KURIER: Du hättest sicher viele Follower und dadurch gute Werbeeinnahmen.
Franz Klammer: Nein danke. Ich bin weder auf Instagram noch auf Facebook, Tiktok oder einer anderen Plattform. Das tue ich mir in meinem Alter nicht an. Manche Influencer mögen wertvolle Tipps haben. Aber generell halte ich die Entwicklung für problematisch. Ich habe den Eindruck, dass die Leut’ vor lauter Handyschauen kaum noch reden miteinander. Gerade im direkten Gespräch werden am ehesten Vorurteile abgebaut. Früher wart ihr Journalisten ja mittendrin statt nur dabei. Ihr habt nicht alles geschrieben, was ihr gewusst habt. Die heutigen Sportler stehen dagegen selbst in der Freizeit unter Beobachtung, weil irgendwer immer ein Handy hat und ein Foto ins Netz stellt, um einen Skandal zu inszenieren.
Am 3. Dezember wirst du 70, am 22. werden’s genau 50 Jahre her sein, seit du in Schladming dein erstes Weltcuprennen gewonnen hast. Auf einer vereisten, welligen Planai. Zur Absicherung hat’s nur Strohballen gegeben ...
...und die waren steinhart gefroren wie Beton. Die ersten Netze hat’s erst bei der WM 1982 in Schladming gegeben. Auch was sich 1973 nach dem Rennen abspielte, war unvorstellbar. Wegen der Ölkrise musste in Österreich ein autofreier Tag eingehalten werden. Zur Kontrolle musste man ein Pickerl an die Scheibe kleben.
Jetzt sind andere Kleber am Werk. In Gurgl erzwangen sie in der entscheidenden Phase des Weltcupslaloms eine Unterbrechung. Fandest du die Aktion okay?
Nein. Bei allem Verständnis für die Klimasorgen: Warum wurde ein nachweislich sauberes Rennen gestört, bei dem die Veranstalter auf Umweltschutz besonders viel Wert legen? Warum wird von den Aktivisten nicht bei der Formel 1 protestiert, wo das x-Fache an CO2 verursacht wird? Aber reden wir lieber noch einmal ...
... vom Dezember 1973?
Damals war knapp vor Weihnachten im Ennstal die Straße Richtung Süden total verstopft. Weil Zigtausend aus Deutschland kommende Gastarbeiter ins damalige Jugoslawien auf Heimaturlaub gefahren sind. Mit dem Hubschrauber sind der Charly (= Trainer Karl Kahr) und ich zum ORF nach Wien geflogen worden. Ins Bett sind wir erst am nächsten Tag in der Früh gekommen.
Charly Kahr soll auch sonst während des ganzen Rennwinters mit rekordverdächtig wenig Schlaf ausgekommen sein. Habt ihr noch Kontakt?
Soeben haben wir telefoniert. Mit seinen 91 Jahren ist er noch recht gut beinand’. Ich habe ihn zu meinem Fest am 7. Dezember nach Bad Kleinkirchheim eingeladen. Es werden auch sehr viele Olympiasieger kommen.
Gemeinsam mit Toni Sailer hatte Kahr das Betreuerduo gebildet, als von dir eine Weltcupabfahrt nach der anderen und schließlich auch die Olympiaabfahrt 1976 am Innsbrucker Patscherkofel gewonnen wurde. Im Zuge der Me-too-Debatte sind die Beiden negativ ins Gerede gekommen.
Ich empfand es enttäuschend schwach und unfair, wie man den Toni, als er sich nicht mehr wehren konnte, zehn Jahre nach seinem Tod öffentlich angepatzt hat.
Inzwischen sammeln deine Landsleute auffallend viel Gold, angefangen vom Olympiasieger 2002 Fritz Strobl. Getreu des Werbespruches, wonach Kärnten a Wahnsinn is. Warum?
Das Mirnock ist unser Hausberg. Vom Matthias Mayer, vom Marco Schwarz, von mir. Auch die Anna Gasser wohnt nicht weit weg. Das Mirnock ist unser Kraftberg.
Als ich 1979 beim Sommertraining auf Sardinien mitmachen durfte, war nicht zu übersehen, wie überlegen du bei Kraft- und Konditionsübungen deinen Teamkollegen gewesen bist. Auch heute trennt dich optisch wenig von der einstigen Rennfahrer-Statur. Geheimes Training?
Ich spiel’ Golf. Fahr’ viel mit dem Radl. Aber nur in freier Natur. Am Ergometer ist’s mir fad. Dazu bin ich schon zu faul.
Anders als zu Deiner Rennläuferzeit kann man jetzt als Wiener Journalist zum Klammer-Interview mit der U-Bahn fahren. Fühlt sich denn ein Skiheld der Berge in der Zwei-Millionenstadt überhaupt wohl?
Seit 1993 wohnen wir gleich neben der Mauer vom Lainzer Tiergarten. In Hietzing mit Blick auf die Hermes Villa. Meine Töchter besuchten in Wien die Schule. Die eine hat ihr Jusstudium absolviert. Die andere hat mich zum Opa vom fünfjährigen Felix, vom dreijährigen Alexander und von der eineinhalbjährigen Johanna gemacht. Ein wunderschönes Gefühl. Meine Frau Eva hat mit 50 noch einmal an der Wiener Uni ein Geschichtsstudium begonnen. Uns gefällt es im 13ten.
Im Film wird Eva von Valerie Huber gespielt. Wie oft hast du den Film seit der letztjährigen Premiere gesehen?
Sechs Mal. Unter anderem auch in Aspen. Dort wurde der Film mit Untertiteln gezeigt. Das einzige, was mich an dem Film nicht wirklich begeistert hat, war die Übersetzung. Ohne Dialekt wirkt mir das Gesagte zu wenig authentisch.
1984 hat dein Abfahrtssieg am Hahnenkamm noch einmal enormen Jubel ausgelöst. Wenige Wochen später erfolgte die Ernüchterung, weil bei Olympia in Sarajewo nicht einer der favorisierten Österreicher, sondern der US-Amerikaner Bill Johnson die Abfahrt gewann. Gab’s nach deinem Karriereende noch Kontakt zu ihm?
Über die Klammer-Stiftung haben wir eine Operation in den USA für Bill finanziert. Er wollte trotz schwerer Gehirnerschütterungen noch als 40-Jähriger starten. Er ist nur 55 Jahre alt geworden.
Auch in deiner Familie gab’s nicht immer Sonnenschein. Im Februar 1977 musste dein jüngerer Bruder Klaus nach einem Sturz in der Europacup-Abfahrt oberhalb von Lienz folgenschwer lange verletzt im kalten Schnee liegen. Weil die Rettungskette nicht funktionierte, sitzt er seither im Rollstuhl.
Klaus ist ein Vorbild für uns alle geworden. Er zeigt, wie man sein Schicksal meistern kann. Er hat eine Steuerkanzlei aufgebaut. Mittlerweile ist er in Pension. Meine Steuersachen macht Klaus aber nach wie vor für mich.
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