Natürlich lebt noch die Hoffnung. Selbstverständlich hat Hannes Reichelt noch eine allerletzte Chance. Und sicher sollte man gerade einen wie ihn nie abschreiben. Doch wer den Routinier am Freitag bei seiner Fahrt über die Kandahar-Piste von Garmisch sah, verunsichert, weit weg von Ideallinie und Form früherer Tage, der musste zwangsläufig den Eindruck bekommen, dass die WM in Cortina wohl ohne den 40-Jährigen stattfinden wird.
Die wegwerfende Geste, mit der Reichelt seinen Ausfall in der letzten Abfahrt vor der WM quittierte, steht stellvertretend für die bisherige Saison des Radstädters. Der Salzburger kommt nach seiner Kreuzbandverletzung, die er Ende Dezember 2019 erlitten hatte, einfach nicht mehr in Fahrt. Hannes Reichelts Bewerbungsschreiben für das WM-Team ist dünn und umfasst nur einen 16. und einen 18. Platz.
Letzte Chance
Es bräuchte heute im Super-G von Garmisch schon ein kleines Ski-Wunder, dass der letzte österreichische Weltmeister in einem Speedbewerb (Super-G 2015) noch ins Aufgebot für Cortina rutscht. „Die Chancen sind sehr gering“, weiß der 40-Jährige.
Einfach nur dabei sein, obendrein bei einer WM, die ohne Zuschauer, aber dafür mit umso mehr Corona-Sicherheitsmaßnahmen über die Bühne gehen wird, ist nicht der Anspruch des Salzburgers. „Nur mit Mühe und Not qualifizieren ist nicht mein Ziel. Sonst will ich eh nicht hin.“
Sollte Reichelt in Cortina fehlen, dann ist er einer von vielen namhaften Abwesenden bei der WM im Olympiaort von 1956. Auch in diesem Winter hat der Verletzungsteufel ganze Arbeit geleistet.
Lange Verletztenliste
In der ungeliebten Zuschauerrolle finden sich die Sieger von acht Saisonrennen. Sofia Goggia war das letzte namhafte Sturzopfer: Die Italienerin, die die vergangenen vier Abfahrten gewinnen konnte, verpasst die Heim-WM, nachdem sie sich beim abgesagten Rennen in Garmisch beim freien Skifahren eine Fraktur des Schienbeinkopfes zugezogen hatte.
Gesamtweltcupsieger Aleksander Aamodt Kilde, der zwei Siege verbuchen konnte, fehlt ebenso wie sein norwegischer Landsmann Lucas Braathen, Riesentorlaufsieger von Sölden, sowie der -Amerikaner Ryan Cochran-Siegle, der den Super-G in Bormio gewonnen hat. Dazu kommen Tommy Ford (USA), Urs Kryenbühl (SUI) und Atle Lie McGrath (NOR), die alle in diesem Winter auf dem Stockerl standen.
Die Verletztenliste umfasst noch viel mehr Namen, kaum eine Nation blieb verschont. Im Lager der Österreicher hat vor allem das Damen-Team etliche Ausfälle zu beklagen. Mit Nicole Schmidhofer und Nina Ortlieb (beide schwere Knieverletzung) fehlen jene beiden Läuferinnen, die für die letzten beiden Speedsiege verantwortlich waren. Bernadette Schild und Ricarda Haaser, die in Normalform wohl im WM-Team aufscheinen würden, stehen ebenfalls wegen Verletzungen und Operationen nicht zur Verfügung.
Doch es gibt auch positive Meldungen aus dem riesigen Ski-Lazarett. So meldete sich der Deutsche Thomas Dreßen rechtzeitig zur WM nach seiner Hüft-OP zurück und ging in Garmisch bereits als Vorläufer über die Piste. Und dass sein bayrischer Kollege Josef Ferstl nach seinem wilden Abflug auf der Kandaharpiste gestern selbst ins Ziel fahren konnte, war alles andere als selbstverständlich.
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