Petra Kronberger: "Unangebrachte Kommentare blieben im Gedächtnis"

Petra Kronberger
Zusammenfassung
- Petra Kronberger war die erste Ski-Rennläuferin mit Siegen in allen alpinen Bewerben und verfolgt nun akademische Ziele.
- Sie betont die Bedeutung von Vertrauen und Regelmäßigkeit in der mentalen Betreuung von Athleten.
- Kronberger engagiert sich in psychosozialer Beratung und verfolgt ein neues Studium in Angewandter Beratungswissenschaft.
Sie war die erste Ski-Rennläuferin, die in allen Bewerben (Abfahrt, Super G, Riesentorlauf, Slalom, Kombination) siegte. Bald könnte Petra Kronberger auch die erste alpine Doppel-Olympiasiegerin und Ex-Weltmeisterin sein, die über zwei akademische Titel verfügt. Obwohl sie nach dem frühen Karriereende als 23-Jährige noch keinen Matura-Abschluss besaß.
Viele sportliche Reifeprüfungen hatte sie hingegen auf der Piste abgelegt. Unter anderem bei der Heim-WM 1991 in Saalbach, wo am 4. Februar die WM 2025 beginnt. Und wo Petra Kronberger damals Abfahrts-Gold gewann. Selbst als dreifache Sportlerin des Jahres drängte sie abseits der Rennstrecken nie in den medialen Mittelpunkt. So gesehen ist’s nicht selbstverständlich, wenn die auch als Frau Magister bescheiden gebliebene Salzburgerin Einblicke in ihre Gedankenwelt gewährt, über ihre berufsbedingt psychosoziale Erfahrung mit jungen Menschen erzählt und das Geheimnis ihrer Fitness verrät.

1991 waren Sie zum großen WM-Aufreger geworden: Zuerst der Triumph in Abfahrt, dann der dramatische Super-G, bei dem Sie nach bester Zwischenzeit ins Ziel und damit an einer Medaille vorbei stürzten. Was blieb für Sie mehr in Erinnerung?
Beides. Mit dem Sieg in der Abfahrt war ein großer Traum in Erfüllung gegangen. Von diesem Gipfel binnen weniger Tage durch den Sturz im Super-G - bildlich gesprochen - ins tiefe Tal katapultiert zu werden, war eine unglaubliche Wucht. Und auch die unangebrachten Kommentare mancher Menschen nach dem Zielsturz blieben im Gedächtnis.
Weil Sie im Ziel nach Ihren Eltern riefen?
Ja. Meine Eltern waren selten bei Skirennen. Dementsprechend nervös waren sie, auch weil es drei Tage vor WM-Beginn den tragischen Abfahrtsunfall von Gernot Reinstadler in Wengen gegeben hatte. In einem für mich emotional und körperlich äußerst schmerzvollen Moment des Sturzes erschien trotzdem wie ein Blitz das Bild von Gernot und so war mein erster Gedanke im Zielraum von Hinterglemm, Mutter und Vater zu beruhigen, dass mir beim Sturz nichts Schlimmes passiert ist.
Wie denken Sie heute darüber, dass vor 34 Jahren wegen des Golfkrieges die Absage der WM 1991 gefordert worden war?
Ich sehe durchaus Parallelen. Leider hab’ ich das Gefühl, es wird schlimmer auf der Welt. Oder wird heutzutage mehr darüber berichtet?
Sie traten zum Jahresende 1993 zurück. Haben Sie das nachträglich betreut, zumal Sie während der Saison aus Verträgen ausstiegen und auf viel Geld verzichteten?
Nein, ich habe es nie bereut. Auch wenn ich damals auf viel Geld verzichtete und von Fans manch bösen Brief erhielt. Ich fühlte mich nicht mehr hundertprozentig sicher, mir wurden die Gefahren bei Abfahrtsrennen so richtig bewusst.
Seit ihrem frühen Weltcup-Adieu wurden und werden Rennpiste immer wieder verbreitert, entschärft. Planen verhindern an Schüsselstellen, dass Läufer in Netzen hängen bleiben. Haben Sie den Eindruck, dass die Speed-Rennen jetzt weniger gefährlicher sind?
Leider nicht.
Welche Disziplin war Ihre liebste?
Anfänglich die Abfahrt, später der Slalom und dazwischen immer jene, in der’s gerade besonders gut lief (lacht).
Sie holten nach ihrer Rennkarriere die Matura nach, schlossen ein Studium in Kunstgeschichte und Germanistik erfolgreich ab. Waren danach unter anderem Kunstführerin im Salzburg Museum. In den letzten zehn Jahren sind sie beim ÖSV nicht nur Frauenbeauftragte, sondern schließlich auch als Leiterin von „Optimal Sports“ mit den Themen Persönlichkeitsentwicklung und soziale Nachhaltigkeit engagiert gewesen. Sie erhielten 2021 ein Diplom für Lebens- und Sozialberatung. Was veranlasst eine viel gefragte Mitfünfzigerin, sich erneut auf die Schulbank zu setzen?
Mich reizt das Studium für Angewandte Beratungswissenschaften, das an der Universität für Weiterbildung in Krems seit dem Vorjahr angeboten wird, um mein Wissen und meine Erfahrungen zu vertiefen. Die zehn letzten ÖSV-Jahre waren spannend und lehrreich. Sie haben mir meine Grenzen aufgezeigt. Z. B. bezüglich der vielfältigen Einflüsse auf Menschen im Spitzenbereich, bei Konfliktlösungen oder bei Gruppen- und Rangdynamiken. Ich glaube, mit dem Studium gibt es neue und andere Möglichkeiten, dazuzulernen und meine Lebenserfahrung einzubringen.
Welche Erfahrung machten Sie als ehemalige Rennläuferin in dieser Optimal-sports-Phase beim ÖSV?
Dass es z. B. zuallererst Vertrauen braucht. Dies zu erreichen kann mitunter ein langer Weg sein. Auch bedarf es, meiner Meinung nach, in der mentalen Betreuung eine gewisse Regelmäßigkeit, wenn dies ein Athlet oder eine Athletin wünscht. In den letzten fünf Jahren dehnte sich das Angebot Optimal Sports auf 11 Sparten aus, also auf ca. 380 Athletinnen und Athleten und dem Betreuungspersonal. Meines Erachtens wird die psychosoziale Beratung zunehmend wichtiger. Der Druck, gerade auch auf junge Menschen nimmt zu, die Welt wird immer schnelllebiger. Social Media, KI (Künstliche Intelligenz), Schönheitsideale, Orientierung im Leben, Fragen zur Zukunft.
Trainerhaudegen erzählten früher mit abfälligem Unterton, dass ein Job im Frauen-Rennsport nervenaufreibender sei. Sind weibliche Topsportler schwieriger?
Ich habe in den letzten Jahren oft das Gegenteil gehört. Vielleicht dauert es länger, gegenüber Frauen ein Vertrauen aufzubauen. Sobald es das gibt, könne man, so erzählten mir Trainer, besonders gut mit ihnen arbeiten, weil ihr Wille, das auf der Piste umzusetzen, was verlangt wird, äußerst groß sei, sie schnell auf Details reagierten, viel Gefühl in die Arbeit legten, akribisch an die Umsetzung gingen, Gespräche mitunter tiefgründig sind.

