Womit wir schon bei den Hahnenkammrennen sind.
Da sind wir genau beim Thema. Wenn man sich die Hahnenkammrennen der letzten fünf, sechs Jahre anschaut, dann hätten viel mehr Rennen ausfallen können. An anderen Orten wären sie mit großer Wahrscheinlichkeit auch ausgefallen. Aber die Leute in Kitzbühel sind sehr kreativ und hängen sich extrem rein.
Kreativ in welcher Hinsicht?
Ich erinnere mich daran, dass in Kitzbühel beim Super-G das Ziel einmal auf den Oberhausberg verlegt wurde. Es wurde das Rennprogramm nicht nur einmal umgeworfen und zum Beispiel der Slalom auf den Freitag vorverlegt. Wir hatten auch schon Rennen am Montag. Die Kitzbüheler schöpfen sämtliche Möglichkeiten aus. Auch weil sehr viel dran hängt.
Die Hahnenkammrennen haben eine Umwegrentabilität von 50 Millionen Euro.
Nur aus rein finanziellen Erwägungen nimmt man den ganzen Aufwand sicher nicht auf sich. Es wäre ja eine Absicherung durch den Versicherer da. Wenn man den Stellenwert des Skisports in Österreich und im speziellen in Tirol kennt, dann weiß man, dass ein gewisser Druck und Anspruch dahinter stecken. Niemand will, dass Kitzbühel abgesagt wird. Deshalb sind dort alle mit sehr viel Herzblut dabei.
Wie teuer wäre denn eine Absage der Hahnenkammrennen?
Genaue Zahlen darf ich nicht nennen. Aber wir reden da schon von einigen Millionen Euro. Die Hahnenkammrennen sind nun einmal kein normales Skirennen.
Dann sind in Kitzbühel vermutlich auch die Versicherungsprämien höher.
Der Preis bestimmt sich über den Prämiensatz und die Versicherungssumme. Wenn die Summe viel höher ist, dann ist natürlich auch die fällige Prämie entsprechend höher. Und dann geht es natürlich auch um den Bewerb der ausgetragen wird. Es braucht nicht viel, dass eine Abfahrt abgesagt werden muss. Ich erinnere nur an die Ski-WM 2017 in St.Moritz. Da hatten wir bei der Abfahrt das schönste Wetter, nur im obersten Teil war eine kleine Nebelbank, die berühmte Malojaschlange – das Rennen konnte nicht stattfinden. Slalom-Absagen sind eher die Ausnahme, deshalb sind auch die Prämien niedriger. Aber auch da gibt es verschiedene Bandbreiten und es kann der gleiche Bewerb – zum Beispiel ein Slalom – unterschiedlich viel kosten.
Wieso das?
Weil der eine Slalom an einem Ort stattfindet, wo noch nie etwas ausgefallen ist. Und der andere eben an einem Ort, wo immer wieder etwas passiert. Das wird immer im Einzelfall angesehen und berechnet. Es gibt weltweit so wenige Skirennen, dass es auch nur sehr wenige Anbieter von Versicherungen gibt.
Mit welchen Folgen?
Anstatt zahlenbasierter Statistiken spielen persönliche Erfahrungswerte in diesem Bereich eine große Rolle. Die Versicherer verlassen sich oft auf unsere Einschätzungen und Expertisen. Denn Versicherer können zwar ohne weiteres berechnen wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Haus abbrennt. Aber für den Skisport haben wir solche mathematischen Formeln nicht. Mir fällt auch keine andere Sportart ein, die so ein hohes Ausfallsrisiko hätte wie die Speeddisziplinen im alpinen Skisport.
Können Sie die Hahnenkammwoche eigentlich genießen?
Natürlich. Wirklich genießen kann ich es erst dann, wenn es losgeht. In Kitzbühel geht mein erster Blick nach dem Aufwachen immer raus aus dem Fenster und rauf auf die Strecke. Manchmal denkst du dir dann: Geht sich das wirklich aus? Ich bin da schon einigermaßen nervös. Andererseits ...
... andererseits?
Ist die Versicherung ja auch genau dafür da. Der Kunde zahlt eine Prämie, und die ist ja auch nicht so niedrig, und wenn es einmal schief geht, dann muss man das akzeptieren. Wobei es schon so ist: Wenn die Abfahrt in Kitzbühel ausfällt und dann vielleicht noch ein anderes großes Rennen dazu, dann kann es schon schwierig werden, im nächsten Jahr Versicherer zu finden. Wenn sich jemand eine richtig blutige Nase geholt hat, dann wagt sich kaum noch jemand in diese Sparte rein.
Themenwechsel: Welche Auswirkungen hatte das Coronavirus auf Ihre Branche?
Bevor es Corona gab, war eine Pandemie tatsächlich bei der einen oder anderen Veranstaltung sogar mitversichert. Auch weil niemand daran geglaubt hat, dass es eine Pandemie geben könnte und dass wirklich ein Risiko besteht. Wimbledon ist wahrscheinlich der bekannteste Fall. Die hatten eine Epidemie inkludiert und da ist 2020 wirklich sehr viel Geld geflossen. Das hat auch dazu geführt, dass heute eine Epidemie nicht mehr Bestandteil einer Versicherung ist. Weil es einfach für beide Seiten zu teuer wäre. In ein paar Jahren kann sich das wieder ändern.
Betrachten Sie in Ihrer Position Sportveranstaltungen denn aus einer anderen Warte?
Mag sein, dass ich mir beim Zuschauen ab und an Gedanken mache, was sich gerade hinter den Kulissen abspielt. Interessant war für mich der Formel-1-Grand-Prix in Spa, als sie eine Runde hinter dem Safety-Car hergefahren sind.
Was ist Ihnen bei diesen Bildern durch den Kopf gegangen?
Es war offensichtlich dass es keine sportlichen Gründe gibt, das so zu machen. Dahinter sind sicher rein finanzielle Überlegungen gestanden. Sponsoren und Fernsehanstalten zahlen eben nur für ein Event, das auch stattfindet. Da gibt es keine Grautöne in den Verträgen, sondern nur schwarz oder weiß. Entweder war es also nicht ausfallversichert oder man hat vom Versicherer den Hinweis erhalten, dass er nur zahlt, wenn alle Möglichkeiten für die Wertung des Bewerbs ausgeschöpft sind. Dann kann so ein sportlicher Murks schon zustande kommen.
Kommentare