Wie erhalten Sie bei einem immer schlechter werdenden Sehvermögen Ihren positiven Zugang zum Leben?
Mein Motto lautet: „Ich schaffe das!“ Freude am Leben und Zuversicht ist eine wichtige Voraussetzung. Ich bin mit voller Sehleistung auf die Welt gekommen. Im siebenten Lebensjahr, in der zweiten Klasse, hat es begonnen, dass ich schlechter sehe. Ich bin von der letzten Bank in der Volksschulklasse ganz nach vorne gekommen. Im Alter von 13 oder 14 Jahren konnte ich nur noch aus geringster Entfernung, danach nur mehr mit der Lupe lesen. Ich musste dann die Extrameile gehen. Es gibt im Sport und im Leben Niederlagen. Wesentlich ist, nach Niederlagen wieder aufzustehen.
Sie haben trotz Ihres Handicaps immer Sport betrieben?
Die Beeinträchtigung wurde Teil meines Lebens. Wir haben in unserer Familie immer schon Sport gemacht, zuerst Leichtathletik, dann Eisschnelllaufen. Mit 18 Jahren bin ich ins Eisschnelllauf-Nationalteam gekommen. Damals habe ich versucht, meine Behinderung zu verbergen. Ich bin Radrennen und auch Motorrad ohne Führerschein gefahren – auch wenn das nicht so super schlau war. Im Kino habe ich mich immer in die letzte Reihe gesetzt, mit der Konsequenz, dass alle Filme für mich wie der Blick in eine Waschmaschine abgelaufen sind. Zum Glück waren erste Freundinnen in der letzten Reihe dabei ...
Sie sind mit der Behinderung nicht offen umgegangen?
Ich habe am Anfang so getan, als gäbe es sie nicht. Erst mit 20 habe ich dazu stehen können. Es ist mir klar geworden, dass ich mich anders organisieren muss, wenn ich ein Studium machen will. Ich konnte nicht alleine Hunderte von Seiten bewältigen.
Dass Sie mit dem Eisschnelllauf aufgehört haben, hatte in erster Linie mit den Augen zu tun?
Ich hatte schon einen Nachteil, habe es aber trotzdem bis zum Staatsamateur mit Sportstipendium geschafft und bin sogar einen Rekord über 10.000 Meter gelaufen.
Wären Sie so gut wie Ihr Bruder Michael geworden, der 1988 zwei Olympia-Medaillen gewonnen hat?
Nein – und das hat gar nichts mit dem Sehen zu tun. Ich habe aufgehört, weil ich nicht jeden Tag Schmerzen haben wollte beim Trainieren. Kraft-Ausdauersport ist extrem hart. Wenn man zwei Mal 150 Kniebeugen mit 60 Kilo macht, da brennt es dann ordentlich in den Muskeln. Ich habe nicht die Fähigkeiten wie der Michi gehabt, der konnte über den Schmerzpunkt besser drüber gehen.
Für die Paralympics ist es sich dann ausgegangen ...
Ja, 2006 war ich als Skifahrer dabei. Der Behindertensport hat sich großartig entwickelt. Ich habe damals, als ich Weltcup und Paralympics gefahren bin, täglich trainiert. Das war gar nicht so einfach für jemanden, der ein Unternehmen mit damals 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und einer Viertelmilliarde Umsatz führt. Das erfordert sehr viel Disziplin und Training – entweder sehr früh oder ganz spät nach dem Büro. Aber es hat sich gelohnt. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, bei den Paralympics in Turin ins volle Stadion einzumarschieren.
Der Sport hat Sie also nie losgelassen?
Als ich von Tirol nach Wien gekommen bin, habe ich den Sport eine Zeit lang vernachlässigt. Mir war wichtig, ein Unternehmen aufzubauen. Für den Körper war das nicht super. Zuvor hatte ich 78 Kilo Kampfgewicht, doch dann ging es rasch in Richtung 90 Kilo, die sich aber an den falschen Stellen angesammelt haben. Irgendwann habe ich mir gesagt: Schluss mit lustig. Seit dieser Zeit gehört das Training wieder zum Alltag.
Welche Rolle spielt der Sport heute noch?
Vier oder fünf Mal die Woche setze ich mich in der Früh aufs Radl und mache rund ein bis eineinhalb Stunden Krafttraining mit Gewichten. Sport war mir immer wichtig, um den Kopf freizubekommen. Für mich macht es ob meiner Behinderung doppelt Sinn, mich fit zu halten. Ich war beispielsweise kürzlich beruflich in Miami. Auf dem Gehsteig bin ich plötzlich ins Leere getreten und hingefallen. Ich habe mir aber nur den Anzug aufgerissen – meine Körperspannung hat noch gereicht, um mich abzustützen und nicht voll aufs Gesicht zu fallen.
Was würden Sie als Sportminister an Ihrem ersten Tag beschließen?
Ich möchte die Sportpolitik loben – da wurde in den vergangenen Jahren wirklich viel getan. Ich wünsche mir aber, dass der Inklusion von Menschen mit Behinderung noch mehr Raum gegeben wird. Was ganz klar ist: Bei der Sportinfrastruktur haben wir massiven Nachholbedarf. Das müssen nicht nur große Stadien oder Hallen sein – jeder Käfig mit Basketballkörben hilft. Außerdem sollten die Turnsäle auch in den Ferien offen sein, nicht nur dann, wenn die Schulerhalter das wollen. Das sind Schwächen im System, die es immer schwerer machen, Sportler auszubilden, wenn die Konkurrenz die immer verfügbare Spielkonsole ist.
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