Mika Vermeulen ist in diesem Winter an der Weltspitze angekommen. Nach zwei vierten Plätzen in Ruka und bei der Tour de Ski skatete der 24-jährige Steirer im 15-Kilometer-Massenstartrennen in Canmore (CAN) auf den dritten Rang – Vermeulen ist damit der erste männliche österreichische Langläufer seit 15 Jahren, der es auf das Stockerl geschafft hat. „Es ist einfach nur ein Wahnsinn“, sagte der ehemalige Nordische Kombinierer, der 2018 zu den Langläufern gewechselt ist.
KURIER: Wie sehr sind Sie von sich selbst überrascht?
Mika Vermeulen: Wenn ich nicht davon überzeugt gewesen wäre, dass ich es drauf habe, dann wäre ich heute nicht da. Mag sein, dass meine Leistungen für manche Leute unerwartet kommen. Ich habe immer gewusst, dass ich stark genug bin, um da ganz vorne mitzulaufen. Das ist auch mein Anspruch.
Sie wirken so selbstbewusst. Hatten Sie jemals Zweifel?
Im letzten Winter ist gar nichts gelaufen. Ich war oft krank, da hatte ich sehr viele Selbstzweifel. Meine große Gosch’n habe ich aber auch in dieser Phase nicht verloren. Das hat mir damals auch viel Kritik eingebracht, aber damit kann ich leben. Am Ende der Saison habe ich mir dann grundsätzliche Fragen gestellt.
Welche Fragen denn?
Warum tust du dir das an? Was fängst du mit deinem Leben an? Willst du weiter nur den Statisten in der Ergebnisliste spielen oder reißt du dich jetzt endlich zusammen? Ich habe mich dann fürs Zusammenreißen entschieden.
Was heißt das konkret?
Ich habe für mich die Entscheidung getroffen, ab diesem Zeitpunkt an jedem Tag und in jedem Training hundert Prozent zu geben. Ich habe versucht, weniger Fehler und weniger dumme Sachen zu machen. Und dann habe ich im Sommer schnell bemerkt, dass es im Training irgendwie viel leichter geht.
Heißt das, Sie waren in den Jahren vorher nicht immer richtig bei der Sache?
Jein. Es ist eh immer in kleinen Schritten nach oben gegangen. Nur in der Saison 2022/’23 bin ich richtig gestanden. Ich habe damals Entscheidungen getroffen, die nicht ganz nachvollziehbar waren. Ich habe wenig auf die Leute in meinem Umfeld gehört, denen ich eigentlich vertraue.
Warum das?
Weil ich geglaubt habe, dass ich gescheiter bin als die Welt. Und dann bin ich direkt mit dem Kopf gegen die Wand gefahren. Es war aber nicht dramatisch schlecht. Ich war 19. bei der WM, aber dafür trainiere ich nicht das ganze Jahr.
Welche Lehren haben Sie gezogen?
In erster Linie bin ich noch viel professioneller und noch viel konsequenter geworden. Für österreichische Verhältnisse war ich wahrscheinlich eh immer schon sehr konsequent, aber an der Weltspitze weht halt ein anderer Wind. Du wirst nicht Weltmeister, wenn du schlampig trainierst. Ich habe in den letzten Monaten nicht nach links und rechts geschaut, es hat in meinem Leben nur den Sport gegeben.
Haben Sie das Training umgestellt?
Ich habe viel mehr und viel härter trainiert. Und ich habe auch sechseinhalb Kilo abgenommen. Weil ich mir gesagt habe: Wenn du ein schneller Langläufer sein willst, dann solltest du vielleicht auch optisch wie ein schneller Langläufer aussehen. Aus heutiger Sicht bin ich sogar dankbar, dass ich im letzten Jahr so viel falsch gemacht habe.
Sie sind dankbar dafür?
Ja. In dieser schwierigen Zeit habe ich viel mehr gelernt als in der heurigen Saison. Im Moment scheint es nach außen so, als würde alles leicht von der Hand gehen. Aber es war im letzten Sommer gar nicht leicht im Training. Glauben Sie, es ist witzig, wenn man drei Wochen allein im Höhentrainingslager ist und dann jeden Tag drei Mal hintereinander mit den Skirollern einen Bergpass hinaufschiebt? Lustig ist etwas anderes.
Sie sind vor einigen Jahren nach Lillehammer übersiedelt. Wie wichtig war dieser Schritt?
Es war wegweisend. Wäre ich im Sommer 2020 nicht nach Lillehammer gezogen, dann würde es mich heute als Langläufer nicht mehr geben. Ich habe erst in Norwegen richtig gesehen, wie hart die Langläufer trainieren und wie viele es von denen dort gibt. Gerade nach dem ganzen Scheiß, den wir in Österreich erlebt haben mit dem Langlaufen, ist es gut, das in einem Land zu machen, in dem die Menschen in diesem Sport etwas Schönes und Cooles sehen. In Norwegen ist Langlaufen eine Kultur.
In Österreich steckt Langlaufen nach den vielen Dopingfällen der letzten Jahre in der Imagefalle.
In Österreich haben sich einige richtig bemüht, dass sie den Sport kaputtmachen. Deshalb hat das Langlaufen bei uns einen schwarzen Fleck drauf.
Haben Sie die Sorge, dass deshalb auch Ihnen Skepsis entgegenschlägt?
Ich versteh’s ja sogar nach allem, was passiert ist. Und ich kann auch nichts sagen, was nicht schon jemand vor mir gesagt hat. Für mich gibt’s in diesem Zusammenhang nur eine Sache, die wichtig ist ...
Was denn?
Ich habe nur wenige Leute um mich. Ich weiß, dass ich denen nie einmal sagen muss: „Naja, es war doch ein Schas, ich habe doch ein bisschen nachgeholfen.“ Dass mir die Leute glauben, habe ich nicht in der Hand. Ich kann nur alle einladen, an einen sauberen Sport zu glauben und etwas Schönes in ihm zu sehen. Dass sich manche schwertun, das so zu sehen, verstehe ich.
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