Dorfmeister vor Ski-WM: "Der große Druck verursacht Verletzungen"
Sie ist eine österreichische Skilegende, Olympiasiegerin, Weltmeisterin, hat den Gesamtweltcup gewonnen. Mittlerweile ist aus der Rennläuferin Michaela Dorfmeister eine Genuss-Skifahrerin geworden, die den Ski-Weltcup intensiv verfolgt – und auch bei der WM im Bilde ist.
Wie geht es Ihnen wenige Tage vor der WM. Sind Sie als Ex-Rennläuferin cool und gelassen oder verspüren Sie noch eine Anspannung?
Michaela Dorfmeister: Seit meinem letzten Großereignis sind fast 15 Jahre vergangen. Aber dennoch freut man sich vor jedem großen Event, weil es ja nur alle zwei oder vier Jahre stattfindet.
Hat man Sie als aktive Rennläuferin knapp vor der WM noch von der Seite anreden dürfen, oder war das gefährlich?
Nein, im Gegenteil. Man ist ohnehin fokussiert. Es kommt auch auf die Situation an. Bin ich qualifiziert, bin ich in Form, fahre ich als Favoritin dorthin.
Welche Rolle war die schwierigste. Als gejagte Favoritin?
Ja schon, weil ich habe damals dem Druck nicht standgehalten. Wenn du als Jägerin zu einer WM fährst, dann nimmst du dir selbst den Druck. Als Favoritin wiederum darfst du mit Druck nicht leichtfertig umgehen. Du musst alles machen wie davor, deinen Rhythmus beibehalten.
Sport Talk mit Michaela Dorfmeister
Können Sie den Ski-Weltcup intensiv verfolgen und stehen Sie selbst noch oft auf den Skiern?
Ich verfolge den Weltcup, weil er mich interessiert. Alleine der Generationenwechsel ist interessant, da kommen junge Läuferinnen nach, die wurden geboren, als ich meine Karriere beendet habe. So vergeht die Zeit. Selbst zum Skifahren komme ich kaum noch. Wenn, dann müssen perfekte Bedingungen herrschen, weil sonst interessiert es mich nicht mehr (lacht). Da bin ich wählerischer geworden.
Wie sind Ihre Erinnerungen an Cortina d’Ampezzo?
Sehr schöne und eine schmerzhafte Erinnerung. Ich durfte im letzten Jahr den Klassiker gewinnen. Die Strecke hat mir extrem getaugt, weil sie alles hatte. Einmal bin ich im Tofana-Schuss gestürzt, da hat dann mein Daumen in die falsche Richtung geschaut.
Was darf man sich vom ÖSV-Team diesmal erwarten oder wünschen? Wie immer die sechs Medaillen?
Wünschen darf man sich viel. Ich denke, wenn man auf die Herren und Damen je drei Medaillen aufteilt, dann klingt das durchaus realistisch und machbar. Im Riesentorlauf ist eine Medaille eher unwahrscheinlich.
Dabei gilt der Riesentorlauf als Basis-Disziplin im Skilauf. Warum hat Österreich in diesem Bereich Probleme?
Wenn ich es wüsste, würde ich es Ihnen sagen. Sie haben die Sicherheit nicht. In den letzten Jahren hatten wir auch die Masse an Läufern in diesem Bereich nicht mehr zur Verfügung. Das fängt schon im Schüleralter an, geht im FIS-Bereich weiter. Die Öffentlichkeit merkt das dann zeitverzögert im Weltcup, wenn es keine Siege mehr gibt.
Sie haben noch in drei Disziplinen Siege gefeiert, galten als Allrounderin. Weshalb geht der Trend wieder zum Spezialisieren?
Man sieht allein an den Verletzungen, dass der Druck auf den Athleten und Athletinnen immer größer wird, schon in jungen Jahren. Ein Slalom oder ein Riesenslalom ist mittlerweile fast schon eine eigene Disziplin. Wenn man früher gut im Riesentorlauf war, dann hat man auch im Super-G und in der Abfahrt mitfahren können, wenn man sich nix gepfiffen hat. Heute hat man bei den Damen noch eine Vlhova und bei den Herren einen Pinturault.
Haben Sie eine Erklärung für die vielen schweren Knieverletzungen. Was müsste sich ändern?
Es fängt auch hier bei den Kindern und Schülern an. Ein Rückschritt mit einer Änderung der Taillierung der Skier ist schwer. Jetzt fahren die Kinder mit sieben Jahren geschnittene Schwünge, dafür ist der Körper noch nicht bereit. Irgendwann sagt er, dass er nicht mehr kann und will. Daher gibt es sehr früh schwere Verletzungen. Teilweise bricht uns die Jugend im niederösterreichischen Skiverband durch Verletzungen weg. Das Material trägt viel dazu bei.
