Seit 2021 ist Roswitha StadloberPräsidentin des Österreichischen Skiverbandes, musste die „Alpha-Tiere“ unter den Sportfunktionären in den Griff kriegen und erzählt, warum im Sport auch Niederlagen wichtig sind.
KURIER: Sie plädieren in Diskussionsrunden oft für Leistung. Kommt der Leistungsgedanke in Österreich insgesamt zu kurz?
Roswitha Stadlober: Ja, ich glaube schon. Leistung sollte wieder etwas Positives sein in dem Sinne: Wir haben Stärken, und diese Stärken sollen etwas wert sein. Es ist gut, dass es Streberinnen und Streber gibt.
Sie sagen als ehemalige Spitzensportlerin, dass Erfolge auch aus den Niederlagen kommen. Wieso?
Im Sport muss man viel investieren, um an die Spitze zu kommen. Bis dahin gibt es mehr Niederlagen als Siege und den Gedanken: „Ich bleib dran, ich will dieses Ziel erreichen.“ Deswegen sind Niederlagen wahrscheinlich auch so wichtig. Selbst aus einer Verletzungspause kommen manche gestärkt zurück, weil dann vielleicht eine ganz andere Motivation da ist. Dafür muss man natürlich auch an seiner Persönlichkeit arbeiten. Und dann, wie es so schön heißt: Aufstehen, Krone richten, weitergehen.
Roswitha Stadlober Im Oktober 2021 wurde sie überraschend ÖSV-Präsidentin. Dem langjährigen Präsidenten Peter Schröcksnadel war in einem Nachfolgekampf ein Kompromisskandidat gefolgt, der nach drei Monaten zurücklegte. Darauf übernahm die damalige Vizepräsidentin das Ehrenamt.
Acht Weltcupsiege hat Stadlober in den 80er-Jahren unter ihrem Mädchennamen Roswitha Steiner gewonnen. Sie galt als eine der weltbesten Slalomläuferinnen. Nach dem Spitzensport war sie Bankbeamtin, kurz in der Politik und gründete dann einen Verein zur Laufbahnberatung von Ex-Spitzensportlern. Mit dem Skilangläufer Alois Stadlober hat sie zwei erwachsene Kinder, beide zog es in den Spitzensport.
In Österreich ist man schnell ein „Loser“, wenn man keine Siege feiern kann. Lässt sich das umkehren?
Wer so etwas sagt, sollte sich selbst an der Nase nehmen und fragen: „Was bin ich denn selbst, was habe ich selbst schon geleistet?“ Wir wissen ja auch, wie viele Fußballtrainer es in Österreich gibt. Jeder Fernsehzuschauer gibt seinen Kommentar dazu ab. Darum ist es mir als Präsidentin des Skiverbandes so wichtig, vor Ort zu sein. Ich will mich auch in andere Sportarten hineinversetzen, um zu wissen: Was heißt es denn wirklich, diese Leistungen zu erbringen?
Eigentlich seltsam, dass die verantwortungsvolle Position, die Sie bekleiden, ehrenamtlich ist.
So ist das Vereinswesen. Für die Gesellschaft ist ehrenamtliche Arbeit buchstäblich unbezahlbar. Wir haben aber eine Strukturreform gemacht. Der Geschäftsführer und der neu installierte Sportdirektor werden alle Rechte und Pflichten tragen.
Das ausführliche KURIER TV-Studiogespräch mit ÖSV-Präsidentin Stadlober
Man konnte vor Ihrer Wahl den Eindruck kriegen, dass der Österreichische Skiverband aus einem Haufen zerstrittener Paschas besteht.
Das hatte vielleicht den Anschein und ist jetzt großteils vorbei. Ich konnte die Verbände einen. Alle wissen, dass es nur gemeinsam geht. Natürlich ist der Sport männlich besetzt. Frauen haben sehr spät Funktionen übernommen. Ich denke, ich bin da Vorbild.
Ganz planiert scheinen die Konflikte noch nicht zu sein. Zumindest nicht zwischen FIS und ÖSV.
Ja, es ist nicht ganz leicht, das wird noch dauern. Wir sollten im Sinne des Sports handeln, aber da ist natürlich sehr viel Politik drinnen.
Apropos Politik: Sie saßen als Unabhängige für die ÖVP ein paar Jahre im Salzburger Landtag und wirkten von dieser Zeit eher ernüchtert.
Ja, ich dachte, als Quereinsteigerin etwas bewegen zu können. Aber in der Politik kann man nicht so schnell reagieren wie im Sport, und natürlich hatte ich keine Hausmacht. Dennoch hat es mir etwas gebracht, danach habe ich den Verein Kada gegründet.
