Not macht erfinderisch. Und im Lager der DSV-Skispringer muss nach 13 Jahren ohne einen Gesamtsieg bei der Vierschanzentournee die Verzweiflung offenbar so groß sein, dass schon in der Vorbereitung der Ernstfall geübt wurde. Die Deutschen inszenierten eine Sommer-Tournee, bei der sie nicht nur alle vier Schanzen beehrten, sie schliefen auch noch in jenen Betten, in denen sie nun auch im Winter nächtigen.
ÖSV-Cheftrainer Heinz Kuttin bezweifelt, dass solche Experimente zum Erfolg führen. "Die Tournee hat im Winter ein eigenes Flair", sagt der Kärntner vor dem Start in Oberstdorf, bei dem die ÖSV-Adler ausnahmsweise nicht die Gejagten sind. "Wir sind bereit", sagt Kuttin, der auf den Erfahrungsschatz seiner Springer baut. Denn niemand kennt das Erfolgsrezept für einen Tourneesieg besser als die Österreicher.
Andreas Kofler: "Man muss die Nerven bewahren"
Der 31-Jährige Tiroler siegte 2010, diesmal schaffte er nicht den SpNrung ins Aufgebot. "Der Schlüssel zum Erfolg ist: Man darf nichts Besonderes machen und sollte die Tournee als normalen Wettkampf sehen. Aber das ist zugleich auch die große Challenge. Du kriegst einfach überall mit, was bei uns in Österreich los ist. Bei mir sind dann irgendwann ab Innsbruck von den Journalisten ständig nur noch die Fragen nach dem Gesamtsieg gekommen. Da muss man dann schauen, dass man irgendwie die Nerven und die Ruhe bewahrt und sich nicht verrückt machen lässt. Heute kann ich es ja zugeben: Vor meinem allerletzten Sprung in Bischofshofen war ich extrem nervös, mir sind so viele Sachen durch den Kopf gegangen. Ich hab’ gewusst: ,Jetzt zählt’s, jetzt kann alles passieren.‘ Zum Glück habe ich mich damals nicht drausbringen lassen."
Gregor Schlierenzauer: "Man darf keine Experimente machen"
Der 25-jährige Tiroler gewann 2012 und 2013 die Tournee. "Im Grunde ist es einfach: Wenn man sehr gut springt und dazu noch das nötige Glück hat, dann gewinnt man die Tournee. Es ist wie bei jedem Großereignis: Eine Voraussetzung für den Erfolg ist, dass du schon vor Oberstdorf deine Siebensachen beisammen haben musst. Nur so kannst du gelöst und befreit springen. Wenn du während der Tournee zu experimentieren anfängst und den Zwang hast, etwas auszuprobieren, um in Form zu kommen, dann funktioniert das nicht. Für mich ist die Tournee immer auch ein Balanceakt zwischen Fokussierung und Lockerheit. Wenn du in Form bist, geht das natürlich immer leichter. Regeneration ist auch ein wichtiges Thema. Mir hat’s zum Beispiel immer gut getan, wenn ich rund ums Bergisel-Springen kurz einmal heim ins Stubaital gefahren bin."
Thomas Diethart: "Man muss es passieren lassen"
Der 23-jährige Niederösterreicher gewann 2014 die Tournee. "Mein großer Vorteil war damals, dass ich überhaupt keine Zeit zum Nachdenken hatte. Ich bin damals irgendwie in die Mannschaft reingerutscht, und auf einmal war ich bei der Tournee. Es ist alles so schnell gegangen, dass ich das gar nicht richtig realisieren konnte, was da gerade abgeht. Ich bin einfach drauflos gesprungen, und plötzlich ist da eine Eigendynamik entstanden, die ich so nicht erklären kann. Ich war einfach extrem locker, voller Selbstvertrauen und habe mich auch durch einen schlechteren Trainingssprung nicht aus der Ruhe bringen lassen. Insofern habe ich den Tourneesieg einfach passieren lassen. Anders funktioniert es auch nicht. Wenn man sich zu sehr auf Kleinigkeiten fixiert, wie ich es zum Beispiel gerade jetzt mache, dann kommt man nicht weiter."
Stefan Kraft: "Man muss einen genauen Plan haben"
Der 22-jährige Salzburger ist der Titelverteidiger: "Oberstdorf ist schon entscheidend. Wenn du dort gut reinstartest, dann ist das die halbe Miete. Ich habe es bei mir gemerkt. Ab dem Sieg in Oberstdorf bin ich befreit und locker gesprungen, weil ich gewusst habe, dass ich in Form bin. Wichtig ist auch, dass du einen genauen Plan hast, wie du abschalten kannst, damit sich nicht den ganzen Tag alles nur ums Springen dreht. Man wird ja während der Tournee doch oft abgelenkt. Ich habe die Tournee mit meinem Mentor schon im Sommer durchgespielt, deshalb habe ich die Tage dann auch genießen können. Ich habe es mir nicht nehmen lassen, in die Sauna zu gehen oder einmal richtig gut zu essen. Das ist wichtig, denn so eine Tournee kostet extrem viel Energie. Ich habe den Vorteil, dass ich nicht hungern muss wie viele meiner Kollegen: Ich nehm’ einfach nicht zu."
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