Das Damen-Team wurde von Verletzungen gebeutelt. Ist das der Grund für die bescheidenen Ergebnisse?
Auch. Nicole Schmidhofer geht natürlich ab, sie war eine Führungsperson. Tamara Tippler hat sich nun gemausert, das gefällt mir.
Bei den Herren gibt es vor allem im Slalom nach Marcel Hirscher Siegläufer und Typen.
Auf alle Fälle. Manuel Feller hat sich stabilisiert, kontrolliert seinen Schwung. Früher ist er oft ohne Hirn gefahren und hat nur Gas gegeben. Jetzt dosiert er besser. Marco Schwarz hat sich toll zurückgekämpft. Da sind gute Buam vorhanden.
Auch der Skisport ist von Corona betroffen. Das Konzept dürfte aber soweit funktionieren.
Ich denke schon, dass die Sicherheitsvorkehrungen funktionieren. Für die Veranstalter ist es natürlich eine zusätzliche Herausforderung. Ohne Zuschauer ist es aber nur halb so lustig.
ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel hat vor kurzem gemeint, die Läufer und Läuferinnen sollen so schnell wie möglich geimpft werden. Hätten Sie sich damals impfen lassen?
Wenn es als Voraussetzung gilt, dass ich Rennen fahren darf, hätte ich es gemacht. Aber jeder ist erwachsen und sollte das selbst entscheiden dürfen. Die Meinungsfreiheit ist da schon entscheidend für mich.
Peter Schröcksnadel zieht sich zurück, der ÖSV wählt einen neuen Präsidenten. Genannt werden Namen wie Michael Walchhofer und Michael Huber. Wären die eine gute Wahl?
Nichts gegen den Peter, der eine tolle Arbeit geleistet hat in den letzten Jahrzehnten. Da kann man nur den Hut ziehen. Doch es ist Zeit für einen Tapetenwechsel. Michi Huber ist sehr innovativ, Michi Walchhofer weiß natürlich, worauf es ankommt. Präsident in Österreich im Skifahren zu sein, da ziehe ich den Hut vor jedem, der sich das antut. Das ist eine schöne Drucksituation.
Sie sind in Niederösterreich tätig. Wie sehr können Jugendliche in Corona-Zeiten Skifahren?
Kinder bis Jahrgang 2012 dürfen trainieren. Natürlich haben wir viele Sicherheitsvorkehrungen, aber im Grunde genommen kann gleich wie früher trainiert werden. Ob es heuer noch Kinderrennen geben wird, werden wir noch sehen.
Wie wird es mit dem Skisport weitergehen? Skifahren ist teuer, es gibt einen Klimawandel. Wie sieht das Szenario aus?
Ich hoffe nicht, dass es so eine gravierend Entwicklung nimmt. Die Leute haben in Zeiten von Corona gelernt flexibel zu sein. Dann fahre ich mit der Familie vielleicht nicht eine Woche auf Urlaub, sondern nur ein paar Tage. Für mich als Österreicherin gehören ein paar Tage Skifahren dazu. Das sollte über die Generationen weitergegeben werden. Wir sollten es in Österreich irgendwie schaffen, dass jede Familie zumindest ein paar Tage Skifahren kann. Oder sich einfach nur bewegen und einen Bezug zum Wintersport herstellen.
Wechseln wir die Sportart und reden wir vom Fußball. Sie sind bekanntlich im Rapid-Präsidium. Überrascht Sie die Hochform der Grün-Weißen?
Es hat sich abgezeichnet in der Vergangenheit. Wir haben zwar nicht den riesigen Kader, aber doch viele junge Talente, die lernen müssen und Zeit brauchen. Nur wenige Talente kommen mit 16 Jahren und schlagen sofort ein. Die Mannschaft hat sich in den letzten Monaten sehr gut entwickelt. Es passt derzeit alles.
Ist nun der Zeitpunkt für Träume gekommen?
Träumen darf man immer, sie sind schon oft in Erfüllung gegangen. Aber realistisch wäre es jetzt noch nicht.
Wann will man den Vertrag von Trainer Kühbauer verlängern?
Da müssen Sie Zoran Barisic fragen. Der verhandelt mit dem Didi. Aber wir werden sicher auf einen grünen Zweig kommen.
Beide Wiener Klubs stehen finanziell nicht toll da. Bei Rapid fallen die ausbleibenden Zuschauer ins Gewicht. Wie lange hält man das noch aus?
Es tut extrem weh, noch dazu wenn man sieht, wie die Mannschaft spielt. Wir lernen ohnehin mit der Situation leben und hoffen, dass man bald einen Teil des Stadions wieder füllen darf.
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