Vincent Kriechmayr: "Die Entwicklung stoppt nie"
Der Winter hat sich gut versteckt. Wer ihn finden will, der braucht viel Sitzfleisch und sollte außerdem keine Flugangst haben. Einen Tag dauert die beschwerliche Anreise nach Ushuaia auf der Insel Feuerland. Das Klima dort ist rau, die Gegend schroff, nicht von ungefähr wird die argentinische Kleinstadt gemeinhin „Fin del Mundo“ genannt, das „Ende der Welt“.
Für die Skifahrer ist die südlichste Stadt der Welt im europäischen Hochsommer ein wahres Winter-Paradies. Auf den Pisten rund um Ushuaia holen sie sich den Feinschliff für die nächste Weltcupsaison. Aktuell trainieren gerade die ÖSV-Abfahrer rund um Vincent Kriechmayr im Süden von Argentinien.
KURIER: Herr Kriechmayr, wie ist es denn so am Ende der Welt?
Vincent Kriechmayr: Es ist jedenfalls ganz und gar nicht schlimm. Im Gegenteil: Wir finden hier super Bedingungen vor, wir können uns in Ruhe vorbereiten, wir genießen die Zeit richtig. Außerdem haben wir’s mit Ushuaia eh noch gut erwischt. Die Alternative Neuseeland ist ja noch einmal ein Stück weiter.
Bleibt bei so einer Reise denn auch Zeit, um Land und Leute kennenzulernen?
Eher wenig. Wir müssen versuchen, die Zeit hier bestmöglich zu nutzen und uns auf das Wesentliche zu konzentrieren. Und das ist nun einmal das Skifahren.
Womit wir schon beim Thema wären: Sie haben eine Saison mit zwei WM-Medaillen und dem Sieg bei der Lauberhornabfahrt hinter sich. Steigen dadurch zwangsläufig die Ansprüche?
Natürlich will man immer mehr. Das Schöne am Skisport ist, dass man sich immer weiter verbessern kann und dass die Entwicklung nie stoppt. Das ist ein Anreiz. Ich sehe noch viele Bereiche, in denen ich mich verbessern kann.
Inwieweit hat der erfolgreiche letzte Winter Ihr Leben verändert?
Vielleicht werde ich heute in der Öffentlichkeit etwas häufiger erkannt. Aber grundsätzlich kann ich meine Privatsphäre noch sehr geheim halten. So lange der Marcel (Hirscher, Anm.) fährt, nimmt er uns, was das betrifft, sehr viel ab. Wenn man erfolgreich ist, dann wird man automatisch auch bekannt. Wobei ich an sich nicht bekannt sein möchte.
Was stört Sie daran?
Klar, es ist wunderschön, wenn man Erfolge feiern darf. Aber mein Ziel war es nie, berühmt zu werden. Ich wollte immer nur Skifahren, weil es meine Leidenschaft ist.
Vor Ihnen liegt eine Saison ohne Großereignis. Kann man von einer Übergangssaison sprechen?
Nein, weil es um sehr viel geht. Es hat schon lange keinen österreichischen Speedfahrer mehr gegeben, der eine Kugel gewinnen konnte. Der letzte war Klaus Kröll, und das ist schon sieben Jahre her. Das sollten wir schon einmal bereinigen. Am Ende des Jahres sollte für einen von uns eine Kugel rausschauen.
Mit Lindsey Vonn, Felix Neureuther und Aksel Lund Svindal haben drei Ski-Stars heuer ihre Karriere beendet. Wie groß ist der Verlust?
Richtig beurteilen kann ich das nur bei den Herren, aber die Lücke ist riesig. Felix und Aksel waren ja nicht nur aus sportlicher Sicht top, die waren auch menschlich super Typen. Jeder hat sie gern gehabt, jeder hat sie geschätzt. Die zu ersetzen, wird sehr schwierig. Und bei der Lindsey brauchen wir gar nicht reden: Sie war sowieso die berühmteste und erfolgreichste Läuferin im Weltcup überhaupt.
Wegen der Olympischen Spiele 2022 macht der Weltcup in diesem Winter auch in Peking Station. Hätten Sie jemals gedacht, dass Sie in China Skifahren würden?
Ehrlich gesagt hab’ ich mir darüber nie Gedanken gemacht. Wir müssen es eh alles nehmen, wie es kommt. Wobei ich schon sehr gespannt bin, was mich dort erwartet. Wenn das wirklich so ist, dass dort nur irgendwas aufgebaut wird, dann wird das sicher nicht so nachhaltig. Aber sobald der Pieps der Zeitmessung im Starthaus geht, muss ich rausstarten, und dann werde ich mein Bestes geben. Das ist unser Job.
Abschließend noch: Ihr letzter Facebook-Eintrag stammt vom 7. April, auf Instagram haben Sie 24 Einträge. Kann es sein, dass Sie mit Social Media nicht viel anfangen können?
Ich schau’s mir schon an, aber ich muss zugeben, dass ich in dieser Hinsicht sehr unkreativ bin. Ich informiere mich darüber, was meine Kollegen so machen, ich kann mich selbst damit aber nicht ganz identifizieren. Cool ist es zum Beispiel, wie es Manuel Feller macht. Aber vielleicht kommt ja auch bei mir die Phase noch, in der ich auf Social Media Gas gebe.
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