70 Meter – das ist die Marke, die jeder Weltklasse-Diskuswerfer im Auge hat. Eine magische Grenze. Wer sie übertrifft, der gehört zu einem erlesenen Kreis der besten Werfer aller Zeiten. Diese Weite, so glauben wir, wird in Tokio notwendig sein, um eine Medaille zu holen. Im Idealfall reicht sie sogar zum Olympiasieg.Mehr als 30.000 Würfe und gut 3.500 Trainingseinheiten sind seit 2016 in Rio vergangen. Wir haben neue Krafttrainingsgeräte im Wert von 150.000 Euro angeschafft. Mein Trainer hat jede Millisekunde meiner Drehbewegung (vor dem Abwurf) anhand von Tausenden biomechanischen Daten und Film-Studien analysiert.
Ich habe mehr als 15 Kilo Muskelmasse in den letzten Jahren zugelegt, halte mittlerweile bei rund 150 kg Wettkampfgewicht. Mein Proteinbedarf liegt an harten Trainingstagen bei mehr als 30 Eiern pro Tag - in Form von Nahrungsergänzungsmitteln.
Hanna und ich haben den USA-Flug storniert, sobald endgültig klar war, dass die Olympischen Spiele erst im Sommer 2021 stattfinden können. Ich war gerade mit dem Training fertig, als vom IOC die Verschiebung bekanntgegeben wurde. Es war die Zeit, als wir uns um meine 81-jährige Oma Sorgen machten. Ich trainierte zu Hause in Taufkirchen an der Pram, am Bauernhof meines Bruders.
Und auch wenn sich die Entscheidung längst abgezeichnet hatte, so traf sie mich doch am falschen Fuß. Ich war sprachlos und maßlos enttäuscht. Vier Jahre lang denkst du täglich an den 1. August 2020, den vermeintlichen Finaltag im Diskuswerfen. Daran, dass du an diesem Tag X um eine Medaille kämpfen willst. Jetzt war mir über Nacht mein Ziel abhandengekommen.
Die ersten Tage war ich orientierungslos. Erst als der Ersatz-Termin kam, kehrte auch meine Motivation langsam zurück. Gregor und ich waren uns einig, dass wir nicht mit Auslandsstarts rechnen könnten. So haben wir bald entschieden, nur in Österreich an den Start zu gehen, um kein unnötiges Ansteckungsrisiko einzugehen.
Im Training hab‘ ich in dieser Phase das erste Mal über 70 Meter geworfen, im Wettkampf hat „ein Hauch“ gefehlt. Mein bester Wurf (er wurde mit 69,95 m gemessen) war ungültig. Ich selbst habe gar nicht bemerkt, dass ich mit den Zehenspitzen den Wurfring berührt habe.
Nach dieser Weitenjagd haben wir im Training ein, zwei Gänge zurückgeschaltet, um meinem Körper ein bisschen Erholung zu gönnen und um Verletzungen unter allen Umständen zu vermeiden. Der olympische Ernst holt mich in der Vorbereitung ohnehin bald wieder ein. Ab Mitte September beginnen wir mit der eigentlichen Olympia-Training. Der neue Tag X ist der 31. Juli 2021. Die USA müssen für Hanna und mich warten
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