Vier Schanzen, ein Mythos, viele Favoriten

Am Dienstag geht's los. Wer hat das Zeug zum Überflieger? Wer kann überraschen? Ein Ausblick.

So eine Vierschanzentournee bringt ja immer auch einige Fragen mit sich. Gewinnt ausnahmsweise einmal kein Österreicher? Läuft man in Oberstdorf irgendwann vielleicht doch noch einem Teenager über den Weg? Und hat der Parkwächter in Garmisch, der seit Menschengedenken am 1. Jänner jedem Besucher "ein gutes Neues" wünscht, vielleicht heuer einen Text-Hänger?

Vor der 64. Auflage der Tournee freilich rückten die üblichen Fragen in den Hintergrund. Im frühlingshaften Oberstdorf (+12 Grad) drehte sich am Sonntag alles nur um das Eine – um den Einen. Der erste öffentliche Auftritt von Gregor Schlierenzauer nach seiner mehrwöchigen Auszeit überstrahlte alles und lockte Dutzende Reporter ins Hotel Oberstdorf, das traditionelle Quartier der ÖSV-Adler.

Für seine Performance bei der Pressekonferenz verdiente sich der Stubaier hervorragende Haltungsnoten. Der 25-Jährige präsentierte sich locker und launig und machte dabei keineswegs den Eindruck, dass er sich gerade in einer Sinnkrise befindet.

"Mir taugt’s, dass ich hier bin. Die letzten Wochen haben mir gut getan", sagte Schlierenzauer, der während seiner Schaffenspause nicht auf der faulen Haut gelegen ist. In Lillehammer trainierte der Tiroler gemeinsam mit Marc Nölke, dem früheren Assistenztrainer der ÖSV-Springer. Schlierenzauer hatte immer schon einen guten Draht zum Deutschen, der obendrein ein großer Experte auf dem Gebiet der Stressregulierung ist. "Mir ist wichtig, dass ich mich jetzt Schritt für Schritt entwickle und nicht einmal oben bin und dann wieder unten."

Der zweifache Tournee-Gesamtsieger hat wohl nur Außenseiterchancen. Aber welchen Überflieger sollte man auf dem Radar haben? Wer hat das Zeug zum Tournee-Triumphator?

Vier Schanzen, ein Mythos, viele Favoriten
epa05075514 Peter Prevc of Slovenia reacts during the men's FIS Ski Jumping World Cup at Titlisschanze in Engelberg, Switzerland, 19 December 2015. EPA/URS FLUEELER

Peter Prevc

Wer sein Geld auf einen Sieg des Slowenen setzt, der darf nicht mit großen Gewinnen rechnen. Vor der 64. Auflage des Schanzenklassikers lautet die Frage nur: Wer, wenn nicht er? Selten zuvor ist ein Springer mit einer so breiten Brust und einer so langen Erfolgsserie nach Oberstdorf gereist wie Peter Prevc, der in dieser Saison in anderen Sphären schwebt. Drei Siege und drei zweite Plätze – diese beeindruckenden Daten wirft der Flugschreiber für den Überflieger aus, der die letzten drei Bewerbe gewonnen hat.

Tourneefaktor: 5 von 5 Sternen

Severin Freund

Vier Schanzen, ein Mythos, viele Favoriten
epa05076947 Severin Freund from Germany reacts during the FIS Ski Jumping World Cup at the Titlisschanze in Engelberg, Switzerland, 20 December 2015. EPA/URS FLUEELER
Wer saisonübergreifend in den vergangenen 25 Weltcupbewerben nur einmal nicht in den Top Ten gelandet ist, dafür aber gleich 15 Mal vom Siegespodest lachen konnte, der muss zwangsläufig ein heißer Anwärter auf den Gesamtsieg sein. Der Deutsche hat mittlerweile auch alle Skeptiker Lügen gestraft und mit seinem WM-Titel auf der Großschanze (2015), dem Erfolg im Gesamtweltcup und seinen 20 Weltcupsiegen den Beweis erbracht, dass er über die nötige Winnermentalität verfügt. Ein kleines Fragezeichen gibt es freilich: Bei der Tournee, bei der in Deutschland plötzlich auch Medien aufs Skispringen fliegen, die sonst mit V-Stil und Kacherl nichts am Hut haben, war Freund noch nie in Topform.

