Goldberger: "Die Leute mögen mich"

… und, bevor ihm der Schnee in die Nase gestiegen ist, Andreas Goldberger. Der Heilige Gral der ...
Der ehemalige Skisprung-Star über Popularität und Fehler in der Vergangenheit und warum er nicht mehr der Goldi sein will.

Andreas Goldberger wird am 29. November 40 Jahr jung.

KURIER: Herr Goldberger, man sieht Ihnen die 40 Jahre nicht an. Was ist das Geheimnis Ihrer Jugend? Eine Spezial-Creme?
Andreas Goldberger: Ich bin keiner, der Cremen schmiert. Aber danke für die Komplimente. Dafür hatte ich mit 20 genau das andere Problem: Da haben sie mich beim Fortgehen nirgends ohne Ausweis reingelassen.

Wie geht’s Ihnen so mit 40?
Bin ich halt 40 und nicht mehr 39, mein Gott. Krise habe ich deshalb jedenfalls keine. Was aber stimmt: 40 ist so eine Art Umkehrpunkt, das spüre ich auch selbst.

Was spüren Sie denn?
Es geht einfach alles nicht mehr so leicht. Als Junger habe ich jeden Tag Vollgas gegeben, jetzt brauch’ ich einen Tag Pause. Es fällt mir schwer, das zu akzeptieren, das belastet mich auch mehr als das Alter. Ich will nicht wahrhaben, dass mein Körper abbaut.

Wenn Sie heute einen Fragebogen ausfüllen müssen: Was steht beim Kästchen Beruf?
Das habe ich mir auch schon öfter überlegt. Mich fragen immer wieder Leute: ,Hey, was tust du überhaupt?‘

Und was antworten Sie dann?
Ich sag immer: ,Ich bin Selbstständiger.‘ Stimmt ja auch. Ich mache extrem viel, aber im Endeffekt mach’ ich gar nichts. Vielleicht trifft es Skisprung-Mentor ganz gut, ich will was für das Skispringen tun. Deswegen die Kamerasprünge oder der Goldi-Talentecup. Ich hab’ dem Sport alles zu verdanken. Ohne das Skispringen würde es mich so nicht geben.

Haben Sie sich je Gedanken darüber gemacht, was sonst aus Ihnen geworden wäre?
Dann hätte ich sicher einen handwerklichen Beruf erlernt. Zimmermann oder Maurer, ein Bürojob wäre nichts für mich gewesen. Im Notfall hätte ich von meinen Eltern den Bauernhof übernommen. Dann wäre ich jetzt halt in Waldzell.

So gehören Sie jetzt zu den berühmtesten und beliebtesten Sportlern Österreichs.
Meine Triebfeder war nie, berühmt oder beliebt zu werden. Ich wollte am Weitesten springen. Aber mir war schon wichtig, dass mich die Leute gern haben. Dass sie sagen: ,Hey, des is’ ein netter Bursch.‘ Ich wollte bei den Menschen ankommen.

Sie waren ja der Goldi der Nation. Und dann noch ihre roten Wangen und das Engelsgesicht.
Da hatte ich schon auch das Glück, dass ich vom Naturell her so bin, dass mich die Leute mögen. So etwas kann man auch nicht züchten. Die Menschen haben gemerkt: ,Das ist einer von uns.‘

Wie schwierig war denn für Sie das Leben als Superstar?
Eigentlich war es voll lässig. Du bist jung, alles funktioniert, du denkst nicht viel darüber nach, was rund um dich passiert. Natürlich hat es auch schlechte Seiten, wenn du so im Mittelpunkt stehst.

Sie sprechen Ihren Kokain­konsum an, der Ihnen viel Kritik und eine Sperre durch den ÖSV eingebracht hat.
Ich bin damals von einem Tag auf den anderen vom Sport-Helden zum Kriminellen geworden. Plötzlich sitzt du vor Gericht, wirst verhört, hast eine Hausdurchsuchung. Als ob ich ein schwerer Krimineller wäre. In der Zeit habe ich viel gelernt für das Leben.

Zum Beispiel?
Zum Beispiel: Durch ein Mal einen Blödsinn machen, kannst du dir das ganze Leben verhauen. Ich war ja bis dahin der Meinung: Das Leben ist schön, das Leben ist fair, das Leben ist ehrlich, es geht eh immer alles gut aus, und dann habe ich plötzlich gemerkt: ,Hoppla, es gibt eigentlich falsche Hund’ auch.‘ Das war mir so nie bewusst, in der Hinsicht war ich viel zu leichtgläubig. Und was ich auch war: Ich war vom Leben enttäuscht.

