Müsste ein Abfahrtsdesigner heute am Reißbrett eine Strecke entwerfen, es käme niemals die Saslong heraus. Die Piste am Fuße des Langkofels im Grödnertal ist so speziell und naturbelassen, dass sie in dieser Form einzigartig und aus dem Weltcup nicht mehr wegzudenken ist. Nicht der einzige Grund, warum Gröden zu den Abfahrtsklassikern zählt.
Der Jungfernsprung
Über lange Jahre galt auf der Saslong das ungeschriebene Gesetz: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Abfahrer über die Kamelbuckel springt. Die Gobes dl Camel, wie die Ladiner diese natürlichen Erhebungen im oberen Streckenteil nennen, sind seit jeher unter den spektakulärsten Sprüngen in der Welt der Abfahrer.
Bis ins Jahr 1980 machten die Rennläufer noch einen weiten Bogen um diese Erhebungen, ehe dann Uli Spieß als erster Mensch auf die Idee kam, die Buckel zu überspringen. Der Zillertaler hatte dafür extra auf Sprungschanzen trainiert. „Die Angst im Nacken saß tief. Angst vor der Ungewissheit, Angst, ob ich es schaffen würde oder ob meine Knochen beim Aufprall eingesammelt werden müssten“, erinnert sich der Zillertaler, der mit seinem Jungfernsprung der Wegbereiter für die kommenden Abfahrer-Generationen war.
Olympiasieger Patrick Ortlieb wähnte sich 1993 bereits als Sieger, nachdem er mit Nummer 13 die Bestzeit aufgestellt hatte. Doch damals hatte das nichts zu bedeuten, denn Anfang der 1990er-Jahre wurde die Abfahrt noch viel später gestartet als heute, weshalb in Gröden häufig ein Phänomen zu beobachten war: Die Saslong-Piste wurde stets schneller, wenn am frühen Nachmittag die Sonne hinter dem Langkofel hervorkam und Läufer mit höheren Startnummern plötzlich ins Rampenlicht gerückt wurden. Nach Ortlieb durften sich erst Marc Girardelli (Nr. 30), dann Werner Franz (Nr. 52) als Gewinner fühlen, ehe die Nummer 66 alles noch einmal auf den Kopf stellte: Markus Foser, ein unbekannter Abfahrer aus Liechtenstein, gewann das erste und einzige Mal im Weltcup. Noch heute gilt das Rennen von 1993 als verrückteste Abfahrt der Geschichte.
Der Wildwechsel
„Schau, schau, schau! Was ist da drin? Da ist a Reh drin! A Reh im Zielschuss!“ ORF-Experte Armin Assinger traute 2004 seinen Augen nicht, als er die Fahrt von Kristian Ghedina kommentierte. Just in dem Moment, in dem der Italiener mit 120 km/h den Zielschuss herunterraste, kreuzte ein Reh seinen Weg. Ghedinas Reaktion: „Ich habe ihm gesagt: ‚Hey, was machst denn du hier?‘“
Der Bauchfleck
Fritz Strobl stürzte sich 2005 im Super-G dermaßen wild aus dem Starthaus, dass er im Übereifer über seine eigenen Füße stolperte. Der Bauchfleck des Abfahrtsolympiasiegers wirkte wie eine Verneigung vor der Saslong. „Ich bekam den Stock zwischen die Beine, das ist mir noch nie passiert“, sagte Strobl, der nach dem Hoppala das Rennen mit 9,78 Sekunden Rückstand als Letzter beendete.
Der Horrorsturz
Seit der ersten Weltcup-Abfahrt im Jahr 1969 hat die Saslong viele Opfer gefordert und auch einige Karrieren beendet. Über den Rücken von Doppel-Olympiasieger Matthias Mayer zieht sich eine lange Narbe, seit er sich 2015 bei einem Sturz in Gröden zwei Brustwirbel gebrochen hat.
Der Mister Saslong
Gröden ist seit jeher ein guter Boden für die Norweger. Im Vorjahr gelang Aleksandar Aamodt Kilde das Double (Sieg in Abfahrt und Super-G), der König der Saslong ist aber Aksel Lund Svindal, der sieben Siege einfahren konnte, seinen letzten im Jahr 2018.
Der Rätsel-König
Im ersten Training für die Abfahrt 2021 sorgte ein US-Amerikaner für Erstaunen bzw. Kopfzerbrechen: Ryan Cochran-Siegle lag fast eine Sekunde voran und gab mit seiner Fahrt der Konkurrenz Rätsel auf. Max Franz war als 19. der beste Österreicher.
Kommentare