Kada beschäftigt sich mit Laufbahnberatung und Arbeitsintegration von Hochleistungssportlern. Sagen Sie jetzt bloß nicht, dass das auch ehrenamtlich ist.
(Lacht) Nein, da war ich bis vor Kurzem Geschäftsführerin. Von irgendetwas musste ich ja leben.
Fällt man nach dem Karriereende im Sport in ein Loch? Man ist ja bis dahin wahnsinnig durchgetaktet, hat keine Zeit für aufwendige Ausbildungen oder Hobbys.
Es ist wichtig, dass man das Karriereende so selbstbestimmt wählt, dass man mit sich im Reinen ist. Ich habe in der Beratung einige erlebt, die nicht gut abschließen konnten und sich dann auch später schwertaten.
Welche Fähigkeiten bringt ein Spitzensportler in eine Firma mit?
Meistens nicht eine abgeschlossene Berufsausbildung, aber diese Zielstrebigkeit und den Ehrgeiz, wonach Unternehmen immer suchen. Das Fachliche kann man lernen. Das ist mein Appell an die Personalverantwortlichen!
Muss man nicht ein egozentrischer Verrückter sein, um sich zum Beispiel die Streif runterzuhauen?
In gewisser Weise schon. Wer diesen Weg einschlägt, verzichtet auf vieles. Um möglichst weit nach vorne zu kommen, braucht es einen gewissen Egoismus. Aber es gibt dennoch viele Sportlerinnen und Sportler mit sozialer Einstellung. Vielleicht macht es sogar diese Mischung aus, um erfolgreich zu sein.
Könnten die Nachwuchsprobleme im Spitzensport daran liegen, dass früher unerschrockene Bergbauernbuam hineindrängten, während jetzt eher die Kinder von Hotelbesitzern dafür infrage kommen?
Nein, wenn jemand diese Triebfeder in sich hat und zum Beispiel einem Marcel Hirscher nacheifert, dann ist es egal, wo er herkommt.
Heuer gab es wahnsinnig viele Verletzte – und Kritik vom FIS-Präsidenten, dass das Programm für die Rennfahrer zu eng getaktet ist.
Die Kalenderplanung der großen Klassiker hat sich nicht verändert, aber das Drumherum ist größer. Diesmal war möglicherweise auch ein Infekt mitschuld. Natürlich muss man gerade für den Speedbereich körperlich und geistig voll fit sein und im Zweifel absagen. Mit Kopfschmerzen lässt sich die Streif nicht bewältigen.
Sie gehörten zu den ersten Sportlerinnen mit Stirnbandwerbung. Mittlerweile ist es in die andere Richtung gekippt: Man sieht keine Sportler mehr ohne Logo-Wald.
Erst ab den Neunzigerjahren wurde der Sport viel mehr vermarktet. Mit meinen acht Weltcupsiegen konnte ich mir eine gute Existenz aufbauen, aber nicht das verdienen, was jetzt möglich ist.
Den größten Aufschrei im ÖSV haben Sie mit dem neuen Logo erzeugt. Hat sich die Aufregung darüber schon gelegt?
Das zeigt eigentlich, wie wichtig der Skisport in Österreich ist. Das ist schön. Gefühlt hat ganz Österreich ein halbes Jahr seine Meinung dazu kundgetan. Also so gesehen war das eigentlich eine starke Landung.
Jetzt wird in der Kunst, aber auch im Sport sehr viel über Missbrauch gesprochen. Haben Sie damals etwas wahrgenommen oder ist Ihnen sogar selbst etwas passiert?
Seitens des Skiverbandes wurde das gründlich aufgearbeitet. Wir bemühen uns, dass das nie mehr vorkommt. Mir persönlich ist Gott sei Dank nichts passiert, und ich habe nichts wahrgenommen. Wir waren eine wirklich harmonische Gruppe mit einem sehr guten Trainerteam.
Betreiben Sie noch Sport?
Ja, um fit zu bleiben, aber nicht wettkampfmäßig.
Wie wichtig ist Sportpsychologie und Mental Health?
Wichtig, weil unterstützend. Für eine gute Leistung ist es auch notwendig, dass der Kopf frei ist.
Sie haben als Roswitha Steiner Ihre großen Erfolge gefeiert. Warum haben Sie Ihren Mädchennamen dennoch abgelegt?
Das war damals irgendwie kein Thema für mich.
Ihre Mutter wollte eigentlich, dass Sie Schneiderin werden. Denken Sie daran manchmal?
Ja, weil jetzt gerade Vintage so modern ist. Alte Stücke künstlerisch umzuarbeiten fände ich interessant.
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