Enttäuscht vom Leben?
Ich war enttäuscht, dass das Leben solche schlechten Seiten auch hat. Das hat mir völlig die Sicherheit und das Selbstvertrauen genommen. Ich war immer einer, der fröhlich durchs Leben gegangen ist. Auf einmal habe ich den Kopf eingezogen und nur mehr gedacht: ,Bitte schaut’s mich nicht an.‘ Jeder hat auf mich gezeigt. Das ist der, der was Schlechtes gemacht hat.

Noch größer war der Aufschrei, als Sie verkündet hatten, für Jugoslawien starten zu wollen.
Ich war gesperrt und hab’ gewusst: Wenn ich springen will, dann muss ich für ein anderes Land starten. Für mich war nur wichtig: starten, egal für wen. Als Sportler denkst du in solchen Situationen nicht nach.

Und was haben Sie sich dabei gedacht, als Sie den Tschetnik-Gruß gemacht haben?
Das war reine Unwissenheit. Ein Journalist hat zu mir gesagt: ,Zeige einmal so in die Kamera, mit den drei Fingern.‘ Ich hab’ nicht gewusst, was das bedeutet. Ich hab’ mir gedacht, das ist das Peace-Zeichen. Auch da war ich zu leichtgläubig

Haben Sie eine Erklärung dafür, warum die Menschen Sie trotz all Ihrer Affären so mögen?
Ein anderer wird fallen gelassen, ich weiß. Vielleicht liegt es daran, dass ich nie der Typ war, der sich versteckt und nach Ausreden gesucht hat. Ich hätte ja auch alles abstreiten können. Aber ich hab’ gesagt: ,Aus, ich hab’ da einen Scheiß gebaut.‘ Sicher, in der Zeit habe ich viele Sympathien verloren. Aber das Schlimmste, was du verlieren kannst, ist dein Gesicht und deine Selbstachtung. Sportlich hat mich die Geschichte aber zurückgeworfen.

Sie haben schließlich 2005 Ihre Karriere beendet. Wie ist es Ihnen dabei ergangen? Manche Sportler fallen ja in ein Loch.
Am Anfang habe ich mich überhaupt nicht mehr ausgekannt. Als Sportler musst du dich ja um nichts kümmern: Da musst du im Grunde nur trainieren, essen und schlafen, sonst nichts, alles andere wird dir abgenommen. Und auf einmal bist du allein und sollst plötzlich deinen Tagesablauf planen und denkst dir: ,Komisch. Was tust du jetzt?‘

Und was haben Sie getan?
Ich habe sofort bei der Firma vom Edi Federer angefangen. Damit ich zurück ins normale Leben komme. Ich habe geschaut, dass ich mich wieder eingliedere, neue Freude finde. Mir war auch wichtig, dass ich dabei keinen Sonderstatus bekomme, nur weil man mich kennt.

Wie geht es Ihnen eigentlich dabei, dass Sie für die Leute immer noch der Goldi sind? Goldi ist doch kein Name für einen 40-Jährigen.
Deshalb stelle ich mich jetzt auch nur mehr als Andi vor. Ich bin keinem böse, wenn er zu mir Goldi sagt, die Leute haben mich so kennengelernt. Ich war halt im Endeffekt einfach der Goldi. Aber Goldi klingt irgendwie so lieb und verniedlichend. Meine Eltern und Geschwister sind die einzigen, die Andreas sagen. Sobald ich Andreas höre, dann reißt’s mich. Weil ich dann weiß: Entweder es ist wer von meiner Familie da, oder ich hab’ was angestellt.

Apropos Familie. Man weiß relativ wenig über Ihr Privatleben. Leben Sie bewusst so diskret?
Als Aktiver wollte ich das auch nie. Jetzt weiß eh ein jeder, dass ich seit sieben Jahren mit der Astrid zusammen bin, irgendwann wird es auch Kinder geben. Ganz früher habe ich zur Freundin gesagt: ,Als erstes kommt der Sport, dann die Familie, danach kommst du.‘ Ich weiß, das klingt jetzt beinhart, aber anders geht es als Sportler nicht.

