach dem sowjetischen Einmarsch 1979 in Afghanistan haben nur 80 Länder an Olympia in Moskau teilgenommen . „Letztlich hat der Boykott politisch aber gar nichts gebracht. Die Sowjets waren für vier weitere Jahre in Afghanistan, US-Präsident Carter, der sich mit einer harten Außenpolitik profilieren wollte, wurde nicht wiedergewählt. Und 1984 gab es den Gegenboykott bei den Spielen in Los Angeles.
Protestfreier Winter?
Bleibt noch die Frage, warum es bei Olympia in der kalten Jahreszeit etwas ruhiger zuging. „Die Winterspiele haben einfach nicht dieselbe Strahlkraft wie die Sommerspiele“, sagt Wassong. Zu wenige teilnehmende Länder, zu wenige Athleten, zu wenig Interesse in vielen Weltregionen. „Außerdem fanden sie einfach nicht an politisch relevanten Orten statt.“
Das ändert sich jetzt: „In Peking überschattet erstmals ein politischer Boykott Winterspiele. Erstmals sind auch nicht die Athleten die Leidtragenden“, sagt der Sporthistoriker.
Es sei denn, Corona erwischt sie.
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