ÖSV-Langlaufstar Vermeulen: „Ich war teilweise auch dumm"

ÖSV-Langlaufstar Vermeulen: „Ich war teilweise auch dumm"
Der steirische Langläufer zählt im WM-Skiathlon zu den Mitfavoriten. Seinen flotten Sprüchen lässt Vermeulen immer öfter auch Taten folgen

Mika Vermeulen ist alles andere als ein Mitläufer. Der 25-jährige Steirer zählt im Langlauf zu den größten Herausforderern der norwegischen Superstars. Bei der Tour de Ski wurde der frühere Kombinierer Zweiter, heute macht Vermeulen im Skiathlon Jagd auf die erste österreichische Langlaufmedaille bei einer WM seit 1999.

„Ich habe heuer konstant meine Ergebnisse geliefert: Wer weiß, vielleicht stehen die Sterne richtig.“

KURIER: Sie sind im letzten Winter in der Weltspitze aufgetaucht. Was war im Rückblick das Aha-Erlebnis?

Mika Vermeulen: Der Sommer 2023 war für mich richtungsweisend. Der hat mich dahin gebracht, wo ich jetzt stehe.

Was ist damals passiert?

Ich habe mir damals gesagt: „Scheiß drauf, jetzt versuchst du einmal, ein Jahr keinen Fehler zu machen.“ In diesem Sommer habe ich ohne Rücksicht auf Verluste trainiert und das Maximale rausgeholt, was in mir drinnen ist. Aber der richtige Schlüsselmoment war dann das Rennen in Ruka.

Sie wurden damals überraschend Vierter im Massenstartrennen.

Und auf einmal habe ich mich bärenstark gefühlt. Damals habe ich gemerkt, dass ich plötzlich in der Lage bin, in ein Renngeschehen einzugreifen, ohne dass es mich danach gleich ausknipst. Dieser vierte Platz hat beim Selbstvertrauen den Schalter umgelegt.

Was war vorher anders? Sie haben Fehler erwähnt.

Nach den Olympischen Spielen 2022 in Peking hatte ich ein Jahr, in dem viel falsch gelaufen ist. Ich habe falsch reagiert auf Krankheiten, ich war übermotiviert und teilweise auch dumm.

Inwiefern dumm?

Ich war ein Besserwisser und habe deshalb nicht immer die richtigen Entscheidungen getroffen. Einen Fehler zu begehen, ist grundsätzlich kein Problem. Aber einen Fehler zu wiederholen, das darf nicht passieren. Mir hat mein Bruder (ein Radfahrer, Anm.) die Augen geöffnet, was echte Arbeitsethik bedeutet. Nämlich einfach die Arbeit zu erledigen, die erledigt werden muss. Und keine Ausreden zu suchen.

ÖSV-Langlaufstar Vermeulen: „Ich war teilweise auch dumm"

Sind Sie jetzt ernsthafter?

Ich bin reifer geworden, ich habe härter und disziplinierter trainiert, ich laufe technisch besser, ich habe auch mein Gewicht besser unter Kontrolle. Das waren viele einzelne Bausteine – und wenn die zusammenkommen, dann kann so ein großer Schritt rausschauen.

Blickt die Konkurrenz heute anders auf Sie?

Letzten Winter hätten sie mich noch allein weglaufen lassen, wenn ich beim Skiathlon angreife. Jetzt rennt mir das ganze Feld nach, wenn ich das Tempo erhöhe. Aber deswegen werde ich trotzdem weiter dazu beitragen, dass das Rennen hart wird, und attackieren. Ich mag mich nicht im Feld verstecken und habe auch keine Angst, im Rennen Verantwortung zu übernehmen. Ich brauche ein hartes Rennen, um am Ende schnell zu sein.

Wo sehen Sie selbst noch Luft nach oben?

Am meisten ist vermutlich in den letzten zwei Minuten eines Rennens zu holen. Da geht’s gar nicht um den Zielsprint, sondern um die allerletzten Attacken. Ich möchte da das Tempo so steigern können, dass keiner mehr mit mir mitkommt.

Sie gehen auch verbal gerne in die Offensive. Machen Sie sich damit nur Freunde?

Ich verzapfe ja keinen Blödsinn und sage, was andere falsch machen. Ich sage nur, was ich richtig machen kann und was in mir drinnen steckt. Wenn einige Leute damit nicht leben können, dass ich an mich und meine Stärken glaube, dann ist das nicht mein Problem.

Das ist ein durch und durch unösterreichischer Zugang. Vielleicht kommen da ja meine niederländischen Gene durch. Aber mit Schau-ma-mal habe ich es nicht so.

Wie präsentiert sich für Sie das österreichische Langlauf-Team?

Wir brauchen uns sicher nicht genieren. Ich glaube, dass es für das gesamte Team gut war, dass ich im letzten Winter diesen großen Schritt gemacht habe. Das soll jetzt nicht arrogant rüberkommen, aber Teresa Stadlober war es über die letzten Jahre gewohnt, die Beste zu sein. Ich habe für mich auch den Anspruch, der Beste zu sein. Ich habe das Gefühl, dass wir uns anstacheln. Die Teresa hat ja auch noch einmal einen Schritt gemacht.

Apropos Schritt. Sie sind vor einigen Jahren nach Lillehammer übersiedelt. Wie wichtig war diese Entscheidung für Ihre Entwicklung?

Der wichtigste Grund, warum ich jetzt da stehe, wo ich bin, war der Schritt nach Lillehammer. Ich bin in Norwegen in eine Langlauf- und Sportkultur reingekommen, in der man als junger Sportler nur wachsen kann.

Was meinen Sie?

Man redet ja immer, wie gut in Norwegen der Spitzensport funktioniert. Und natürlich stimmt das, aber was dort zehn Mal besser funktioniert, ist der Breitensport. Sport wird in Norwegen als etwas Schönes wahrgenommen. Es ist cool, wenn ein Norweger gewinnt, aber du wirst nicht bewertet, ob du gewonnen hast, sondern nur als Mensch wahrgenommen. Das ist bei uns in Österreich leider anders.

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