Der Oldie ist immer noch ein Schlager

Auf Viertelfinalkurs: Jaromir Jagr und seine Kollegen rechnen heute mit drei Punkten gegen Österreich.
Das Team um den 43-jährigen Jaromir Jagr versetzt Tschechien in Ausnahmezustand. So steht's im Spiel gegen Österreich.

Prag, 15 Uhr. Es riecht nach Pivo und Klobása.

Es liegt aber weit mehr in der Luft als der Duft tschechischer Spezialitäten. Tschechien im Allgemeinen und Prag im Speziellen sind vom Eishockey-Fieber befallen. Zigtausende Fans aus Schweden, Lettland, Deutschland, der Schweiz, Österreich, Frankreich und Kanada ziehen durch die Altstadt und geben der pittoresken Kulisse wunderbar bunte Farbtupfer.

Die 16 besten Eishockey-Nationalteams der Welt sind im Land – vor allem aber das tschechische. Wann immer der Gastgeber das Eis betritt, herrscht Ausnahmezustand, gestern wurde Frankreich mit 5:1 abgefertigt.

Der Oldie ist immer noch ein Schlager
ABD0153_20150506 - PRAG - TSCHECHIEN: IIHF EISHOCKEY-WELTMEISTERSCHAFT GRUPPE A - Ein Fan aufgenommen am Mittwoch, 6. Mai 2015, anl. der IIHF-Eishockey-Weltmeisterschaft in der O2-Arena in Prag. - FOTO: APA/HELMUT FOHRINGER
Das heutige Spiel gegen Österreich (16.15 Uhr, ORF Sport+,zum Live-Spielstand) war innerhalb von 50 Minuten ausverkauft. In die WM-Arena passen 17.383 Fans, ein Ticket kostet mit 60 Euro etwa ein Siebentel des tschechischen Durchschnittseinkommens. Eishockey ist es vielen Tschechen wert: Die Extraliga hat mit 5113 einen höheren Zuschauerschnitt als die Fußballliga mit 4763.

Wer keine Karte mehr bekam oder sich keine leisten kann, der vergnügt sich in einer der vielen "Fanzonys" in der Stadt, wie die Plätze auf Neutschechisch genannt werden. Zum Beispiel auf dem Wenzelsplatz oder vor der Arena, wo noch einmal gut 3000 Zuschauer feiern.

Die meisten von ihnen heißen Jaromir Jagr, wenn man dem Schriftzug auf ihrem Trikot glauben darf. Jagr ist allgegenwärtig in Prag. Und er ist auch das Um und Auf im tschechischen Team. In den ersten Spielen war er der Beste, gegen Frankreich schoss er sein drittes Tor bei dieser WM. Auch wenn der Mann mit der berühmten Nummer 68 auf dem Trikot 43 Jahre alt ist. Die 68 trägt er als Andenken an seinen Großvater, der während des Prager Frühlings 1968 als politischer Häftling im Gefängnis verstorben ist.

Rückkehr

Der Oldie ist immer noch ein Schlager
ABD0137_20150506 - PRAG - TSCHECHIEN: IIHF EISHOCKEY-WELTMEISTERSCHAFT GRUPPE A - Ein Fan aufgenommen am Mittwoch, 6. Mai 2015, anl. der IIHF-Eishockey-Weltmeisterschaft vor der O2-Arena in Prag. - FOTO: APA/HELMUT FOHRINGER
Wenn Jagr in der National Hockey League für einen Vertrag bei den Florida Panthers bis 2016 gut genug ist, muss er es auch im Nationalteam sein: Obwohl er letztes Jahr seine Teamkarriere offiziell beendet hatte, kehrte er zurück. Zu groß war der Wunsch, noch einmal Großes zu erreichen. Speziell in Prag, wo bei der letzten WM 2004 im Viertelfinale Endstation war.

Teamchef Vladimir Ruzicka hatte im Gegensatz zu den letzten Jahren keine großen Probleme, die besten Spieler des Landes einzuberufen. Sogar der 44-jährige Martin Rucinsky wollte kommen, der Litvinov heuer zum ersten Titel in der Vereinsgeschichte geführt hatte. Doch der Stürmer musste verletzungsbedingt passen. Mit den Leistungen von Kapitän Jakub Voracek sind die Tschechen noch nicht hundertprozentig zufrieden. Der Teamkollege von Michael Raffl bei den Philadelphia Flyers war heuer in der NHL mit 81 Punkten in 82 Partien fünftbester Scorer. "Er ist einer der besten Stürmer derzeit. Wenn er auf dem Eis ist, werden wir zwei zu ihm hinschicken müssen", sagt Raffl. Auch von Jagr ist Österreichs einziger NHL-Profi im WM-Kader angetan: "Er hat eine super Übersicht und ist kaum von der Scheibe zu trennen. Einer der besten, der sich je die Schuhe gebunden hat. Ich hätte ihn gerne früher spielen gesehen. Aber ich hoffe, dass ich mit 43 Jahren nicht mehr spielen muss."

Die Vokuhila-Zeit

Die beste Zeit hatte Jaromir Jagr gleich zu Beginn seiner Karriere in der NHL. Als er 1990 mit wallendem Nackenhaar in die beste Liga der Welt kam, war Raffl gerade erst zwei Jahre alt. 1991 und 1992 gewann Jagr den Stanley-Cup mit den Pittsburgh Penguins, sein legendärer Vokuhila-Haarschnitt (vorne kurz, hinten lang) wurde in Tschechien nur Jagr genannt.

25 Jahre nach seinem NHL-Debüt wird der 109-Kilo-Koloss während des Spiels auf der Bank vom Physiotherapeuten massiert. Dann geht er wieder aufs Eis und führt viele seiner Gegner vor, als würde er ihnen zeigen wollen, wie dieses Spiel funktioniert. Nach dem Spiel bleibt Jagr meistens stumm. "Er spricht eher Englisch mit nordamerikanischen Journalisten", sagte ein tschechischer Journalist.

Zumindest über Facebook kommuniziert Jagr – mit seinen 564.000 Fans.

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