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Was kostete mehr Überwindung. Intensives körperliches Training? Oder stunden – bis nächtelanges Studieren?
Für mich ist es das intensive körperliche Training.
Zieht es Sie noch oft auf Skipisten?
Zum Genussskifahren ja, wenn die Sonne scheint. In der Natur zu sein, in den Bergen – da spüre ich Freiheit, das ist besonders. Und mit Carving-Skiern, die es zu unserer Zeit noch nicht gab, habe ich eher das Gefühl, dass der Schwung gelungen ist. Das Skifahren ist für’s Freifahren einfacher geworden.
Aber Genuss-Skifahren kann nicht der einzige Grund sein, weshalb der Olympiasiegerin von 1992 die mehr als 30 Jahre alten Rennanzüge heute noch passen würden...
Dass ich noch in einen Rennanzug von damals passen würde, bezweifle ich (lacht). Ich achte, so gut es geht, auf gesunde Ernährung – ich bin seit mehr als 23 Jahren Vegetarierin – und Bewegung in der frischen Luft. Ein tempomäßig dem Alter angepasstes Lauferl gehört auch dazu. Meinen Alltag begleitet regelmäßige Meditation. Für mich ist es Nahrung für Geist und Seele.
Während Ihrer Glanzzeit wurde gemunkelt, dass die Kronberger vor Rennen die Kirche besucht.
Ich bin ein spirituell interessierter Mensch. Zudem hat mich die Architektur einer Kirche seit der Jugendzeit interessiert. Das war mit ein Grund, warum ich später das Studium der Kunstgeschichte begonnen habe.
Die Schweiz hat Österreich als die Ski-Nation Nummer 1 abgelöst. Sie sind mit einem geschätzten Schweizer TV-Kollegen liiert. Kommt es vor, dass die Dominatorin der ersten 90-er-Jahre von ihrem eidgenössischen Freund zur Zeit in Anbetracht mäßiger ÖSV-Erfolge manchmal gehäkerlt wird?
(Schmunzelt). Grundsätzlich sind wir fair zueinander. Allerdings lesen wir uns manchmal die Punkte der Nationen- und Disziplinenwertungen vor.
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