ÖSV-Adler: Rücktritte, Formtiefs, Entwicklungshilfe

Schatten ihrer selbst: Die Ära der Superadler ist Geschichte.
Eine Spurensuche nach den Gründen für den Abwärtstrend im heimischen Skispringen.

Österreich – das Land der Adler. Das war vor vier Jahren die Schlagzeile im KURIER, nachdem die rot-weiß-roten Skispringer bei der Vierschanzentournee einen Dreifachsieg eingefahren hatten. Diesmal ist ein Podestplatz in der Gesamtwertung (Michael Hayböck) das Höchste der Gefühle. Und flugs übt Ex-Erfolgstrainer Alexander Pointner in seiner Kolumne heftige Kritik, prompt wird am Schanzentisch Trübsal geblasen. Folgen den sieben fetten Tournee-Jahren nun sieben magere? Sind die Superadler von einst tatsächlich nur mehr Suppenadler? Stecken die Österreicher im Tief?

"Ich sehe das nicht als Krise", sagt Cheftrainer Heinz Kuttin. Ein Abwärtstrend ist freilich erkennbar. Eine Spurensuche nach den Gründen für die aktuelle Flaute.

Die Erwartungshaltung

Wer fast ein Jahrzehnt lang alles in Grund und Boden springt, der steigert die Erwartungen zwangsläufig ins Unermessliche. Das haben sich die Österreicher durch die Seriensiege und die Medaillenhamsterei selbst eingebrockt. Die Fallhöhe ist enorm, die ständigen Vergleiche mit der Vergangenheit lähmen die aktuellen Springer sichtlich. "Es ist sehr schwierig, wenn man immer an der Vergangenheit gemessen wird", sagt Kuttin. Und früher war auch nicht alles besser: Einen Monat vor den beiden olympischen Goldmedaillen von Turin (2006) schaffte bei der Tournee gerade einmal ein Österreicher den Sprung in die Top 15.

Die Formtiefs

Im österreichischen Adlerhorst befinden sich derzeit deutlich mehr Sorgenkinder als Sieganwärter. Mit Gregor Schlierenzauer, Andreas Kofler und Thomas Diethart sind drei ehemalige Tourneesieger von Wolke sieben hart auf den Boden der Realität gestürzt.

Die Rücktritte

In den letzten beiden Jahren haben sich gleich drei verdienstvolle Springer in die Adler-Pension verabschiedet. Thomas Morgenstern, Martin Koch und Wolfgang Loitzl hatten über ein Jahrzehnt die österreichischen Fahnen hochgehalten und mit 28 WM- und Olympiamedaillen sowie 32 Weltcupsiegen die Ära der Superadler maßgeblich geprägt.

Keine Konkurrenz

Zu Zeiten der Superadler flogen im ÖSV-Team noch die Fetzen – im positiven Sinn. Der harte interne Konkurrenzkampf verlieh Flügel, die Springer stachelten sich gegenseitig zu Höchstleistungen an. Mittlerweile gleicht der Adlerhorst einer Wohlfühloase, Trainer Heinz Kuttin hat nicht mehr die Qual der Wahl, sondern die Wahl der Qual. "Wir haben Leute, die deutlich besser sein können", sagt Kuttin.

Das Nachwuchs-Dilemma

Jahrelang fehlte dem heimischen Nachwuchs die Perspektive. Die Startplätze im Weltcup waren durch die Superadler besetzt, die Chancen, ins Rampenlicht zu springen, gleich null. In dieser Zeit ist einigen Springern mit Potenzial die Luft ausgegangen. "Viele haben den Durchbruch nicht geschafft", erinnert sich Michael Hayböck. Der Oberösterreicher wäre als vierfacher Juniorenweltmeister bei jeder anderen Nation gesetzt gewesen, in Österreich schaffte er erst 2013 den Sprung ins Weltcup-Team – aber nur, weil er sich einen Startplatz über den Kontinentalcup erkämpft hatte.

Österreichische Entwicklungshilfe

In den letzten Jahren ist zusehends Skisprung-Know-how ins Ausland abgewandert. Notgedrungen. "Wir haben nicht so viele Jobs, dass wir jeden beschäftigen können", hatte Sportdirektor Ernst Vettori gemeint. So hat Werner Schuster, jahrelang Trainer im Skigymnasium Stams und Nachwuchscoach von Gregor Schlierenzauer, den Deutschen auf die Sprünge geholfen. Und Alexander Stöckl hob die schwächelnden Norweger auf ein höheres Niveau.

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