Weltmeister 2017 und 2019, Europameister 2018, Hallen-Europameister 2019, U-23-Europameister 2017 war der 1,87-Meter-Hüne bereits. Und in seiner Jugend war der Allrounder auch schon im Mehrkampf erfolgreich (U-18-Weltmeister im Achtkampf 2013, Silbermedaillengewinner im Zehnkampf bei der U-20-EM 2015). Aber 400 Meter Hürden unter 46 Sekunden?
„Ich habe keine einzige Hürde berührt. Auf den letzten Metern konnte ich sogar noch einen Gang zulegen, also wow“, freute sich der Olympiasieger, der Rai Benjamin erst an der letzten Hürde abschütteln konnte. Und laut seinen Trainern sei es ihm ja mit einem perfekten Rennen auch möglich, die 46 Sekunden zu unterbieten. Trotzdem bestanden seine ersten Reaktionen aus Unglauben und Überraschung.
Ein Faktor für den Rekord ist in jedem Fall die Bahn im Olympiastadion von Tokio, sie gilt als eine der schnellsten der Welt, wenn nicht gar die schnellste. Ein anderer liegt im verwendeten Schuhwerk. Ausrüster Puma hat zusammen mit Renningenieuren des Formel-1-Teams Mercedes Spikes entwickelt, deren Obermaterial von Carbonfasern durchzogen ist. Die Sohle ist ebenso aus Carbon mit Titan-Dornen. Die 135 Gramm leichten Schuhe sollen die perfekte Federung ermöglichen.
Schon nach Karsten Warholms erstem Weltrekord am 1. Juli wurden seine Schuhe im Labor in Stockholm unter die Lupe genommen. „Es ist gut, dass sie das machen“, sagte Trainer Leif Olav Alnes seinerzeit dem norwegischen Fernsehsender NRK. „Die Schuhe wurden zwar auch schon vor dem Wettkampf getestet, und ich wüsste nicht, was dagegen sprechen sollte. Aber es wäre eine extreme Überraschung, wenn es etwas zu beanstanden gäbe.“
Für Karsten Warholm war jedenfalls schon am 1. Juli klar, was für den Olympiasieg nötig sein würde: „Es wird den Lauf des Lebens brauchen, um Gold zu holen.“
Der ist ihm gelungen. Und dass auch Rai Benjamin so flott unterwegs war, hat ebenfalls zum Teil die Ausrüstung als Grund. Nur dass sein Schuhpartner Nike auf ein Luftpolster unter dem Vorderfuß setzt. Das wiederum gefällt Karsten Warholm so gar nicht: „Wenn man da ein Trampolin hinmontiert, ist das Bullshit. Das nimmt unserem Sport die Glaubwürdigkeit. Ich sehe überhaupt keinen Grund dafür, irgendetwas unter Sprintschuhe zu montieren.“
Er und sein Team hätten versucht, „so glaubwürdig wie möglich zu bleiben. Ja, wir haben die Carbonplatte, aber wir haben versucht, sie so dünn wie möglich zu halten. Natürlich wird sich die Technologie immer weiterentwickeln, aber ich möchte das auf einem Level halten, auf dem man die Leistungen noch miteinander vergleichen kann. Das ist wichtig.“
Am 24-jährigen Rai Benjamin, geboren im US-Bundesstaat New York und längst in Kalifornien ansässig, perlte die Kritik ab. „Die Leute sagen, es liegt an der Bahn, es liegt an den Schuhen. Ich kann auch andere Schuhe tragen und bin immer noch schnell. Es macht nicht wirklich einen Unterschied. Ja, der Schuh hat einen Effekt, und auch die Bahn – aber keiner aus der Geschichte wird da rausgehen und tun, was wir heute gelaufen sind. Kein Kevin Young und auch kein Edwin Moses.“
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