Tourneefaktor: 4,5 von 5 Sternen

Kenneth Gangnes

Wenn sich jemand die Bezeichnung Senkrechtstarter verdient, dann der Nobody aus Gjøvik, der bis vor Kurzem nur Bakken-Insidern ein Begriff war. Vor dieser Saison konnte der Norweger nur einen 41. Rang (Gesamtweltcup 2014/’15) sowie einen 45. Platz (Tournee 2011/’12) als Highlight vorweisen, heuer hat er schon einen Sieg und zwei Podestränge errungen. Das große Plus des 26-Jährigen und seiner Kollegen: Die Verantwortung und der Erfolgsdruck sind verteilt, die Norweger haben mehrere heiße Eisen im Tournee-Feuer. Fünf Norweger waren heuer schon in den Top drei.

Tourneefaktor: 3,5 von 5 Sternen

Michael Hayböck

Die Hoffnungen, dass die österreichische Erfolgsserie prolongiert wird – seit 2009 stellte der ÖSV immer den Tourneesieger – ruhen vor allem auf dem Oberösterreicher. Der Tournee-Zweite des Vorjahres hinterließ von allen ÖSV-Adlern bisher den stärksten Eindruck. "Die Form passt."

Tourneefaktor: 2,5 von 5 Sternen

Stefan Kraft

Der Titelverteidiger wartet in diesem Winter noch auf das große Aha-Erlebnis. "Es geht derzeit noch nicht so locker von der Hand", gesteht der 22-Jährige. Allerdings trauen Experten dem Salzburger eine größere Leistungsexplosion zu als dem Zimmerkollegen Hayböck.

Tourneefaktor: 2 von 5 Sternen

Noriaki Kasai

Würde es den Japaner nicht schon so lange geben, dann müsste man ihn erfinden. Der 43-jährige Kasai machte seinen Jungfernsprung im Weltcup (1988), als die meisten seiner heutigen Rivalen noch nicht einmal auf der Welt waren. Und dennoch lässt der nimmermüde, immerfröhliche Asiate die jüngeren Kollegen immer wieder alt aussehen und lachte auch in diesem Winter schon vom Siegerfoto. Und seien wir ehrlich: Gibt es einen Springer, dem man den Tourneesieg mehr gönnen würde?

Tourneefaktor: 1,5 von 5 Sternen

Domen Prevc

8, 8, 12, 2, 5 – die Ergebnisse, die der jüngere Bruder von Peter Prevc in seinen ersten fünf Weltcupbewerben erreicht hat, bleiben den meisten Springern in der gesamten Karriere vorenthalten. Der 16-Jährige erbrachte früh den Beweis, dass er nicht zu Unrecht als Superstar von morgen und slowenische Antwort auf Schlierenzauer gehandelt wird.

Tourneefaktor: 1 von 5 Sternen

Simon Ammann

Vier Schanzen, ein Mythos, viele Favoriten
epa04547415 Simon Ammann of Switzerland prior to the qualification jump for the fourth competition of the 63rd Four Hills Tournament ski jumping event in Bischofshofen, Austria, 05 January 2015. EPA/DANIEL KARMANN
Ob das wirklich noch einmal etwas wird mit dem Kindheitstraum des Schweizers, der immer mehr zum Trauma wird? Seit Jahren jagt Ammann dem Tourneesieg hinterher, der letzten wichtigen Schanzen-Trophäe, die ihm noch fehlt. Es ist nach dem schweren Sturz beim Tournee-Finale in Bischofshofen sowieso ein Wunder, dass der 34-Jährige auch heuer wieder in Oberstdorf aufkreuzt.

Tourneefaktor: 0,5 von 5 Sternen

Gregor Schlierenzauer

Es gebietet der Respekt vor dieser einzigartigen Karriere, dass auch der zweifache Tourneesieger in den Kreis der Mitfavoriten aufgenommen wird. Auch wenn sein letzter Weltcupsieg verjährt ist und Schlierenzauer über sich sagt: "Im Moment bin ich kein Siegspringer." Allerdings hat der 25-Jährige schon oft genug gezeigt, dass er aus dem Nichts ins Rampenlicht springen kann.

Tourneefaktor: 0,5 von 5 Sternen

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