Edi Federer war jahrelang Ihr Manager und Begleiter. Wie wichtig war er für Ihre Karriere?
Er war extrem wichtig, aber nicht nur für die Karriere. Der Edi hat mir immer viel Druck und Arbeit abgenommen. Er war wie ein Puffer für mich, er hat sich oft als Böser und als Sündenbock vor mich hingestellt, weil er mich beschützen wollte. Und er hat viele Türen für mich geöffnet. Leider ist er viel zu früh gestorben. Er geht mir extrem ab. Es tut weh, dass ein Mensch, den früher nichts umgehaut hat, so einen qualvollen Tod hat.

Auch dank Federer haben Sie in Ihrer Zeit sehr gut verdient. Haben Sie eigentlich ausgesorgt?
Das hängt ganz davon ab, was für einen Lebensstil man hat. Ich hatte super Verträge und auch das Glück mit der Steuerregel für Sportler. Ich glaube, so wie ich lebe, käme ich über die Runden. Ich bin eher bescheiden, kein Protzer oder Zocker. Einige Fußballer kämen mit dem Geld vielleicht nur drei Jahre aus, aber ich könnte mir das einteilen. Eine Yacht auf Ibiza ginge sich aber nicht aus. Und fünf Frauen könnte ich mir auch nicht leisten.

Stationen 22.3.1992

Der Jungstar holt sich Silber bei der Skiflug-WM in Harrachov trotz Sturz. Die Medaille bekommt er im Krankenhaus.

3.1.1993

Er gewinnt in Innsbruck seinen ersten Weltcup-Bewerb. Drei Tage später siegt er auch in Bischofshofen und holt sich den Gesamtsieg bei der Vierschanzentournee

21.2.1993

Goldberger wird in Falun Dritter auf der Großschanze und holt sich damit seine erste Medaille bei einer nordischen WM.

17.3.1994

Goldberger fliegt in Planica als Erster über 200 Meter, kann den Sprung aber nicht stehen. Der Finne Toni Nieminen steht am selben Tag einen Flug auf 203 Meter und geht in die Geschichtsbücher ein.

11.2.1996

Goldberger feiert den ersten großen Erfolg seiner Karriere und gewinnt am Kulm die Skiflug-WM. Es soll die einzige Einzelgoldmedaille seiner Karriere bleiben. 

9.3.1996

Er gewinnt das Skifliegen in Harrachov und holt sich damit den letzten seiner 20 Weltcupsiege.

Herbst 1997

Goldberger ist auf dem Höhepunkt der Beliebheitsskala angelangt. Er veröffentlicht mit 24 Jahren seine Biografie "Absprung. Mein Leben im Höhenflug". Anton Polster ist bei der Präsentation dabei.

20.4.1997

Goldberger sagt im ORF: "Ich habe einmal Kokain probiert." Es folgt eine knapp sechsmonatige Sperre des ÖSV. Danach kommt es zu keiner Einigung und zum Ansuchen um die jugoslawische Staatsbürgerschaft. Zwei Wochen darauf wird er wieder eingebürgert.

18.3.2000

Er stellt in Planica mit 225 Metern den Skiflug-Weltrekord auf. "Es hat sich bezahlt gemacht, dass ich weitergekämpft habe und immer wieder aufgestanden bin. Mit dem Weltrekord hat sich ein Lebenstraum erfüllt", sagt er.

29.3.2005

Er beendet seine Karriere. Seinen letzten Sprung-Auftritt hat er am 13.1.2006 bei der Skiflug-WM am Kulm. Hubert Neuper veranstaltet an diesem Tag "A Tribute to Andreas Goldberger".

10.3.2006

Die zweite Staffel der ORF-Show Dancing Stars beginnt. Andreas Goldberger erreicht mit Partnerin Julia Polai den zweiten Platz.

16.5.2009

Goldberger arbeitet als TV-Experte und springt mit Helmkamera. Er ist gern gesehener Gast bei Society-Events. Zusammen mit Thomas Morgenstern besucht er den Life Ball.

4.6.2012

Edi Federer wird zu Grabe getragen. Als väterlicher Freund managte er "Goldi". "13 Jahre Goldberger waren wie 50 Jahre Leben", sagte Federer. Er starb am 30. Mai 2012 an einer Nervenerkrankung. 

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