Warum Diskus-Ass Weißhaidinger seinen Spitznamen loswerden will
Drei Sekunden, zwei Schritte und eineinhalb Umdrehungen braucht Lukas Weißhaidinger, um sein zwei Kilogramm schweres Sportgerät zu werfen. Ein ganzes Leben dauert es aber, um an der perfekten Technik für eine optimale Weite zu feilen. „Wir haben im Kleinen ein Umfeld geschaffen, wo Weltklasse entstehen kann“, sagt der 29-Jährige.
Eine WM- und eine EM-Medaille hängen bereits in der Sammlung. Aus Tokio soll nun endlich der wichtigste „Klunker“, die langersehnte Olympiamedaille, mit nach Hause gebracht werden.
4.500 Kalorien pro Tag
Bei seinen ersten Olympischen Spielen in Rio de Janeiro erreichte Weißhaidinger 2016 überraschend das Finale und wurde Sechster. Es war die beste österreichische Olympia-Platzierung im Diskuswerfen seit über 104 Jahren. Doch Oberösterreichs Sportler des Jahres 2019 kann nicht nur Diskusscheiben weit werfen.
„Worauf ich ganz besonders stolz bin ist, dass mir einmal ein Dunk und ein paar Dreier beim Basketball gelungen sind. Hammerwerfen und Kugelstoßen hab’ ich auch ausprobiert. Was ich aber überhaupt nicht kann, ist einen Stein übers Wasser flitschen lassen“, sagt der Vollprofi mit einem Augenzwinkern.
Das Basketballspielen hat ihm sein Trainer Gregor Högler, der ihn seit 2015 betreut, allerdings verboten. Zu groß ist die Verletzungsgefahr für den wichtigen Zeigefinger, auf dem bei jedem Abwurf der Scheibe bis zu 70 Kilogramm lasten. Das ist auch für einen 145 Kilo schweren Athleten viel Druck. Für sein optimales Kampfgewicht muss er noch ein bis zwei Kilo drauflegen, erst dann hat er das „perfekte Gefühl für einen Wettkampf“. Die vorgesehenen fünf Mahlzeiten pro Tag mit insgesamt 4.500 Kalorien werden brav verputzt. „Mein Trainer war ja auch Athlet und weiß, was an der Weltspitze nötig ist.“
Mit einer Weltjahresbestleistung von 68,40 Metern startete Weißhaidinger in die Olympiasaison. Bei seinem ersten internationalen Auftritt seit über einem Jahr wurde er Dritter. Am Mittwochabend flog sein Diskus beim Meeting in Eisenstadt erstmals über die 69-Meter-Marke. 69,04 Meter sind österreichischer Rekord. Weißhaidinger warf die neue Bestweite im vierten Versuch. Sonst kam er auf 63,87 m (1. Versuch), 66,79 m (2) und 65,83 m (6.). "Das hätte ich nie und nimmer für möglich gehalten", sagte Weißhaidinger. "Ich wäre mit 66 Metern schon richtig zufrieden gewesen. Aber Rekorde kann man nicht planen, die passieren eben."
Minus 110 Grad für Tokio
Für die schnelle Regeneration setzt sich der „waschechte“ Innviertler für drei Minuten bei minus 110 Grad in eine Kältekammer. Um selbst die kleinsten Fehler in der Technik auszumerzen, wird mit einem biomechanischen Kamerasystem gearbeitet. Im Vergleich mit anderen Top-Athleten wirft Weißhaidinger aus der Dynamik der Beine und nicht wie die meisten aus dem Hebel der Arme.
Blitzanreise
Am 27. Juli fliegt er mit seinem Team in die 30-Millionen-Metropole Tokio. Dort entscheidet sich drei Tage später bei der Qualifikation, ob dem „Lucky Luky“ der Wurf ins Finale gelingt. Wobei Österreichs größte Medaillenhoffnung ja eigentlich gar nicht mehr so genannt werden mag. „Am Anfang brauchte mein Fanklub wahrscheinlich einen Spitznamen für die Plakate, den will ich aufgrund der Qualifikationsereignisse der letzten Jahre jetzt aber gern ablegen. Die Qualifikation ist nicht mein bester Freund, denn im Gegensatz zum Finale gibt’s da ja nichts zu gewinnen.“
Dazu kommt noch ein Punkt: In Tokio werden so viele Medaillenanwärter wie niemals zuvor erwartet.
Lukas Weißhaidinger ist aber nicht nur Diskuswerfer, sondern für seine Fans in Österreich auch Diskusbringer. „Ich schau’, dass der Sport in aller Munde ist, und ich glaube, wenn man das mit vor zehn Jahren vergleicht, kennen sich schon echt viele Leute mit Diskuswerfen aus – und wissen wenigstens, dass es nicht Frisbee ist.“
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