Nachtslalom am Semmering: 80. Sieg für Shiffrin, Rückschlag für ÖSV
Wiedergutmachung, Teil drei: Das Weltcup-Triple am Semmering sollte den österreichischen Technikerinnen in dieser Woche zum Schritt aus der Talsohle verhelfen. Nachdem das Unterfangen im ersten Riesenslalom überhaupt nicht gelungen ist (Beste war Katharina Liensberger auf Platz 13) und im zweiten mit Ausnahme von Ricarda Haaser (Achte) ebenfalls nicht wirklich, sollte es am Donnerstag nun der Nachtslalom richten.
Jedoch: Vor 8.000 Zuschauern an der niederösterreichisch-steirischen Landesgrenze brillierten abermals nicht die ÖSV-Frauen, sondern die Beste ihrer Zunft: Mikaela Shiffrin feierte ihren 50. Weltcupsieg im Slalom, eine Zahl, die noch kein Mensch erreicht hat, und den 80. insgesamt. Das haben immerhin schon ihre US-Landsfrau Lindsey Vonn (insgesamt 82) und der Schwede Ingemar Stenmark (86) geschafft. Auf den Plätzen landeten Shiffrins Teamkollegin Paula Moltzan (+0,29), die erstmals aufs Weltcup-Podest in einem Slalom steigen durfte (im Parallelbewerb von Zürs war es ihr bereits anno 2020 gelungen, als die 28-Jährige ebenfalls Zweite wurde), und die Deutsche Lena Dürr (+0,34).
Reine Kopfsache
„In den Trainingsläufen fährt sie wirklich gut, aber den Ausfall im zweiten Slalom-Lauf von Killington hat sie nach wie vor irgendwie im Kopf“, sagte Livio Magoni, der Trainer von Katharina Liensberger, der bereits Tina Maze und Petra Vlhova an die Weltspitze geführt hatte. Was der Italiener damit meinte, zeigte die Vorarlbergerin am fünften Tor des ersten Laufs: ausgerutscht, zurückgestiegen, 5,48 Sekunden Rückstand auf die Bestzeit von Mikaela Shiffrin, Platz 51, Qualifikation für den zweiten Lauf außer Reichweite.
„Mich hat’s hinten reingedrückt, und dann war es halt ganz schnell vorbei“, sagte Liensberger. „Momentan läuft es nicht leicht von der Hand, es ist richtig schwierig. Es ist eine Herausforderung, die ich jetzt einfach annehmen muss. Und ich hoffe, dass es mich stärker macht.“ Will man das Positive mitnehmen, wie es die Slalom-Weltmeisterin zu tun pflegt: Im zweiten Sektor war sie die Viertschnellste, im dritten die Zweitschnellste, im vierten die Sechstschnellste. Doch drei Teile ergeben noch kein komplettes Puzzle.
Zwischen Vorsicht und Risiko
Eine andere Herangehensweise wählte Katharina Truppe, die am Mittwoch ihren sechsten Zwischenrang durch den Ausfall im zweiten Riesenslalom-Lauf entwertet hatte: Die verunsicherte Kärntnerin übte sich in Zurückhaltung, kam aber immerhin ohne Probleme und mit 1,59 Sekunden Rückstand auf Shiffrin ins Ziel, das ergab Halbzeitrang neun. „Es war okay, würde ich sagen. Oben habe ich schwer in den Lauf gefunden, der Mittelteil war in Ordnung, aber der Zielhang war dann auch nicht ganz ideal.“ Doch statt des erhofften Angriffs im Finale schaffte es Katharina Truppe nicht, die Handbremse zu lösen - so gab es unterm Strich Platz 13 (+2,22).
Franziska Gritsch kam nach einem starken zweiten Durchgang (Laufbestzeit!) noch vom 23. auf den 14. Rang (+2,40). „Es ist im Moment oft einmal ein bissl mühsam und frustrierend, insofern ist das heute gerade recht gekommen", erklärte die Tirolerin. Katharina Huber (23./+3,37) und Lisa Hörhager (27./+3,84) konnten hingegen nicht mehr zulegen. Immerhin: Hörhager war bei ihrem zweiten Weltcup-Einsatz nach Zagreb 2021 mit Startnummer 55 auf Halbzeitrang 25 (+3,34) gekommen.
Marie-Therese Sporer (41./+4,35) verpasste hingegen die Qualifkation für das Finale ebenso wie die Weltcup-Debütantinnen Valentina Pfurtscheller (46./+4,82) und Sophia Waldauf (50./+5,41). Und Chiara Mair fügte ihrer Kombination aus den Langzeitfolgen einer Gehirnerschütterung und allgemeiner Verunsicherung einen weiteren Ausfall hinzu.
Zufriedene Nummer 1
„Das waren sehr, sehr guter Läufe“, sagte Mikaela Shiffrin nach getaner Arbeit. Wer sie kennt, weiß: Auf Zahlen schaut die junge Frau aus Colorado nicht, es geht ihr um den perfekten Schwung. Am Donnerstagabend war sie jedenfalls mit sich durchaus zufrieden, und das kommt nicht allzu oft vor. Denn wer sich so lange wie Mikaela Shiffrin auf diesem Niveau zu bewegen vermag, findet immer einen Anlass für Kritik.
An diesem Donnerstagabend aber war nur Freude: „Das ist das erste Mal, dass ich mit einer Teamkollegin feiern kann", sagte Mikaela Shiffrin. Und das mit gutem Grund: Man schrieb den 14. Februar 1971, als Marilyn Cochran den Slalom von Mont St-Anne vor ihrer Schwester Barbara gewann. Das gab es seither nie mehr, und am 14. Februar 1971 war Mikaela Shiffrin nicht einmal angedacht.
Und, Ski-Feinspitze wissen es: Ryan Cochran-Siegle (zweifacher Podestfahrer im Weltcup und vor allem Silbermedaillengewinner im olympischen Super-G von Peking) ist der Sohn von Barbara Ann Cochran, die 1972 in Sapporo den olympischen Slalom gewonnen hat. Und hier schließt sich der Kreis: Die Cochrans sind in Vermont daheim, wo auch Mikaela Shiffrin (an der Burke Mountain Academy) ihr skifahrerisches Rüstzeug erhalten hat. Daneben betreibt die Familie ein kleines Skigebiet.
Weiter geht's im Weltcup am 4. Jänner mit dem Slalom in Zagreb.
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